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Bundessozialgericht Urteil16.12.2014

Bedrohung mit einer täuschend echt aussehenden Schreck­schuss­pistole löst keine Opfer­entschädigungs­an­sprüche ausÜberfall in Bankfiliale war kein rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des Opfer­entschädigungs­gesetzes

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass die Bedrohung mit einer Schreck­schuss­pistole allein noch kein rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des Opfer­entschädigungs­gesetzes ist, auch wenn das Opfer die Waffe für echt hält.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls, eine Bankangestellte, wurde bei einem Banküberfall von dem Täter mit einer ungeladenen Schreckschusspistole bedroht. Wie andere Zeugen des Überfalls ging auch sie davon aus, dass es sich um eine echte Schusswaffe handele. Das beklagte Land lehnte ihren Antrag auf Entschädigung nach dem Opferent­schä­di­gungs­gesetz ab, weil kein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff vorgelegen habe.

BSG verneint Anspruch auf Opferent­schä­digung

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat diese Entscheidung in letzter Instanz bestätigt. Nach dem Grundgedanken des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes sollen Gewaltopfer bei gesund­heit­lichen Schädigungen einen Anspruch gegen den Staat haben, wenn und weil dieser das Opfer nicht vor bestimmten Gewalttaten schützen konnte. Das Ereignis in der Bankfiliale war keine solche Gewalttat, kein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes. Ein solcher tätlicher Angriff setzt grundsätzlich eine gewaltsame physische - nicht nur psychische - Einwirkung voraus, die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielt. Hieran fehlte es im vorliegenden Fall. Entscheidend ist insoweit, ob der Primärschaden und eventuelle Folgeschäden gerade die zurechenbare Folge einer körperlich wirkenden Gewaltanwendung gegen eine Person sind.

Bloße Bedrohung nicht ausreichend

Die bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht für einen tätlichen Angriff dagegen nicht aus, auch wenn diese Drohung beim Opfer erhebliche gesundheitliche Folgen haben sollte. Ebenso wenig ist entscheidend, ob sich eine bestimmte Situation im Nachhinein als tatsächlich objektiv (lebens-)gefährlich erweist, weil die Waffe scharf, geladen und entsichert war, oder als objektiv betrachtet ungefährlich, weil es sich um eine harmlose Schreck­schusswaffe handelte. Denn die Drohwirkung mit der vorgehaltenen Waffe auf das Opfer und dessen psychische Belastung in der konkreten Situation unterscheiden sich insoweit regelmäßig nicht. Maßgeblich ist die Tätlichkeit des Angriffs, die physische Wirkung, die vom Täter ausgeht, nicht die psychische Wirkung, die beim Opfer ankommt.

Schaffung des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes beruht auf Aufop­fe­rungs­an­spruch von Gewaltopfern

Bereits nach dem Gesetzentwurf von 1974 zum Opferent­schä­di­gungs­gesetz war der bestimmende Grundgedanke für die Schaffung des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes der Umstand, dass Gewaltopfern ein Aufop­fe­rungs­an­spruch zustehen sollte. Diese - auf Gewalt abzielende - inhaltliche Ausrichtung hat das Opferent­schä­di­gungs­gesetz trotz einiger Erweiterungen beibehalten. Insofern ist es nicht Sache der Rechtsprechung, den Begriff des tätlichen Angriffs über den vom Gesetzgeber mit Bedacht gewählten engen Wortsinn des Opferent­schä­di­gungs­ge­setzes auf Straftaten zu erstrecken, bei denen es an einem solchen tätlichen Angriff fehlt, weil das strafbare Verhalten z.B. in Drohung mit Gewalt, Erpressung oder einer Täuschung besteht.

Hinweis zur Rechtslage

§ 1 Abs. 1 Satz 1 Opferent­schä­di­gungs­gesetz lautet:

Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesund­heit­lichen und wirtschaft­lichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundes­ver­sor­gungs­ge­setzes.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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