Dokument-Nr. 15709
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- CR 2013, 369Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2013, Seite: 369
- ITRB 2013, 199Zeitschrift: Der IT-Rechts-Berater (ITRB), Jahrgang: 2013, Seite: 199
- JuS 2013, 952Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 952
- K&R 2013, 381Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2013, Seite: 381
- NJW 2013, 1499Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 1499
- ZD 2013, 328Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2013, Seite: 328
Bundesverfassungsgericht Urteil24.04.2013
Antiterrordatei ist in Grundstrukturen verfassungsgemäßAusgestaltung im Einzelnen genügt jedoch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen
Die Antiterrordatei ist in ihren Grundstrukturen verfassungsgemäß. Jedoch genügt sie hinsichtlich ihrer Ausgestaltung im Einzelnen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht. Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2014, dürfen die verfassungswidrigen Vorschriften unter Maßgaben weiter angewendet werden.
Im zugrunde liegenden Fall wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz ATDG).
Europäischen Grundrechte sind von vornherein nicht anwendbar
Die Verfassungsbeschwerde gibt keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Unzweifelhaft stellen das Antiterrordateigesetz und die Tätigkeit auf dessen Grundlage keine Durchführung des Rechts der Union im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Grundrechtecharta der Europäischen Union dar. Das Antiterrordateigesetz verfolgt innerstaatlich bestimmte Ziele, die das Funktionieren der unionsrechtlich geordneten Rechtsbeziehungen nur mittelbar beeinflussen können. Die europäischen Grundrechte sind daher von vornherein nicht anwendbar, und der Europäische Gerichtshof ist insoweit nicht gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Nichts anderes kann sich aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Åkerberg Fransson vom 26. Februar 2013 ergeben. Im Sinne eines kooperativen Miteinanders darf dieser Entscheidung keine Lesart unterlegt werden, nach der diese offensichtlich als Ultra-vires-Akt zu beurteilen wäre oder Schutz und Durchsetzung der mitgliedstaatlichen Grundrechte in einer Weise gefährdete, dass dies die Identität der durch das Grundgesetz errichteten Verfassungsordnung in Frage stellte. Der Senat geht davon aus, dass die in der EuGH-Entscheidung enthaltenen Aussagen auf Besonderheiten des Umsatzsteuerrechts beruhen, aber keine grundsätzliche Auffassung äußern. Die Entscheidung über diese Frage ist im Senat einstimmig ergangen.
Antiterrordatei in Grundstrukturen mit Grundgesetz vereinbar
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Die Antiterrordatei ist in ihren Grundstrukturen mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar.
Aufnahme in Datei kann erheblich belastende Wirkung für Betroffene haben
Der durch die angegriffenen Vorschriften geschaffene Informationsaustausch ist von erheblichem Gewicht. Für die Betroffenen kann die Aufnahme in eine solche Datei erheblich belastende Wirkung haben.
Datenaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für operatives Tätigwerden nur in Ausnahmen zulässig
Das Eingriffsgewicht wird dadurch erhöht, dass die Datei auch den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden ermöglicht. Die Rechtsordnung unterscheidet zwischen einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die auf eine operative Aufgabenwahrnehmung ausgerichtet und von detaillierten Rechtsgrundlagen angeleitet ist, und den grundsätzlich verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten, die auf die Beobachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politischen Information und Beratung beschränkt sind und sich deswegen auf weniger ausdifferenzierte Rechtsgrundlagen stützen können. Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung folgt für den Datenaustausch zwischen diesen ein informationelles Trennungsprinzip. Soweit Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein operatives Tätigwerden ausgetauscht werden, handelt es sich um einen besonders schweren Eingriff. Dieser ist nur ausnahmsweise zulässig und muss einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen. Hierbei dürfen die jeweiligen Eingriffsschwellen für die Erlangung der Daten nicht unterlaufen werden.
Antiterrordateigesetz berechtigt nur in dringenden Ausnahmefällen zum Austausch zur operativen Aufgabenwahrnehmung
Das Eingriffsgewicht der Antiterrordatei wird jedoch dadurch gemindert, dass sie als Verbunddatei ausgestaltet ist, die sich in ihrem Kern auf die Informationsanbahnung durch bereits erhobene Daten beschränkt. Für die Übermittlung der Daten zur operativen Aufgabenwahrnehmung ist das einschlägige Fachrecht maßgeblich, das seinerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen und dem informationellen Trennungsprinzip genügen muss. Das Antiterrordateigesetz selbst berechtigt zu einem Austausch zur operativen Aufgabenwahrnehmung nur in dringenden Ausnahmefällen.
Terrorismusbekämpfung ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung ein erhebliches Gewicht beizumessen
Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus, wie sie das Antiterrordateigesetz zum Bezugspunkt hat, richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Es ist Gebot unserer verfassungsrechtlichen Ordnung, solche Angriffe nicht als Krieg oder als Ausnahmezustand aufzufassen, der von der Beachtung rechtsstaatlicher Anforderungen dispensiert, sondern sie als Straftaten mit den Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen. Dem entspricht umgekehrt, dass der Terrorismusbekämpfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung ein erhebliches Gewicht beizumessen ist.
Grundstrukturen der Antiterrordatei begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken
Angesichts der sich gegenüberstehenden Interessen bestehen gegen die Grundstrukturen der Antiterrordatei keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Allerdings entspricht die Regelung der Datei dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne nur, wenn sie hinsichtlich der zu erfassenden Daten sowie deren Nutzungsmöglichkeiten normenklar und in der Sache hinreichend begrenzt ausgestaltet ist sowie hierbei qualifizierte Anforderungen an die Kontrolle gestellt und beachtet werden.
Regelung zur Beteiligung weiterer Polizeivollzugsbehörden mit Bestimmtheitsgebot unvereinbar
Das Antiterrordateigesetz genügt diesen Maßstäben nicht vollständig. § 1 Abs. 2 ATDG, der die Beteiligung weiterer Polizeivollzugsbehörden an der Antiterrordatei nur nach weiten und wertungsoffenen Kriterien regelt, ist mit dem Bestimmtheitsgebot unvereinbar. Will der Gesetzgeber die Entscheidung über die beteiligten Behörden in die Hände der Exekutive legen, ist er vorliegend auf die Form der Rechtsverordnung verwiesen. Eine bloße Verwaltungsvorschrift reicht insoweit nicht.
Vorgaben zur Festlegung des Personenkreises nicht mit verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar
Nicht in jeder Hinsicht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar sind die Vorschriften, die den von der Datei erfassten Personenkreis festlegen. Die Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 1 ATDG erfasst zunächst Angehörige, Unterstützer und unterstützende Gruppierungen von terroristischen Vereinigungen. Sie erweitert diesen Kreis aber auf Personen, die eine unterstützende Gruppierung lediglich unterstützen, ohne klarzustellen, dass es sich um eine willentliche Unterstützung der den Terrorismus unterstützenden Aktivitäten handeln muss. Daher können Personen erfasst werden, die im Vorfeld und ohne Wissen von einem Terrorismusbezug eine in ihren Augen unverdächtige Vereinigung unterstützen. Dies verstößt gegen den Grundsatz der Normenklarheit und ist mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet hier aus.
Nicht vollständig mit der Verfassung vereinbar ist auch § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG. Die Vorschrift, die Einzelpersonen erfassen soll, die möglicherweise in einer Nähe zum Terrorismus stehen, verbindet eine Reihe von mehrdeutigen und potenziell weiten Rechtsbegriffen.
Gerichtliche Uneinigkeit über Begriffe der "rechtswidrigen Gewalt" und des "vorsätzlichen Hervorrufens solcher Gewalt"
Hinsichtlich der Begriffe der "rechtswidrigen Gewalt" und des "vorsätzlichen Hervorrufens solcher Gewalt" lässt sich eine Verfassungswidrigkeit wegen Stimmgleichheit im Senat nicht feststellen. Nach Auffassung der vier Mitglieder des Senats, die die Entscheidung insoweit tragen, ist die Verwendung dieser Merkmale mit dem Grundgesetz vereinbar, sofern ihnen keine übermäßig weite Bedeutung beigelegt wird und insbesondere unter Gewalt nur solche Gewalt verstanden wird, die unmittelbar gegen Leib und Leben gerichtet oder durch den Einsatz gemeingefährlicher Mittel geprägt ist. Nach der Auffassung der anderen vier Mitglieder des Senats müsste die Vorschrift wegen fehlender Bestimmtheit und übermäßiger Reichweite insgesamt für verfassungswidrig erklärt werden; eine verfassungskonforme Auslegung komme nicht in Betracht.
Bloßes "Befürworten von Gewalt" für Erfassung von Personen in Antiterrordatei nicht ausreichend
Das bloße "Befürworten von Gewalt" im Sinne dieser Vorschrift reicht nach der einhelligen Auffassung des Senats für die Erfassung von Personen in der Antiterrordatei nicht. Die Vorschrift verstößt insoweit gegen das Übermaßverbot. Das Gesetz macht hier die subjektive Überzeugung als solche zum Maßstab und legt damit Kriterien zugrunde, die vom Einzelnen nur begrenzt beherrscht und durch rechtstreues Verhalten nicht beeinflusst werden können.
Regelung zur Übertragung von Daten der Kontaktpersonen verfassungswidrig
Verfassungswidrig ist § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG. Nach dieser Regelung sind die einfachen Grunddaten in die Datei einzustellen, soweit Kontaktpersonen von einem Terrorismusbezug der Hauptperson nichts wissen, bei Kenntnis vom Terrorismusbezug auch die erweiterten Grunddaten. Infolgedessen erstreckt sich der Austausch von Klarinformationen zwischen den beteiligten Behörden auch auf Daten zu den Kontaktpersonen.
Bereitstellung von Daten der Kontaktpersonen verfassungsrechtlich nicht prinzipiell ausgeschlossen
Die Regelung ist weder mit dem Bestimmtheitsgrundsatz noch mit dem Übermaßverbot vereinbar. Allerdings ist es verfassungsrechtlich nicht prinzipiell ausgeschlossen, Daten von Kontaktpersonen in der Antiterrordatei bereitzustellen. In der Regel sind solche Personen nur insoweit von Interesse, als sie Aufschluss über die als terrorismusnah geltende Hauptperson vermitteln können. Hieran muss sich auch die gesetzliche Ausgestaltung orientieren. Möglich wäre es insoweit, Kontaktpersonen mit wenigen Elementardaten zu erfassen und diese - als Information zu der terrorismusnahen Hauptperson - nur verdeckt recherchierbar zu speichern.
Umfang der erfassten Daten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a und b ATDG geregelte Umfang der erfassten Daten. Hinsichtlich einiger dieser Daten ist es jedoch erforderlich, die administrativen Zwischenschritte für deren Konkretisierung zu dokumentieren und zu veröffentlichen. Diese Dokumentations- und Veröffentlichungspflicht gilt für die sehr offen formulierten Merkmale in § 3 Abs. 1 Nr. 1 b gg, hh, ii, kk, nn ATDG (beispielsweise zur Erfassung terrorismusrelevanter Fähigkeiten). Auch sie genügen allerdings dem Bestimmtheitsgebot, da eine nähere Konkretisierung nur durch die Sicherheitsbehörden erfolgen kann. Der Gesetzgeber hat jedoch sicherzustellen, dass sie dokumentiert und veröffentlicht wird. Nach gegenwärtiger Praxis werden die in Frage stehenden unbestimmten Rechtsbegriffe durch einen - in das Computerprogramm eingebundenen - Katalog der zu speichernden Merkmale konkretisiert und standardisiert; die Bundesregierung hat dem Senat diesbezüglich ein „Katalog-Manual“ vorgelegt. Dessen Veröffentlichung ist im Antiterrordateigesetz aber nicht vorgeschrieben. Damit genügt die derzeitige Rechtslage den Anforderungen an eine rechtsstaatliche Ausgestaltung nicht.
Freitextfeld mit Übermaßverbot vereinbar
Mit dem Übermaßverbot vereinbar ist das Freitextfeld (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 b rr ATDG). Es handelt sich hierbei nicht um eine Blankovollmacht zur Ergänzung der Datei um beliebige weitere Informationen, sondern um eine Öffnung für Hinweise und Bewertungen, die durch die Standardisierung und Katalogisierung der Eingaben sonst nicht abgebildet werden.
Abfrage und Nutzung einfacher Grunddaten verfassungsrechtlich unbedenklich
Nicht in jeder Hinsicht mit dem Übermaßverbot vereinbar sind die Regelungen zur Verwendung der Daten. Verfassungsrechtlich unbedenklich sind Abfrage und Nutzung in Bezug auf die einfachen Grunddaten geregelt. Gleiches gilt für Abfragen zu den erweiterten Grunddaten, soweit diese namensbezogen durchgeführt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 b ATDG). Hierbei erhält die Behörde nicht Zugang auf die erweiterten Grunddaten selbst, sondern nur eine Treffermeldung verbunden mit dem Nachweis, bei welcher Behörde und unter welchem Aktenzeichen entsprechende Informationen geführt werden. Der Zugriff unmittelbar auf die erweiterten Grunddaten wird erst auf Einzelersuchen nach Maßgabe des Fachrechts durch Freischaltung seitens der informationsführenden Behörde ermöglicht.
Regelung zur so genannten Inverssuche nicht mit Übermaßverbot vereinbar
Mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar ist die Regelung zur sogenannten Inverssuche (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a ATDG). Hierbei handelt es sich um merkmalbezogene Recherchen in den erweiterten Grunddaten, die der abfragenden Behörde im Trefferfall nicht nur eine Fundstelle zu weiterführenden Informationen vermitteln, sondern unmittelbar Zugang zu den entsprechenden einfachen Grunddaten verschaffen. So kann eine Behörde zum Beispiel nach Personen mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit und Ausbildung, die einen bestimmten Treffpunkt frequentieren, suchen und erhält im Trefferfall nicht nur die Angabe, welche Behörde darüber Informationen besitzt, sondern auch die Namen, Adressen sowie weitere Grundinformationen von allen Personen, auf die die abgefragten Merkmale zutreffen. Eine solch weitgehende Nutzung trägt der inhaltlichen Reichweite der erweiterten Grunddaten nicht hinreichend Rechnung. Wenn sich eine Recherche auch auf erweiterte Grunddaten erstreckt, dürfen nur das Aktenzeichen und die informationsführende Behörde angezeigt werden, nicht aber auch die korrespondierenden einfachen Grunddaten.
Regelung zur Nutzung der erweiterten Grunddaten im Eilfall nicht zu beanstanden
Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht für den Fall einer Inverssuche, unterliegt die Nutzung der erweiterten Grunddaten im Eilfall (§ 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 ATDG). Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Nutzung erlaubt ist, sind hinreichend eng gefasst, um den Eingriff zu rechtfertigen. Die Vorschrift genügt dem Übermaßverbot und hat auch Bestand vor dem informationellen Trennungsprinzip.
Zugriffe und Änderungen im Datenbestand müssen vollständig protokolliert werden
Das Antiterrordateigesetz gewährleistet eine Transparenz hinsichtlich des Informationsaustauschs - bedingt durch Zweck und Funktionsweise der Datei - nur in begrenztem Umfang. Damit sind den Betroffenen nur eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet. Dies ist mit der Verfassung vereinbar, wenn für die effektive Ausgestaltung der Aufsicht verfassungsrechtliche Maßgaben beachtet werden. So müssen die Aufsichtsinstanzen auf Bundes- wie auf Landesebene - wie nach geltendem Recht die Datenschutzbeauftragten - mit wirksamen Befugnissen ausgestattet sein. Zugriffe und Änderungen im Datenbestand müssen vollständig protokolliert und den Datenschutzbeauftragten in praktikabel auswertbarer Weise zur Verfügung gestellt werden. Kontrollen sind in angemessenen Abständen durchzuführen, deren Dauer ein gewisses Höchstmaß - etwa zwei Jahre - nicht überschreiten darf. Hinsichtlich des Erfordernisses turnusmäßig festgelegter Pflichtkontrollen fehlt es an einer hinreichenden gesetzlichen Vorgabe; den Gesetzgeber trifft insoweit eine Nachbesserungspflicht. Im Übrigen sind die Vorschriften verfassungskonform auszulegen. Der Gesetzgeber hat im Übrigen zu beobachten, ob Konflikte auftreten, die gesetzlicher Klarstellungen oder der Einführung etwa von Streitlösungsmechanismen wie dem Ausbau von Klagebefugnissen bedürfen.
Transparenz und Kontrolle muss gewahrt bleiben
Zur Gewährleistung von Transparenz und Kontrolle bedarf es schließlich einer gesetzlichen Regelung von Berichtspflichten. Regelmäßige Berichte des Bundeskriminalamts gegenüber Parlament und Öffentlichkeit über Datenbestand und Nutzung der Antiterrordatei sind sicherzustellen.
Uneingeschränkte Einbeziehung aller erhobenen Daten verfassungswidrig
Die gesetzlich vorgesehene vollständige und uneingeschränkte Einbeziehung aller auch durch Eingriff in Art. 10 Abs. 1 (Telekommunikationsgeheimnis) und in Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) erhobenen Daten in die Antiterrordatei ist mit der Verfassung nicht vereinbar. Angesichts des besonderen Schutzgehalts gelten für Datenerhebungen, die in diese Grundrechte eingreifen, in der Regel besonders strenge Anforderungen. Durch die uneingeschränkte Einstellung auch solcher Daten in die Antiterrordatei werden die Informationen unabhängig von bereits geschehenen oder bevorstehenden Terrorakten für Ermittlungsmaßnahmen noch im Vorfeld greifbarer Gefahrenlagen zur Verfügung gestellt, obwohl hierfür eine Datenerhebung unter Eingriffen in das Telekommunikationsgeheimnis oder die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht gerechtfertigt werden könnte. Dies unterläuft die entsprechenden Datenerhebungsanforderungen.
Verdeckte Speicherung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten mit Verfassung vereinbar
Demgegenüber wäre eine Regelung, die für solche Daten stets eine verdeckte Speicherung gemäß § 4 ATDG vorsieht, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten mit der Verfassung vereinbar. Die entsprechenden Informationen würden bei einer solchen Regelung nur nach Maßgabe der fachrechtlichen Übermittlungsvorschriften zugänglich gemacht, die dann ihrerseits verfassungsrechtlich gebotene qualifizierte Eingriffsschwellen und einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz sicherstellen könnten.
Vorschriften bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar
Die teilweise Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschriften führt nicht zu deren Nichtigkeitserklärung, sondern nur zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2014, dürfen die Vorschriften weiter angewendet werden. Vor deren weiteren Anwendbarkeit ist allerdings zunächst die Beachtung bestimmter Maßgaben sicherzustellen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.04.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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