23.11.2024
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Dokument-Nr. 8685

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Bundessozialgericht Urteil28.10.2009

Keine Zulassung zur vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung für Gespräch­s­psy­cho­the­ra­peutenGrundrecht auf Schutz der Berufs­aus­übungs­freiheit nicht verletzt

Zwei Therapeuten, die sich in dem Thera­pie­ver­fahren "Gespräch­s­psy­cho­therapie" weitergebildet haben, dürfen keine gesetzlich kranken­ver­si­cherten Patienten behandeln. Auch die Rechte der Therapeuten werden nicht dadurch verletzt, dass die Gespräch­s­psy­cho­therapie nicht als geeignetes psycho­the­ra­peu­tisches Behand­lungs­ver­fahren in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung anerkannt wird. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Der im Verfahren B 6 KA 45/08 R klagende Kinder- und Jugend­li­chen­psy­cho­the­rapeut kann nicht in das bei der beklagten Kassen­ärzt­lichen Vereinigung geführte Arztregister eingetragen werden, um später auf der Basis dieser Eintragung eine Zulassung zur vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung zu erhalten. Er ist nicht Psychologe sondern Sozialpädagoge mit Fachhoch­schul­ab­schluss und als Kinder- und Jugend­li­chen­psy­cho­the­rapeut approbiert. Seine Fachkunde in der Gespräch­s­psy­cho­therapie kann er nur überg­angs­rechtlich nach den bis Ende 1998 - vor Inkrafttreten des Psycho­the­ra­peu­ten­ge­setzes am 1. Januar 1999 - geltenden Vorschriften erworben haben. Die Gespräch­s­psy­cho­therapie zählte damals nicht zu den Behand­lungs­ver­fahren, die im Rahmen der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung angeboten werden durften und für die sich Therapeuten qualifizieren konnten. Eine - unterstellt - positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses zum Verfahren der Gespräch­s­psy­cho­therapie im Jahre 2009 würde daran nichts ändern. Im Übrigen hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss mit der Eignung der Gespräch­s­psy­cho­therapie bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht befasst und auch nicht befassen müssen. Insoweit hatte der wissen­schaftliche Beirat Psychotherapie, ein fachkundig besetztes Beratungs­gremium auf Bundesebene, keine positive Empfehlung abgegeben, und auch die Prüfung der Eignung der Gespräch­s­psy­cho­therapie für die Behandlung von Erwachsenen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss hat keine Hinweise auf eine entsprechende Eignung im Rahmen der Behandlung von Kindern erbracht.

Keine Pflicht zur Zulassung zur vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung

Auch das Begehren der im Verfahren B 6 KA 11/09 R klagenden Psycho­the­ra­peutin, Versicherte gespräch­s­psy­cho­the­ra­peutisch behandeln zu dürfen, ist ohne Erfolg geblieben. Unabhängig von den auch in diesem Fall bestehenden überg­angs­recht­lichen Fragen steht dem Begehren der Klägerin jedenfalls auch der Beschluss des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses vom 24. April 2008 entgegen, für die Gespräch­s­psy­cho­therapie keine positive Empfehlung abzugeben. Dieser Beschluss steht mit § 92 Abs. 6a SGB V im Einklang und verletzt auch das Grundrecht der Klägerin auf Schutz ihrer Berufs­aus­übungs­freiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat berücksichtigen dürfen, dass die Gespräch­s­psy­cho­therapie nach den vorliegenden Studien allein für die Behandlung affektiver Störungen (Depression) geeignet ist und auch insoweit nur, wenn die betroffenen Patienten nicht zugleich an anderen Störungen leiden (Komorbidität). Therapeuten, die nur für dieses Verfahren qualifiziert sind und deshalb die Mehrzahl der Patienten nicht adäquat versorgen können, müssen nicht zur vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung zugelassen werden.

Entscheidung auf Aspekt der fehlenden Versor­gungs­re­levanz im Gesamtsystem der vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung gestützt

Nicht entschieden hat das Bundes­so­zi­al­gericht, ob Versicherte, für deren Behandlung wegen einer Depression ohne Vorliegen weiterer psychischer Erkrankungen auch nach der Beurteilung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses die Gespräch­s­psy­cho­therapie ein geeignetes und wirtschaft­liches Behand­lungs­ver­fahren sein kann, nach § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 3 SGB V einen Anspruch auf Versorgung mit diesem Verfahren haben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat seine Entscheidung gegen die Gespräch­s­psy­cho­therapie vor allem auf den Aspekt der fehlenden Versor­gungs­re­levanz im Gesamtsystem der vertrag­s­ärzt­lichen Versorgung gestützt. Das ist nicht zu beanstanden, kann aber zur Folge haben, dass der indivi­du­a­l­rechtliche Behand­lungs­an­spruch der Versicherten in besonders gelagerten Fällen in diesem System nicht mehr erfüllt werden kann. Dann steht den Versicherten der Weg offen, sich nach vorheriger Anfrage an die Krankenkasse die gespräch­s­psy­cho­the­ra­peu­tische Behandlung selbst zu beschaffen und sich die Kosten nach § 13 Abs. 3 SGB V erstatten zu lassen.

Quelle: ra-online, BSG

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