23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.09.2016

Eilantrag gegen Nichtzulassung von russischen Sportlern zu Paralympischen Spielen erfolglosErlittene Nachteile durch ausbleibende Teilnahme an Abschluss­ze­remonie rechtfertigen keinen Erlass einer einstweiligen Anordnung

Das Bundes­verfassungs­gericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend die Nichtzulassung zu den Paralympischen Sommerspielen 2016 von fünf russischen Sportlerinnen und Sportlern abgelehnt. Die Entscheidung des Gerichts beruht auf einer Folgenabwägung. Mit der Nichtzulassung der Teilnahme an der Abschluss­ze­remonie der Paralympischen Sommerspiele 2016 ist kein derart schwerwiegender Nachteil verbunden, dass er den Erlass der einstweiligen Anordnung rechtfertigt. Soweit die Zulassung zur Teilnahme an einem sportlichen Wettbewerb begehrt wird, bestehen Zweifel, ob eine Teilnahme aus tatsächlichen Gründen noch möglich ist.

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Internationale Paralympische Komitee (International Paralympic Comittee e.V., im Folgenden: IPC) in Bonn suspendierte im Zusammenhang mit dem Vorwurf des staatlich organisierten Dopings in Russland die Mitgliedschaft des Russischen Paralympischen Komitees im IPC und schloss zugleich die Teilnahme aller russischen Sportlerinnen und Sportler an den Paralympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro aus.

Oberlan­des­gericht Düsseldorf weist Anträge auf Zulassung zu Paralympischen Spielen ab

Die ausge­schlossenen Sportlerinnen und Sportler beantragten in der Folge ihre individuelle Zulassung zu den Paralympischen Sommerspielen. Das IPC lehnte dies ab. Dagegen ersuchten 94 Sportlerinnen und Sportler um Eilrechtsschutz vor den deutschen Zivilgerichten. Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf wies die Anträge, das IPC zu verpflichten, die Zulassung zur Teilnahme an den Paralympischen Sommerspielen auszusprechen, letzt­in­sta­nzlich zurück. Zur Begründung führte es aus, dass zwischen den Antrag­stel­le­rinnen und Antragstellern und dem IPC kein Schuld­ver­hältnis bestehe, das ihnen einen individuellen Zulas­sungs­an­spruch vermitteln könne. Jedenfalls stelle die Zurückweisung der Zulas­sungs­anträge keine unbillige Behinderung im Sinne des deutschen Kartellrechts dar, weil die gebotene Inter­es­se­n­ab­wägung zu Lasten der Antrag­stel­le­rinnen und Antragsteller ausfalle.

Antragsteller beantragen einstweilige Anordnung zur Teilnahme an Abschluss­ze­remonie

Hiergegen wenden sich die Antragsteller - vier russische Athletinnen und ein Athlet mit einer Behinderung - im Wege der einstweiligen Anordnung. Sie begehren die Verpflichtung des IPC, sie zur Teilnahme an der Abschluss­ze­remonie der Paralympischen Sommerspiele am 18. September 2016 zuzulassen; eine Antragstellerin beantragt darüber hinaus die Verpflichtung, sie zu einem Schwimm­wett­bewerb am 16. September 2016 zuzulassen.

Die Antrag­stel­le­rinnen und der Antragsteller rügen im Wesentlichen eine Verletzung ihres allgemeinen Persön­lich­keits­rechts, ihrer allgemeinen Handlungs­freiheit sowie ihres Rechts auf Gleich­be­handlung.

BVerfG lehnt Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen ist. Über den vorliegenden Antrag ist nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden, weil die in der Hauptsache zu erhebende Verfas­sungs­be­schwerde weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet erscheint.

Zu den Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer verfas­sungs­ge­richt­lichen einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfas­sungs­be­schwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfas­sungs­be­schwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.

Entscheidung zum Ausschluss der russischen Mannschaft durch das IPC ist im Rahmen der Folgenabwägung zu respektieren

Die vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorzunehmende Folgenabwägung fällt zu Ungunsten der Antrag­stel­le­rinnen und des Antragstellers aus. Würde die beantragte Anordnung ergehen, die noch zu erhebende Verfas­sungs­be­schwerde aber später erfolglos bleiben, hätte dies erhebliche Auswirkungen für die noch ausstehenden Wettkämpfe und die Durchführung der Abschlussfeier der Paralympischen Sommerspiele und eine Signalwirkung für den paralympischen Sport und für den Sport insgesamt. Selbst wenn man zugunsten der Antrag­stel­le­rinnen und des Antragstellers davon ausgeht, dass sie selbst nicht in das staatliche Dopingsystem eingebunden waren, ist im Rahmen der Folgenabwägung die Entscheidung des IPC zu respektieren, die gesamte russische Mannschaft von den Paralympischen Spielen auszuschließen. Eine Zulassung einzelner Athletinnen und Athleten durch die staatlichen Gerichte griffe erheblich in die Verband­s­au­tonomie des IPC ein. Die mit dem Ausschluss des Russischen Paralympischen Komitees von den Paralympischen Spielen beabsichtigte Signalwirkung, die insbesondere nationale Sportverbände von der Duldung, Unterstützung oder Organisation systematischen Dopings abschrecken soll, würde erheblich beeinträchtigt.

Interessen der Sportler wiegen weniger schwer als Interessen des IPC bei Bekämpfung des Einsatzes von Dopingmitteln

Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, so wiegen im Vergleich hierzu die Nachteile für die Antrag­stel­le­rinnen und den Antragsteller selbst dann weniger schwer, wenn eine noch zu erhebende Verfas­sungs­be­schwerde später Erfolg haben sollte. Zwar erscheint ihr Interesse an der Teilnahme an der Abschluss­ze­remonie als durchaus gewichtig. Im Vergleich zu dem Interesse des IPC, den Einsatz von Dopingmitteln im Sport nachhaltig und effektiv zu bekämpfen, hat dies jedoch deutlich weniger Gewicht. Hinzu kommt, dass drei der Antrag­stel­le­rinnen und der Antragsteller nicht mehr an den sportlichen Wettkämpfen teilnehmen können und ihnen damit insoweit nur noch ein bloßer Zuschauerstatus zukommen könnte, den sie auch ohne Erlass der einstweiligen Anordnung wahrnehmen können.

BVerfG äußert Zweifel an tatsächlicher Möglichkeit zur Teilnahme an Wettkampf

Allein für eine Antragstellerin bestünde noch die Möglichkeit, an den sportlichen Wettkämpfen teilzunehmen. Allerdings bestehen Zweifel, ob sie aus tatsächlichen Gründen überhaupt noch in der Lage wäre, sie zu realisieren. Aus der Begründung ihres Antrags ergibt sich jedenfalls nicht, wo sie sich derzeit aufhält und wie sie innerhalb weniger Stunden nach Bekanntgabe einer stattgebenden Entscheidung nach Rio de Janeiro reisen und sich unter Berück­sich­tigung der erforderlichen Zeitumstellung in ausreichender Weise auf die Wettkämpfe vorbereiten und bei etwaigen Vorkämpfen qualifizieren will.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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