22.11.2024
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Dokument-Nr. 21697

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Urteil24.04.2015BundessozialgerichtB 4 AS 22/14 R
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NZS 2015, 671Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS), Jahrgang: 2015, Seite: 671
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Vorinstanzen:
  • Sozialgericht München, Urteil27.06.2012, S 54 AS 1805/10
  • Bayerisches Landessozialgericht, Urteil27.02.2014, L 7 AS 642/12
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil24.04.2015

ALG-II-Empfänger kann nicht durch Antrags­rü­cknahme oder Antrags­be­schränkung zu berück­sich­ti­gendes Einkommen in nicht zu berück­sich­ti­gendes Vermögen umwandelnÜberbrü­ckungsgeld eines Strafgefangenen kann berück­sichtigungs­pflichtiges Einkommen darstellen

Das Überbrü­ckungsgeld eines Strafgefangenen stellt dann im Rahmen eines Antrags auf Gewährung von ALG II zu berück­sich­ti­gendes Einkommen dar, wenn das Überbrü­ckungsgeld nach Antragsstellung ausgezahlt wurde. Wurde es dagegen zuvor ausgezahlt, so stellt es nicht zu berück­sich­ti­gendes Vermögen dar. Der Strafgefangene ist nicht berechtigt, durch Antrags­rü­cknahme oder Antrags­be­schränkung, das Einkommen in Vermögen umzuwandeln. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Anfang September 2009 wurde ein Strafgefangener aus der Haft entlassen. Er erhielt zur Sicherung seiner Existenz für den September ein Überbrückungsgeld in Höhe von fast 1.018 Euro. Bereits Anfang August 2009 hatte der Strafgefangene ALG II für die Zeit ab Haftentlassung beantragt. Das zuständige Jobcenter lehnte diesen Antrag für den September ab. Es wertete das erhaltene Überbrü­ckungsgeld als zu berück­sich­ti­gendes Einkommen und lehnte daher eine Hilfe­be­dürf­tigkeit für den Monat September ab. Für die Zeit ab Oktober 2009 bewilligte das Jobcenter dagegen ALG II. Gegen diesen Bescheid wehrte sich der entlassene Strafgefangene mit seiner Klage. Seiner Meinung nach habe das Überbrü­ckungsgeld nicht zu berück­sich­ti­gendes Vermögen dargestellt.

Sozialgericht weist Klage ab, Landes­so­zi­al­gericht gibt ihr statt

Während das Sozialgericht München die Klage abwies, gab ihr das Bayerische Landes­so­zi­al­gericht statt. Seiner Ansicht nach habe es sich beim Überbrü­ckungsgeld um nicht zu berück­sich­ti­gendes Vermögen gehandelt. Denn der Strafgefangene sei so zu stellen gewesen, als ob er den Antrag auf Gewährung von ALG II erst nach Erhalt des Überbrü­ckungsgelds gestellt habe. Dies sei deshalb so, weil das Jobcenter es pflichtwidrig unterlassen habe, den Strafgefangenen über die Möglichkeit einer Antrags­rü­cknahme oder Antrags­be­schränkung zu beraten, um somit das Überbrü­ckungsgeld als Vermögen umwandeln zu können. Gegen diese Entscheidung legte das Jobcenter Revision ein.

Bundes­so­zi­al­gericht verneint Anspruch auf ALG II

Das Bundes­so­zi­al­gericht entschied zu Gunsten des Jobcenters und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Dem entlassenen Strafgefangenen habe für den Monat September 2009 kein Anspruch auf ALG II zugestanden. Denn für diese Zeit sei er aufgrund des als Einkommen zu berück­sich­ti­gendes Überbrü­ckungsgelds nicht hilfebedürftig gewesen.

Überbrü­ckungsgeld stellt zu berück­sich­ti­gendes Einkommen dar

Nach Auffassung des Bundes­so­zi­al­ge­richts habe das Überbrü­ckungsgeld zu berück­sich­ti­gendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II dargestellt. Als Eigentum sei grundsätzlich all das zu werten, was jemand nach Antragsstellung wertmäßig dazu erhält. Zum Vermögen zähle wiederum das, was der Leistungs­be­rechtigte vor der Antragsstellung bereits gehabt habe. Im vorliegenden Fall habe der Strafgefangene das Überbrü­ckungsgeld nach Antragstellung erhalten.

Keine Umwandlung von Einkommen in Vermögen durch Antrags­rü­cknahme oder Antrags­be­schränkung

Das Bundes­so­zi­al­gericht ist zudem davon überzeugt, dass eine Umwandlung des Überbrü­ckungsgelds von Einkommen in Vermögen nicht möglich sei. Zwar könne ein Leistungs­be­rech­tigter grundsätzlich über den Beginn der Inanspruchnahme von ALG II bestimmen. Dies führe jedoch nicht dazu, dass er nachträglich seinen einmal gestellten Antrag zu seinen Gunsten beschränken dürfe. Eine derartige Veränderung gehe zum einen immer zu Lasten der Steuerzahler und zum anderen widerspreche es dem Nachr­an­grundsatz, wonach ein Leistungs­be­rech­tigter seinen Lebensunterhalt zunächst aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten habe.

Keine Verletzung der Beratungs­pflicht durch Jobcenter

Da eine nachträgliche Umwandlung des Überbrü­ckungsgelds in nicht zu berück­sich­ti­gendes Vermögen durch eine Antrags­rü­cknahme oder Antrags­be­schränkung nicht möglich sei, so das Bundes­so­zi­al­gericht, habe dem Jobcenter auch keine Verletzung seiner Beratungs­pflicht angelastet werden können. Insofern sei auch zu beachten gewesen, dass die Existenz des entlassenen Strafgefangenen durch das Überbrü­ckungsgeld gesichert gewesen sei. Ein Jobcenter müsse nicht darauf hinweisen, dass darüber hinaus noch weitere Leistungen ausgezahlt werden könnten.

Quelle: Bundessozialgericht, ra-online (vt/rb)

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