15.11.2024
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Dokument-Nr. 6238

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Bundessozialgericht Urteil18.06.2008

Verpflegung während eines Kranken­haus­auf­enthalts darf nicht als Einkommen bei Alg II berücksichtigt werdenRegelleistung hat pauscha­lie­renden Charakter

Wenn sich ein ALG II Empfänger im Krankenhaus befindet, darf die ALG II- Regelleistung im Hinblick auf die Kranken­haus­ver­pflegung nicht gekürzt werden. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden. Grundsätzlich lässt das SGB II eine Reduzierung der Regelleistung auf der Grundlage einer individuellen Bedarfs­er­mittlung nicht zu, denn die Regelleistung zur Sicherung des Lebens­un­terhalts hat pauscha­lie­renden Charakter. Dies schließt sowohl die Berück­sich­tigung individuell geringerer als auch höherer Bedarfe aus.

Der Arbeits­lo­sengeld II beziehende Kläger wurde vom 12. Januar bis 16. Februar 2006 in einem Krankenhaus stationär behandelt. Die Beklagte hob für den Zeitraum des Klini­k­auf­enthalts die Bewilligung von Arbeits­lo­sengeld II teilweise auf, weil durch die Verpflegung im Krankenhaus der Bedarf des Klägers teilweise gedeckt gewesen sei. Die Regelleistung sei deshalb um 35 vom Hundert monatlich (120,75 Euro) anteilig zu kürzen. Das Sozialgericht hat diese Bescheide aufgehoben. Der Kläger habe bei dem Kranken­haus­auf­enthalt kalendertäglich 10 Euro zuzahlen müssen. Diese Ausgabe stehe mit der Erzielung von Einnahmen (Erhalt von Verpflegung) in einem ursächlichen Zusammenhang. Das Landes­so­zi­al­gericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Bereitstellung von Essen im Krankenhaus als eine Einnahme angesehen, die Geldeswert habe.

Regelleistung durfte nicht gekürzt werden

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass die Beklagte für die streitige Zeit die Regelleistung im Hinblick auf die Kranken­haus­ver­pflegung nicht kürzen durfte. Sie war deshalb nicht berechtigt, den Bescheid zu ändern, mit dem dem Kläger für das erste Halbjahr 2006 Arbeits­lo­sengeld II in voller Höhe gewährt worden war. Grundsätzlich lässt das SGB II eine Reduzierung der Regelleistung auf der Grundlage einer individuellen Bedarfs­er­mittlung nicht zu, denn die Regelleistung zur Sicherung des Lebens­un­terhalts hat pauscha­lie­renden Charakter. Dies schließt sowohl die Berück­sich­tigung individuell geringerer als auch höherer Bedarfe aus. Ob hieraus zugleich folgt, dass die Grund­be­standteile der Regelleistung grundsätzlich auch nicht als Einnahmen bedarfsmindernd berücksichtigt werden dürfen, war nicht zu entscheiden. Jedenfalls in der hier streitigen Zeit gab es für ein solches Vorgehen noch keine Rechtsgrundlage. Die vom Landes­so­zi­al­gericht herangezogene Rechtsgrundlage (§ 2 b Alg II-Verordnung in Verbindung mit der Sachbe­zugs­ver­ordnung) ließ die Berück­sich­tigung von Kranken­haus­ver­pflegung als Einkommen nicht zu.

Richter haben Bedenken hinsichtlich der Neuregelung des § 2 Abs. 5 Alg II-Verordnung vom 17. Dezember 2007 - im Fall war die Neuregelung aber noch nicht anwendbar

Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob § 2 Abs. 5 Alg II-Verordnung vom 17. Dezember 2007, wonach Vollverpflegung pauschal in Höhe von monatlich 35 Prozent der Regelleistung als Einkommen zu berücksichtigen ist, rechtmäßig ist. Hiergegen bestehen erhebliche Bedenken. Doch auch auf der Grundlage dieser, hier noch nicht anwendbaren Regelung wäre eine Berück­sich­tigung der Kranken­haus­ver­pflegung nicht in der von der Beklagten angenommenen Höhe zulässig gewesen. Es hätten vielmehr die Freibe­trags­grenze in Satz 3 der Vorschrift und auch sonstige Absetzbeträge vom Einkommen (zB der Pauschbetrag von 30 €) beachtet werden müssen.

Hinweise zur Rechtslage:

§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II:

"Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundes­ver­sor­gungs­gesetz und …"

Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nicht­be­rück­sich­tigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeits­lo­sengeld II (Alg II-V, in der Fassung vom 22.8.05 ):

§ 2 Abs. 4:

"Sachleistungen sind nach der Sachbe­zugs­ver­ordnung in der jeweils geltenden Fassung zu bewerten. Soweit in der Sachbe­zugs­ver­ordnung ein Wert nicht festgesetzt ist, sind die üblichen Mittelpreise des Verbrauchsortes zugrunde zu legen."

§ 2b:

"Für die Berechnung des Einkommens aus Einnahmen, die nicht unter die §§ 2 und 2a fallen, ist § 2 entsprechend anzuwenden."

§ 2 Abs. 5 Alg II-V vom 17.12.2007 ( in Kraft ab 1. 1.2008 !):

"Bereitgestellte Vollverpflegung ist pauschal in Höhe von monatlich 35 Prozent der nach § 20 des Zweiten Buches Sozial­ge­setzbuch maßgebenden monatlichen Regelleistung als Einkommen zu berücksichtigen. Wird Teilverpflegung bereitgestellt, entfallen auf das Frühstück ein Anteil von 20 Prozent und auf das Mittag- und Abendessen Anteile von je 40 Prozent des sich nach Satz 1 ergebenden Betrages. Übersteigt das Einkommen nach den Sätzen 1 und 2 in einem Monat den sich nach § 62 des Fünften Buches Sozial­ge­setzbuch als Belas­tungs­grenze für nicht chronisch Kranke mit ganzjährigem Bezug von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozial­ge­setzbuch ergebenden Betrag nicht, so bleibt es als Einkommen unberück­sichtigt. Als bereitgestellt gilt Verpflegung auch dann, wenn Gutscheine oder Berech­ti­gungs­scheine für den Bezug von Verpflegung zur Verfügung gestellt werden".

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 26/08 des BSG vom 18.06.2008

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