In dem zugrunde liegenden Fall beantragte die Bundesregierung unter Konrad Adenauer im November 1951 die Sozialistische Reichspartei (SRP) wegen ihrer Verfassungswidrigkeit zu verbieten. Die Bundesregierung behauptete, die innere Ordnung der Partei beruhe nicht auf demokratischen Grundsätzen, sondern auf dem Führerprinzip. Die SRP sei als eine Nachfolgeorganisation der NSDAP anzusehen. Denn sie verfolge die gleichen oder ähnlichen Ziele und beabsichtige, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen. Die SRP wurde im Oktober 1949 gegründet, um die Mitglieder früherer Rechtsparteien neu zu organisieren. Sie hielt den Antrag der Bundesregierung für unbegründet.
Das Bundesverfassungsgericht entschied zu Gunsten der Bundesregierung und verbat die SRP. Denn die Partei sei mit einer eindeutig verfassungswidrigen politischen Bewegung der Vergangenheit - nämlich der NSDAP - in ihrer Vorstellungswelt und in allen wesentlichen Formen der Äußerung vergleichbar und es sei zu befürchten gewesen, dass sie die gleichen oder doch gleichartigen Inhalte zu verwirklichen versuche. Die Partei sei daher verfassungswidrig im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG gewesen und habe aufgelöst werden müssen.
Bevor das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung näher begründete, machte es einige Ausführungen zu dem Verhältnis des Grundgesetzes zu den politischen Parteien.
Das Grundgesetz erkenne die Parteien als Träger der politischen Willensbildung des Volks ausdrücklich an, so die Richter. Die Bildung und Betätigung politischer Parteien dürfen keine Schranken gesetzt werden. Der Verfassungsgesetzgeber hatte aber zu entscheiden, ob nicht die absolute Freiheit auf Grundlage jeder politischen Idee eine Partei gründen zu können, schrankenlos gewährt werden könne. Müsse nicht jede Partei die tragenden Grundsätze jeder Demokratie anerkennen und müssen nicht die Parteien aus dem politischen Leben entfernt werden können, die mit den legalen Mitteln der Demokratie diese selbst zu beseitigen versuchen? Dabei sei zu beachten gewesen, dass nicht die Gefahr entstehe, dass die Regierung auf diese Art unbequeme Oppositionsparteien zu beseitigen versuche. Durch die Schaffung des Art. 21 GG sei versucht worden, dieser Problematik zu begegnen. Diese Vorschrift stelle zum einen den Grundsatz auf, dass die Gründung einer Partei frei ist (Abs. 1 Satz 2). Zum anderen sehe sie vor, die Tätigkeit verfassungswidriger Parteien zu verbieten (Abs. 2).
Die besondere Bedeutung der Parteien in einer Demokratie rechtfertige ihr Verbot nicht schon dann, so das Bundesverfassungsgericht weiter, wenn sie einzelne Vorschriften oder Institutionen der Verfassung mit legalen Mitteln bekämpfe. Vielmehr sei erforderlich, dass die Partei die obersten Grundwerte des freiheitlich demokratischen Verfassungsstaats erschüttern wolle. Diese Grundwerte bilden die freiheitlich demokratische Grundordnung. Sie lasse sich als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volks nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstelle. Zu den Grundprinzipien dieser Ordnung zählen:
- die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, insbesondere vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung
- die Volkssouveränität
- die Gewaltenteilung
- die Verantwortlichkeit der Regierung
- die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
- die Unabhängigkeit der Gerichte
- das Mehrparteienprinzip
- die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition
Das Verfassungsgericht führte weiter aus, dass eine Partei also nur verboten werden könne, wenn sie die obersten Grundsätze der freiheitlichen Demokratie ablehne. Entspreche die Organisationsstruktur einer Partei nicht demokratischen Grundsätzen, so könne daraus der Schluss gezogen werden, dass die Partei diese Strukturen auch im Staat durchsetzen wolle. Könne die Abkehr von demokratischen Organisationsgrundsätzen nur als Ausdruck einer grundsätzlich demokratiefeindlichen Haltung erklärt werden, so könne die Voraussetzung des Art. 21 Abs. 2 GG erfüllt sein. Dies gelte umso mehr, als auch andere Umstände diese Einstellung der Partei bestätigen.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme habe nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gezeigt, dass die SRP gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gehandelt habe und daher verfassungswidrig gewesen sei.
Aus Sicht der Richter habe die personelle Zusammensetzung der Führungsschicht demokratischen Prinzipien widersprochen. Denn die Beweisaufnahme habe gezeigt, dass sie sich hauptsächlich aus ehemaligen und aktiven Nationalsozialisten zusammengesetzt habe. Die SRP habe die "alten Kämpfer" als ihre natürliche Anhängerschaft und "Führerreserve" betrachtet und habe aus diesen Leuten die Funktionsträger für die Schlüsselstellungen in der Partei angeworben. Zudem habe sie sich nie von den Anschauungen und der Gesinnung der alten Nationalsozialisten distanziert oder dies gefordert. Vielmehr habe jeder mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit geprahlt. Die massive Besetzung der Schlüsselstellen in der Partei mit alten Mitgliedern der NSDAP habe sich auf das politische und geistige Bild der Partei ausgewirkt.
Des Weiteren habe nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch die Organisationsstruktur der SRP nicht demokratischen Grundsätzen entsprochen. So habe die Wahl eines Landesvorsitzenden der Partei am Veto des Parteivorstands scheitern können. Die Wahl des Kreisvorstands habe wiederum am Veto des Landesvorstands scheitern können. Dies habe nicht dem Prinzip entsprochen, dass eine Partei von unten nach oben aufgebaut werde. Außerdem habe es zum Beispiel im Ermessen des Parteirats gelegen ganze Gebietsverbände der Partei aufzulösen, was zum Verlust der Mitgliedschaft für alle Mitglieder des aufgelösten Verbands nach sich zog. Dies habe eine Verletzung der Mitgliedschaftsrechte bedeutet und habe der Ausschaltung von Opposition gedient. Der Aufbau der Organisation der SRP auf dem Führerprinzip und die demokratiefeindliche Handhabung der Satzung habe im Zusammenhang mit der deutlichen Anlehnung der SRP an die NSDAP zu dem Schluss geführt, dass sie ebenso wie diese danach strebe, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen.
Die Richter sahen weiterhin in dem Verhalten der Partei und ihrer Anhänger den Versuch, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu erschüttern. Man habe sich unbekümmert zu Hitler bekannt. Ebenso sei die Propaganda der SRP Hitlers Lehren gefolgt. Die Versammlungssäle seien mit Emblemen und Fahnen (schwarzer Adler auf weißumrandeten rotem Grund) ausgeschmückt worden, die Ähnlichkeiten zur NSDAP hatten. Zudem sei eine neue Dolchstoßlüge verbreitet worden. Die wahren Gründe der Niederlage seien verschwiegen und Hitlers Verantwortung sei nicht erwähnt worden. Darüber hinaus sei das Ansehen der Organe der Bundesrepublik und ihre Träger systematisch mit dem Ziel herabgesetzt worden, das Vertrauen zu den Repräsentanten der Bundesrepublik von Grund auf zu erschüttern. Mit einer politischen Opposition habe dies nichts zu tun gehabt. Vielmehr sollte das politische System durch die systematischen Beschimpfungen der Regierungsorgane und ihrer Träger vergiftet werden.
Das Verbot der SRP habe zur Folge gehabt, dass die Abgeordneten der Partei im Bundestag und in den Landtagen ihre Mandate verloren haben. Denn ein Abgeordneter einer verfassungswidrigen Partei könne nicht Vertreter des ganzen Volkes im Sinne von Art. 38 GG sein. Zudem werde ein Wähler dadurch nicht belastet. Da das Verlangen, durch den Abgeordneten einer verfassungswidrigen Partei vertreten zu sein, selbst verfassungswidrig sei.
Das Bundesverfassungsgericht machte schließlich folgende Ausführungen: Zwar gehören auch Parteien begrifflich zu den "Vereinigungen" im Sinne des Art. 9 GG. Was zur Folge hätte, dass sie nach dieser Norm verboten werden können und damit der Kontrolle der Regierung unterliegen würden. Sei aber eine Vereinigung eine politische Partei, so habe sie wegen der den Parteien eingeräumten Sonderstellung Anspruch auf Privilegierung nach Art. 21 Abs. 2 GG. Diese Vorschrift sei also für die Parteien spezieller als Art. 9 Abs. 2 GG. Diese Norm bleibe für politische Gruppen, die sich nicht als Parteien organisiert haben oder betätigen sowie für Nebenorganisationen von Parteien anwendbar.
Erläuterungen
Die Entscheidung ist aus dem Jahr 1952 und erscheint im Rahmen der Reihe "Wissenswerte Urteile"
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.03.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)