14.11.2024
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Dokument-Nr. 7695

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Bundesverfassungsgericht Beschluss26.03.2009

Verfas­sungs­be­schwerde gegen Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungs­gesetz wurde nicht zur Entscheidung angenommenCommerzbank-Aktionär klagte gleich vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die erste Verfas­sungs­be­schwerde gegen das Banken­ret­tungspaket nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Commerzbank-Aktionär ist aus so genannten formalen Gründen mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde gescheitert. Zunächst müsse der Aktionär die Fachgerichte anrufen, meinten die Verfas­sungs­richter.

Der Beschwer­de­führer ist Aktionär einer deutschen Großbank. Einer Presse­mit­teilung des Unternehmens zufolge beabsichtigt der Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungsfonds, der betreffenden Bank 10 Milliarden € Eigenkapital durch die Ausgabe und Übernahme von Stammaktien sowie im Wege einer stillen Einlage zur Verfügung zu stellen. Gesetzliche Grundlage der beabsichtigten Kapitalmaßnahme ist das am 17. Oktober 2008 von dem Bundes­ge­setzgeber verabschiedete Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungs­gesetz (FMStG). Mit dem durch Art. 2 FMStG eingeführten Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungs­be­schleu­ni­gungs­gesetz (FMStBG) wird die Möglichkeit eines gesetzlich genehmigten Kapitals geschaffen. Danach ist der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats ermächtigt, das Grundkapital um bis zu 50 Prozent des bisherigen Kapitals durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen an den Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungsfonds zu erhöhen (§ 3 FMStBG) sowie den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe festzulegen (§ 5 FMStBG), ohne dass es der Zustimmung der Haupt­ver­sammlung bedarf. Ferner wird in einer konkre­ti­sie­renden, am 20. Oktober 2008 erlassenen Verordnung, der Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungsfonds-Verordnung (FMStFV), dem Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungsfonds unter anderem das Recht eingeräumt, mittels einer Auflage oder sonstiger geeigneter Instrumente Einfluss auf die Geschäfts­politik, namentlich auch die Dividen­den­politik des Unternehmens zu nehmen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 FMStFV). Mit seiner Verfassungsbeschwerde hat der Beschwer­de­führer vornehmlich gerügt, dass die genannten Vorschriften des Gesetzes und der Verordnung mit dem durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Aktieneigentums nicht vereinbar sind.

Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da diese unzulässig ist. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfas­sungs­be­schwerde erfordert, dass der Beschwer­de­führer zunächst den hier in Betracht kommenden fachge­richt­lichen Rechtsschutz sucht. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall noch offen ist, ob die Kapitalerhöhung ohne vorherige Beschluss­fassung der Haupt­ver­sammlung durchgeführt wird, besteht die Möglichkeit einer zulässigen Klage zu den Fachgerichten, in deren Rahmen es zu einer inzidenten Kontrolle der angegriffenen Vorschriften kommen kann. Obgleich ohne einen Beschluss der Haupt­ver­sammlung weder eine aktien­rechtliche Anfechtungs- noch eine aktien­rechtliche Nichtig­keitsklage statthaft sein wird, sind andere Klagemög­lich­keiten in Erwägung zu ziehen, so dass der Beschwer­de­führer zunächst auf den fachge­richt­lichen Rechtszug zu verweisen ist.

Kläger soll eine (vorbeugende) Unter­las­sungsklage vor einem Fachgericht erheben

Vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister dürfte es dem Aktionär möglich sein, nicht nur die Entscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats, sondern damit auch die zu Grunde liegenden Vorschriften über ein gesetzlich genehmigtes Kapital im Wege einer (vorbeugenden) Unter­las­sungsklage inzident zur Prüfung zu stellen. Nach dem Vollzug der Handels­re­gis­teran­meldung erscheint eine mittelbare Kontrolle der gesetzlichen Vorschriften im Wege einer allgemeinen zivil­recht­lichen Feststel­lungsklage jedenfalls erwägenswert. Mit Blick auf die Regelungen über die Bedingungen der Stabi­li­sie­rungs­maß­nahmen wie etwa den Ausschluss von Dividen­de­n­aus­schüt­tungen richtet sich ein etwaiger fachge­richt­licher Rechtsschutz unter anderem nach dem rechtlichen Vorgehen des Finanz­ma­rkt­sta­bi­li­sie­rungsfonds im konkreten Fall. Da der Beschwer­de­führer hierzu nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat, war die Verfas­sungs­be­schwerde auch insoweit unzulässig.

Keine Vorab­ent­scheidung durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht

Eine Vorab­ent­scheidung durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht ist nicht angezeigt. Es liegt zwar nahe, dass der Verfas­sungs­be­schwerde allgemeine Bedeutung zukommt. Bei der insofern gebotenen Gesamtabwägung fällt aber entscheidend ins Gewicht, dass eine vorherige Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Fragen bei der Auslegung und Anwendung der in Rede stehenden Normen im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG wie auch des Rechts der Europäischen Gemeinschaften geboten erscheint. Anhaltspunkte für eine mit einer vorherigen Anrufung der Fachgerichte verbundene unzumutbare Belastung des Beschwer­de­führers sind demgegenüber nicht erkennbar. Es kann davon ausgegangen werden, dass vornehmlich vermö­gens­rechtliche Interessen des Beschwer­de­führers betroffen sind, denen hier kein herausragendes Gewicht beizumessen ist. Überdies ist nicht ersichtlich, dass angesichts des finanziellen Zuflusses, den die Aktien­ge­sell­schaft aufgrund der Kapitalerhöhung erhalten und der indirekt durch den angestrebten Stabi­li­sie­rungs­effekt auch ihren Aktionären zugute kommen soll, die Maßnahme für den einzelnen Aktionär mit schwerwiegenden finanziellen Einbußen verbunden wäre.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 37/2009 vom 3. April 2009

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