23.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil07.05.2019

Verletzung beim Einwerfen eines privaten Briefes auf dem Weg von der Arbeit nach Hause kann nicht als Arbeitsunfall anerkannt werdenRein privat­wirtschaftliche Handlungen stehen nicht unter dem Schutz der Wege­unfall­versicherung

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass eine Verletzung, die sich ein Versicherter beim Einwerfen eines privaten Briefes auf dem Weg von der Arbeit nach Hause zuzieht, nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden kann. Rein privat­wirtschaftliche Handlungen stehen nicht unter dem Schutz der Wege­unfall­versicherung.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls begehrte die Anerkennung eines auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte nach Hause erlitten Unfal­le­r­eig­nisses als Arbeitsunfall. Die Klägerin verließ am 18. März 2014 nach Ende ihrer Arbeitszeit ihre Arbeitsstätte mit dem Pkw und bog nach rechts ein. Dies war der Weg zu ihrem Wohnort. Etwa fünf bis zehn Meter nach der Abzweigung hielt die Klägerin an der rechten Fahrbahnseite an, um einen Privatbrief in einen dort befindlichen Briefkasten zu werfen. Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug stürzte die Klägerin, während sie sich mit der rechten Hand noch am Lenkrad festhielt. Das Fahrzeug rollte dabei über ihren linken Fuß. Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine knöcherne Läsion der Fußwurzel links.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab.

SG bejaht Vorliegen eines Arbeitsunfalls

Das Sozialgericht Chemnitz hob auf die Klage die angefochtenen Bescheide durch Gerichts­be­scheid auf und verurteilte die Beklagte, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Es habe sich lediglich um eine geringfügige Unterbrechung des versicherten Wegs gehandelt, weil diese zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig gewesen sei und einer Verrichtung diene, die "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" sowie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung erledigt werden könne.

LSG verneint Vorliegen eines Arbeitsunfalls

Auf die Berufung der Beklagten hob das Sächsische Landes­so­zi­al­gericht den Gerichts­be­scheid des Sozialgerichts auf und wies die Klage ab. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs (Hinweis auf Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R) bleibe der Versi­che­rungs­schutz gerade nicht so solange erhalten, wie sich der Versicherte noch innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums der Straße befinde. Sobald ein Versicherter private eigen­wirt­schaftliche Zwecke verfolge, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmten, werde der Versi­che­rungs­schutz unterbrochen und zwar solange, bis die Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin wieder aufgenommen werde. Hier sei eine solche Unterbrechung des versicherten Arbeitsweges gegeben. Die Klägerin sei erkennbar mit der rein privaten Zielrichtung, einen Privatbrief in den Briefkasten zu werfen, aus dem Pkw ausgestiegen und habe sich dabei verletzt.

Die Klägerin rügte eine Verletzung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Die Verrichtung (das Einwerfen des Briefes) sei bei natürlicher Betrach­tungsweise zeitlich und räumlich noch als ein Teil des versicherten Wegs anzusehen.

Briefeinwurf steht als rein privat­wirt­schaftliche Handlung nicht unter dem Schutz der Wegeun­fa­ll­ver­si­cherung

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Bundes­so­zi­al­gericht verwies darauf, dass das Landes­so­zi­al­gericht zu Recht entschieden hatte, dass die Klägerin keinen Arbeitsunfall erlitten hat, als sie sich auf dem Heimweg von ihrer Arbeitsstelle bei dem Versuch, einen Brief einzuwerfen, verletzte. Zwar habe sie grundsätzlich unter Versi­che­rungs­schutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gestanden, denn in der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung sei auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusam­men­hän­genden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit versichert. Die Klägerin habe diesen Weg jedoch unterbrochen, als sie den Pkw verließ, um einen Brief einzuwerfen. Dieser Briefeinwurf habe laut Bundes­so­zi­al­gericht als rein privat­wirt­schaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der Wegeun­fa­ll­ver­si­cherung gestanden. Die Unterbrechung war auch nicht geringfügig.

Versicherte Tätigkeit wurde zweifelsfrei unterbrochen

Soweit das Landes­so­zi­al­gericht die Auffassung zu vertreten scheine, dass das Bundes­so­zi­al­gericht in seiner neueren Rechtsprechung die Rechtsfigur der unschädlichen "geringfügigen Unterbrechung" aufgegeben habe, so dass jedwede Unterbrechung des Weges aus privaten Motiven unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer zur Beendigung des Versi­che­rungs­schutzes führe, treffe dies nicht zu. Wie das Bundes­so­zi­al­gericht mehrfach klargestellt habe, sei eine Unterbrechung aber nur dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn die Verrichtung bei natürlicher Betrach­tungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges in seiner Gesamtheit anzusehen sei. Das sei der Fall, wenn sie zu keiner erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führe, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden könne. Dies sei hier allerdings nicht der Fall gewesen, weil die konkrete, versicherte Verrichtung des Autofahrens unterbrochen worden sei. Die Klägerin habe ihren Pkw anhalten, aus ihm aussteigen und zum Briefkasten gehen müssen, um den Brief einwerfen zu können. Diese Unterbrechung des Weges habe hier auch bereits begonnen. Ob dies schon mit dem Abbremsen des Kfz der Fall gewesen wäre, kann im Ergebnis dahinstehen, weil zum Zeitpunkt des Unfalls die Klägerin bereits mit dem Aussteigen aus dem Fahrzeug begonnen und damit nach außen erkennbar ihre auf den privaten Briefeinwurf gerichtete Handlungs­tendenz in ein objektives Handeln umgesetzt habe. Diese Unterbrechung war zum Unfallzeitpunkt auch noch nicht beendet und der Versi­che­rungs­schutz nicht erneut entstanden. Erst mit der Fortführung des ursprünglich geplanten Weges hätte wieder eine versicherte Tätigkeit vorgelegen.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online (pm/kg)

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