03.12.2024
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Sie sehen eine stilisierte Weltkarte mit der Illustration eines Laptops, auf dem ein Paragraphenzeichen prangt.

Dokument-Nr. 32272

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Urteil13.10.2022Bundesgerichtshofi ZR 111/21
Vorinstanzen:
  • Landgericht München I, Urteil25.10.2019, 21 O 15007/18
  • Oberlandesgericht München, Urteil27.05.2021, 29 U 6933/19
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Bundesgerichtshof Urteil13.10.2022

BGH konkretisiert Voraussetzung für Netzsperren bei Urheber­rechts­verletzungSperrung von Internetseiten bei Urheber­rechts­verletzungen als letztes Mittel

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen Rechtsinhaber von Internet­zugangs­anbietern nach § 7 Abs. 4 TMG die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten beanspruchen können.

Die Beklagte ist ein Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen. Die Klägerinnen sind Wissen­schafts­verlage. Sie verlangen von der Beklagten, dass diese den Zugang zu den Internetseiten von zwei Inter­net­diensten sperrt, auf denen - nach Darstellung der Klägerinnen - wissen­schaftliche Artikel und Bücher bereitgehalten werden, an denen ihnen die ausschließ­lichen Nutzungsrechte zustehen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerinnen hätten entgegen § 7 Abs. 4 TMG nicht die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, der Verletzung ihrer Rechte abzuhelfen. Es sei ihnen zumutbar gewesen, vor Inanspruchnahme der Beklagten den in der Europäischen Union (Schweden) ansässigen Host-Provider der beiden Internetdienste gerichtlich auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, um anschließend mit den erlangten Informationen gegen die Betreiber der Internetdienste vorzugehen.

BGH: Websperren als letzter Ausweg

Die Beurteilung des Berufungs­ge­richts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Für den Rechtsinhaber besteht dann im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 TMG keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, wenn zumutbare Anstrengungen zur Inanspruchnahme der Beteiligten, die die Rechts­ver­letzung selbst begangen oder zu ihr durch die Erbringung von Dienst­leis­tungen beigetragen haben, gescheitert sind oder ihnen jede Erfolgsaussicht fehlt. Der Access-Provider, der lediglich allgemein den Zugang zum Internet vermittelt, haftet nur subsidiär gegenüber denjenigen Beteiligten, die (wie der Betreiber der Internetseite) die Rechts­ver­letzung selbst begangen oder (wie der Host-Provider) zur Rechts­ver­letzung durch die Erbringung von Dienst­leis­tungen beigetragen haben und daher wesentlich näher an der Rechts­guts­ver­letzung sind. Als Maßnahme der Sperrung kommt die von den Klägerinnen begehrte DNS(Domain-Name-System)-Sperre in Betracht. Mit dieser wird die Zuordnung zwischen dem in die Browserzeile eingegebenen Domainnamen und der IP-Adresse des Internetdiensts auf dem DNS-Server des Access-Providers verhindert, so dass der Domainname nicht mehr zur entsprechenden Internetseite führt, die allerdings unter ihrer IP-Adresse weiterhin erreichbar ist.

Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Betreiber oder Host-Provider grundsätzlich zumutbar

Welche Anstrengungen zur Inanspruchnahme des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers zumutbar sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Der Rechtsinhaber ist in zumutbarem Umfang dazu verpflichtet, Nachforschungen zur Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten anzustellen. Die außer­ge­richtliche Inanspruchnahme eines bekannten Betreibers der Internetseite oder Host-Providers auf Entfernung der urheber­rechts­ver­let­zenden Inhalte ist dem Rechtsinhaber im Regelfall ebenfalls zumutbar. Mit Blick auf eine gerichtliche Durchsetzung von Unterlassungs- und Auskunfts­ansprüchen ist allerdings in besonderem Maß zu berücksichtigen, dass dem Rechtsinhaber keine Maßnahmen auferlegt werden dürfen, die zu einer unzumutbaren zeitlichen Verzögerung seiner Anspruchs­durch­setzung führen. Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen innerhalb der Europäischen Union ansässige Betreiber oder Host-Provider hat der Rechtsinhaber jedoch grundsätzlich anzustrengen. Grundsätzlich zumutbare Anstrengungen können im Einzelfall unterbleiben, wenn ihnen aus vom Anspruchsteller darzulegenden Gründen jede Erfolgsaussicht fehlt.

Möglichkeit des Rechtsbehelfes in Schweden vorliegend offen

Nach diesen Maßstäben ist die Beurteilung des Berufungs­ge­richts, es wäre den Klägerinnen zumutbar gewesen, vor der Inanspruchnahme der Beklagten den Host-Provider der betroffenen Internetdienste in Schweden gerichtlich auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, nicht frei von Rechtsfehlern. Die Feststellungen des Berufungs­ge­richts zur Rechtslage in Schweden lassen offen, ob den Klägerinnen in Schweden ein Rechtsbehelf des einstweiligen Rechtsschutzes für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Drittauskunft gegen den dort ansässigen Host-Provider zur Verfügung gestanden hätte.

Klägerinnen hätten Auskunftsklage in Deutschland erheben können

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig. Von den Klägerinnen ist jedenfalls der Versuch zu verlangen, vor einem deutschen Gericht im Wege der einstweiligen Verfügung einen Auskunfts­an­spruch gegen den schwedischen Host-Provider geltend zu machen. Es besteht kein Anlass zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Berufungs­gericht. Die Klägerinnen haben umfassend zu den von ihnen ergriffenen Maßnahmen vorgetragen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es nicht, den Klägerinnen durch eine Zurück­ver­weisung die Möglichkeit zu verschaffen, bisher unterbliebene Ermitt­lungs­maß­nahmen erst noch zu veranlassen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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