14.11.2024
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Dokument-Nr. 7940

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Urteil02.06.2009BundessozialgerichtB 13 R 81/08 R, B 13 R 85/08 R, B 13 R 139/08 R
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Bundessozialgericht Urteil02.06.2009

Bundes­so­zi­al­gericht erleichtert Zugang zu "Ghetto-Renten"

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat über die Frage entschieden, ob Juden für die Arbeit in einem Ghetto während des Zweiten Weltkriegs eine Rente zusteht.

Nach dem im Jahr 2002 verkündeten "Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" (ZRBG) können für Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung "Ghetto-Beitragszeiten" angerechnet werden. Dies gilt für jüdische Verfolgte, die sich zwangsweise in einem Ghetto in einem vom Deutschen Reich besetzten oder diesem eingegliederten Gebiet aufgehalten und während dieser Zeit eine aus eigenem Willen­s­ent­schluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt haben. Für eine derartige Beschäftigung gelten Beiträge als entrichtet, aus denen Renten auch ins Ausland gezahlt werden können. Der Gesetzgeber hat damit an eine Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts aus dem Jahre 1997 angeknüpft, die auch für Arbeits­leis­tungen in einem Ghetto zwischen (an sich) versi­che­rungs­pflichtigen Beschäftigungen und nicht versi­che­rungs­pflichtiger Zwangsarbeit differenziert.

Das Gesetz hat zu ca. 70 000 Anträgen geführt; die Bewil­li­gungsquote der zuständigen Renten­ver­si­che­rungs­träger liegt - durch­schnittlich - bei unter 10 %. Bisher war durch die Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, in welcher Weise die für die Versi­che­rungs­pflicht in der Renten­ver­si­cherung geltenden Regeln auch bei Anwendung des ZRBG zu beachten sind.

Bundes­so­zi­al­gericht stellt Grundsätze auf

Der 13. Senat des Bundes­so­zi­al­ge­richts ist nunmehr in drei Revisi­ons­ver­fahren von Grundsätzen ausgegangen, die in mehrfacher Hinsicht Leitlinien zur Handhabung des ZRBG aufstellen:

(1) "Aus eigenem Willen­s­ent­schluss" kann eine Beschäftigung auch dann zustande gekommen sein, wenn für die Ghetto-Bewohner Arbeitspflicht bestand. Es kommt darauf an, dass der Betroffene nicht zu einer (spezifischen) Arbeit gezwungen wurde, sondern zB bei einer Vermittlung durch den Judenrat das "Ob" oder "Wie" der Arbeit beeinflussen konnte.

(2) "Entgelt" ist jegliche Entlohnung, ob in Geld oder Naturalien (zB Nahrungsmitteln). Gering­fü­gig­keits­grenzen sind nicht zu prüfen. Unerheblich ist, ob lediglich "freier Unterhalt" gewährt wurde.

(3) Es kommt nicht darauf an, ob das Entgelt dem Beschäftigten direkt ausgehändigt wurde oder an einen Dritten (z.B. den Judenrat zur Versorgung des Ghettos) floss.

(4) Für eine Ghetto-Beschäftigung besteht kein Mindestalter.

Bundes­so­zi­al­gericht hebt entge­gen­stehende eigene Rechtsprechung auf

Entge­gen­stehende eigene Rechtsprechung hat der 13. Senat aufgegeben. In den verhandelten Revisi­ons­ver­fahren führte dies jeweils zur Bestätigung der durch die Renten­ver­si­che­rungs­träger angefochtenen Berufungs­urteile.

Die einzelnen Fälle

In dem Fall - Az. B 13 R 81/08 R - hat das BSG zusätzlich entschieden, dass dem Zahlungs­an­spruch des Klägers sein Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU (Frankreich) nicht entgegensteht. Ferner hat es den Rentenbeginn auf den 1. Juli 1997 (Inkrafttreten des ZRBG) statt 1. Juni 1997 festgelegt.

Im Fall - Az. B 13 R 85/08 R - kam es entsprechend der o.a. Leitlinie (2) nicht darauf an, ob das Entgelt für die schwere Arbeit des Klägers "angemessen" war oder nicht. Ebenso wenig war darauf abzustellen, ob und welche Beziehungen zwischen dem (direkten) Arbeitgeber (dem Inhaber der Lederfabrik) und dem Kläger bestanden oder ob der Judenrat als Verleiher im Sinne einer "Arbeitnehmer-Überlassung" fungierte.

Im Fall - Az. B 13 R 139/08 R -der (zur Zeit der Ghetto-Beschäftigung 12 bis 14 Jahre alten) Klägerin hat das BSG schließlich entschieden, dass für eine Ghetto-Beschäftigung kein Mindestalter besteht.

Quelle: ra-online (pt)

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