21.11.2024
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Dokument-Nr. 33781

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Bundesgerichtshof Beschluss28.01.2024

Umgang mit Kind darf nicht an Geldzahlungen geknüpft seinUmgangs­ver­ein­barung "Geld gegen Kinder" ist sittenwidrig

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine Eltern­ver­ein­barung zum persönlichen Umgang mit dem Kind nicht unter Umgehung einer gerichtlichen Kindes­wohl­kon­trolle durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder einer vertrags­strafen­ähnlichen Klausel erzwingbar gemacht werden kann.

Die Antragstellerin ist peruanische Staatsgehörige. Aus ihrer 2002 geschlossenen Ehe mit dem Antragsgegner, der die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzt, sind eine 2007 geborene Tochter und ein 2012 geborener Sohn hervorgegangen. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten war in Deutschland, wo der Antragsgegner weiterhin lebt und arbeitet. Die Antragstellerin siedelte 2011 unter zwischen den Beteiligten streitigen Umständen mit der Tochter nach Peru über, wo im Folgejahr auch der Sohn geboren wurde. Seitdem sie Deutschland verlassen hatte, ließ sie einen persönlichen Umgang des Antragsgegners mit den gemeinsamen Kindern nur dann zu, wenn sich dieser besuchsweise in Peru aufhielt. Die Ehe der Beteiligten wurde 2017 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin macht im vorliegenden Verfahren güterrechtliche Ansprüche geltend. Die Antragstellerin hat Zahlung eines Zugewin­n­aus­gleichs in Höhe von 80.000 € verlangt. Im Dezember 2021 haben die Beteiligten vor dem Amtsgericht einen gerichtlich protokollierten Vergleich geschlossen, wonach der Antragsgegner zur Abgeltung sämtlicher güter­recht­lichen Forderungen einen Betrag von 60.000 € in drei jährlichen Raten zu jeweils 20.000 € an die Antragstellerin zu zahlen hat. Die jährlichen Raten sollten erst fällig werden, wenn zuvor ein dreiwöchiger Umgang der gemeinsamen Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland stattgefunden hatte. Das Amtsgericht hat diesen Vergleich famili­en­ge­richtlich gebilligt; diese Billigung wurde auf eine Beschwerde der Antragstellerin wieder aufgehoben, weil das Amtsgericht keine den verfah­rens­recht­lichen Garantien des Kinds­chafts­rechts genügende Kindes­wohl­prüfung durchgeführt habe. Die Antragstellerin hält den gerichtlichen Vergleich für nichtig und hat im Mai 2022 die Fortsetzung des güter­recht­lichen Verfahrens beantragt. Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und festgestellt, dass das Zugewin­n­aus­gleichs­ver­fahren durch den Vergleich beendet worden ist. Das Oberlan­des­gericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechts­be­schwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel der Verfah­rens­fort­s­etzung weiter.

Kinder werden zum "Objekt des Handelns" gemacht

Der Bundes­ge­richtshof hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Er hat die im gerichtlichen Vergleich enthaltene Stundungs­ver­ein­barung wegen der Verknüpfung der Ratenfälligkeit mit der tatsächlichen Gewährung des vereinbarten Umgangs der Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB angesehen. Dadurch werde wirtschaft­licher Druck ausgeübt, der erreichen soll, dass die Umgangsvereinbarung eingehalten wird. Das verleihe der Regelung in ihrer Wirkung einen vertrags­stra­fen­ähn­lichen Charakter. Zwar muss nicht schlechthin jeder von den Eltern hergestellte Zusammenhang zwischen einer Vereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind und einer Beilegung ihrer vermö­gens­recht­lichen Streitigkeiten unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Kommer­zi­a­li­sierung des Umgangsrechts missbilligt werden. Gleichwohl besteht bei einer vertraglichen Verknüpfung von Vermö­gens­be­langen der Eltern und dem persönlichen Umgang mit dem Kind aus dem Blickwinkel des Kindeswohls grundsätzlich immer die Gefahr, dass Gewährung und Ausgestaltung des Umgangs maßgeblich von wirtschaft­lichen Interessen der Eltern bestimmt werden, das Kind auf diese Weise zum Objekt eines Handels gemacht und besonderen Loyali­täts­kon­flikten ausgesetzt wird. Das Umgangsrecht untersteht nicht der freien vertraglichen Disposition der Eltern.

Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen

Auch mit Blick auf den Auslandsbezug des Sachverhalts ist keine abweichende Beurteilung geboten. Zwar kann die Frage der Sitten­wid­rigkeit bei vertrags­stra­fen­be­wehrten Umgangs­ver­gleichen mit Auslands­be­rührung ggf. in einem milderen Licht erscheinen, wenn dem Vergleich das grundsätzlich billigenswerte Motiv des umgangs­be­rech­tigten Elternteils zugrunde liegt, für die Durchsetzung seines Umgangsrechts nicht auf eine ineffektive grenz­über­schreitende Vollstreckung von Ordnungsmitteln angewiesen sein zu müssen. Doch auch dann müssen Vertragsstrafen oder vertrags­stra­fen­ähnliche Klauseln zur Durchsetzung des Umgangsrechts stets eine Berück­sich­tigung von Kindes­woh­leinreden gewährleisten. Dies ist hier nicht der Fall. Der Inhalt des ohne wirksame famili­en­ge­richtliche Kontrolle abgeschlossenen Vergleichs lässt auch eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle der Umgangs­ver­ein­barung durch deutsche oder peruanische Gerichte nicht zu, so dass die Antragstellerin die mit der Nichtgewährung des Umgangs verbundenen wirtschaft­lichen Nachteile selbst dann nicht abwenden könnte, wenn in einem gerichtlichen Verfahren später bezüglich eines oder beider Kinder die fehlende Kindes­wohl­dien­lichkeit der vergleichsweise festgelegten Umgangskontakte in Deutschland festgestellt würde. Das OLG muss nun prüfen, ob die Sitten­wid­rigkeit den gesamten gerichtlichen Vergleich erfasst. Dazu muss es beurteilen, ob die Parteien den Vergleich auch ohne die umstrittene Klausel geschlossen hätten.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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