18.10.2024
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Dokument-Nr. 14039

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Urteil18.04.2012BundesgerichtshofXII ZR 65/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 193, 78Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 193, Seite: 78
  • FamRB 2012, 201Zeitschrift: Familien-Rechts-Berater (FamRB), Jahrgang: 2012, Seite: 201
  • FamRZ 2012, 1040Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2012, Seite: 1040
  • FF 2012, 365Zeitschrift: FF - Forum Familienrecht (FF), Jahrgang: 2012, Seite: 365
  • FuR 2012, 420Zeitschrift: Familie und Recht (FuR), Jahrgang: 2012, Seite: 420
  • JA 2012, 788Zeitschrift: Juristische Arbeitsblätter (JA), Jahrgang: 2012, Seite: 788
  • JuS 2013, 73Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 73
  • MDR 2012, 771Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 771
  • NJW 2012, 1868Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 1868
  • NJW-Spezial 2012, 389Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2012, Seite: 389
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil18.04.2012

Unter­halts­an­spruch trotz Kinder über der Altersgrenze von drei JahrenVollzeit­beschäftigung für betreuende Mutter nicht zumutbar

Der betreuenden Mutter steht ein Unter­halts­an­spruch für ihre Kinder im Alter von deutlich über drei Jahren zu, wenn zumindest ein teilweiser Betreu­ungs­bedarf besteht. Die Ausübung einer Vollzeit­beschäftigung ist ihr nicht zuzumuten. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall machte die geschiedene Ehefrau von ihrem Ex-Ehemann nachehelichen Unterhalt für ihre Kinder geltend. Die Kinder waren zwölf, fünfzehn und siebzehn Jahre alt und lebten bei der Mutter. Sie kamen am frühen Nachmittag aus der Schule und übten nachmittags sportliche Aktivitäten aus, die 5 km bzw. 15 km vom Wohnort stattfanden. Die geschiedenen Eheleute stritten über den zeitlichen Umfang der die Mutter treffenden Beschäf­ti­gungs­ob­lie­genheit.

Unter­halts­an­spruch besteht

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass der Mutter ein Unterhalt nach §§ 1570, 1573 Abs. 2 BGB zu steht.

Grundsätzlich kann sich der betreuende Elternteil nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreu­ungs­ein­richtung besucht oder unter Berück­sich­tigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte (BGHZ 180, 170 = FamRZ 2007, 965). Eine Verlängerung des Unterhalts über das Altern von drei Jahren hinaus ist nur dann möglich, wenn keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Zu beachten sind dabei die besonderen Bedürfnisse des Kindes, wie etwa sportliche oder musische Beschäftigungen. Sofern diese vom Kind nicht selbständig wahrgenommen werden können, sind zu erbringende Fahr- und Betreu­ungs­leis­tungen zu berücksichtigen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend regelmäßig weitere Erziehungs- und Betreu­ungs­leis­tungen, wie zum Beispiel Hausauf­ga­ben­be­treuung, zu erbringen sind.

Teilweiser Betreu­ungs­bedarf liegt vor

Im vorliegenden Fall besteht nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofes ein zumindest teilweiser Betreu­ungs­bedarf, so dass ihr lediglich eine Teilzeitbeschäftigung mit 30 Wochenstunden zuzumuten war. Sie könne in den Vormit­tags­stunden, während sich die Kinder in der Schule befänden, eine Beschäftigung mit ca. sechs Stunden pro Tag zuzüglich Fahrzeiten nachgehen.

Zur Begründung führt der Bundes­ge­richtshof aus, dass die Kinder aufgrund der ländlichen Lage und dem damit einhergehenden unzureichenden öffentlichen Nahverkehr darauf angewiesen seien, dass die Mutter sie zu den sportlichen Aktivitäten fahre. Auch sei ihr ein Umzug nicht zuzumuten, da dadurch den Kindern der Lebens­mit­telpunkt entzogen würde. Weiterhin bestehe nach Heimkehr der Kinder aus der Schule zusätzlicher Bedarf für die Betreuung und Erziehung der drei Kinder, wie die Erledigung schulischer Aufgaben. Dies stelle erhebliche Anforderungen an die Mutter, die über das normale Maß hinausgingen und neben einer vollschichtigen Tätigkeit nicht zu bewältigen seien. Des Weiteren treffe es nicht zu, dass ein zwölfjähriger Junge in den Nachmit­tags­stunden nach Rückkehr aus der Schule nach der Lebenserfahrung die Hausaufgaben selbständig erledigen könne oder von den älteren Geschwistern Hilfe zu erwarten habe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass aufgrund der ländlichen Lage die Möglichkeit einer Fremdbetreuung eingeschränkt sei bzw. ganz fehle.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

BGB §§ 1570, 1573, 1578, 1578 b

a) Beim Unter­halts­an­spruch wegen Betreuung von Kindern ab der Altersgrenze von drei Jahren ist zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden könnte (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770).

b) An die für eine Verlängerung des Betreu­ungs­un­terhalts insbesondere aus kindbezogenen Gründen erforderlichen Darlegungen (hier: bei drei minderjährigen Kindern und von der Unter­halts­be­rech­tigten zu leistenden Fahrdiensten an den Nachmittagen) sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen (im Anschluss an Senatsurteil vom 15. Juni 2011 - XII ZR 94/09 - FamRZ 2011, 1375).

c) Zur Beurteilung einer überob­li­ga­ti­o­ns­mäßigen Belastung im Rahmen der Verlängerung des Betreu­ungs­un­terhalts ist auch der Aspekt einer gerechten Lasten­ver­teilung zwischen unter­halts­be­rech­tigtem und unter­halts­pflichtigem Elternteil zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsurteile BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770; BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 und vom 21. April 2010 - XII ZR 134/08 - FamRZ 2010, 1050).

d) Hat der Unter­halts­pflichtige nach dem - unter­halts­rechtlich nicht vorwerfbaren - Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalten und hat er im Anschluss daran eine neue Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen gefunden, so ist die Abfindung bis zur Höchstgrenze des Bedarfs aufgrund des früheren Einkommens grundsätzlich für den Unterhalt zu verwenden (im Anschluss an Senatsurteile BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983 und vom 2. Juni 2010 - XII ZR 138/08 - FamRZ 2010, 1311; teilweise Aufgabe von Senatsurteil BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590).

e) Ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen geboten ist und der bisherige Lebensstandard vollständig aufrecht­er­halten werden muss, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berück­sich­tigung der beiderseitigen Interessen, insbesondere auch nach der vom Unter­halts­pflichtigen zu erwartenden weiteren Einkom­men­s­ent­wicklung.

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