21.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 19003

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Beschluss17.09.2014BundesgerichtshofXII ZB 202/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • jM 2015, 70 (Andreas Brilla)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2015, Seite: 70, Entscheidungsbesprechung von Andreas Brilla
  • jurisPR-FamR 4/2015, Anm. 1, Ernst Heitmannjuris PraxisReport Familien- und Erbrecht (jurisPR-FamR), Jahrgang: 2015, Ausgabe: 4, Anmerkung: 1, Autor: Ernst Heitmann
  • NJW 2014, 3572Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 3572
  • Rpfleger 2015, 18Zeitschrift: Der Deutsche Rechtspfleger (Rpfleger), Jahrgang: 2015, Seite: 18
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Andernach, Urteil22.03.2012, 1 XVII 280/09
  • Landgericht Chemnitz, Urteil11.03.2013, 3 T 205/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss17.09.2014

BGH stärkt Recht auf Sterbehilfe für Wachkoma-Patient ohne Patien­ten­ver­fügung: Für Feststellung des behandlungs­be­zogenen Patien­ten­willens gelten strenge BeweismaßstäbeBGH zur Genehmigung des Betreu­ungs­ge­richts bei Einstellung lebens­er­hal­tender Maßnahmen

Der Bundes­ge­richtshof hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen das Betreu­ungs­gericht den Abbruch lebens­er­hal­tender Maßnahmen genehmigen muss. Das Gericht verwies darauf, dass das Betreu­ungs­gericht gemäß § 1904 Abs. 3 BGB zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet ist, wenn die Nicht­ein­wil­ligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betroffenen entspricht. Für die Feststellung dieses behandlungs­be­zogenen Patien­ten­willens gelten dabei jedoch strenge Beweismaßstäbe.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1963 geborene Betroffene erlitt im Jahr 2009 eine Gehirnblutung mit der Folge eines apallischen Syndroms im Sinne eines Wachkomas. Sie wird über eine Magensonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht möglich. Der Ehemann und die Tochter der Betroffenen, die zu ihren Betreuern bestellt sind, haben beim Betreu­ungs­gericht beantragt, den Abbruch lebens­er­hal­tender Maßnahmen zu genehmigen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung nicht geneh­mi­gungs­be­dürftig sei. Sie stützen ihren Antrag darauf, dass sich die Betroffene vor ihrer Erkrankung gegenüber Familien­an­ge­hörigen und Freunden gegen eine Inanspruchnahme von lebens­er­hal­tenden Maßnahmen für den Fall einer schweren Krankheit ausgesprochen habe.

Verfahrensgang

Das Amtsgericht hat den Antrag und den Hilfsantrag abgewiesen, das Landgericht die Beschwerde der Betreuer zurückgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Rechts­be­schwerde der Betreuer war erfolgreich. Sie führt zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Landgericht.

Bei Einvernehmen zwischen Betreuer und Arzt bedarf Behandlung im festgestellten Sinne des Betroffenen keiner betreu­ungs­ge­richt­lichen Genehmigung

Nach § 1904 Abs. 2 BGB bedarf die Nicht­ein­wil­ligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreu­ungs­ge­richts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund des Unterbleibens bzw. des Abbruchs der lebens­er­hal­tenden Maßnahme stirbt. Eine solche betreu­ungs­ge­richtliche Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden Patientenverfügung nach § 1901 a Abs. 1 BGB niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behand­lungs­si­tuation zutrifft. Liegt dagegen keine wirksame Patien­ten­ver­fügung vor, hat der Betreuer die Behand­lungs­wünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen (§ 1901 a Abs. 2 BGB). Die hierauf beruhende Entscheidung des Betreuers bedarf dann nicht der betreu­ungs­ge­richt­lichen Genehmigung, wenn zwischen ihm und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem festgestellten Willen des Betroffenen entspricht (§ 1904 Abs. 4 BGB).

Betreu­ungs­gericht hat zwischen Behand­lungs­wünschen und mutmaßlichem Willen des Betroffenen zu unterscheiden

In den verbleibenden Fällen, in denen eine betreu­ungs­ge­richtliche Genehmigung erforderlich ist, ist diese gemäß § 1904 Abs. 3 BGB vom Betreu­ungs­gericht zu erteilen, wenn die Nicht­ein­wil­ligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betroffenen entspricht. Das Betreu­ungs­gericht hat bei dieser Prüfung nach § 1901 a Abs. 2 BGB zwischen den Behand­lungs­wünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen andererseits zu unterscheiden. Behand­lungs­wünsche können etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behand­lungs­si­tuation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patien­ten­ver­fügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB nicht genügen. Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ist nur abzustellen, wenn sich ein erklärter Wille des Betroffenen nicht feststellen lässt.

BGH verweist auf strenge Beweismaßstäbe bei Feststellung des behand­lungs­be­zogenen Patien­ten­willens

Für die Feststellung des behand­lungs­be­zogenen Patien­ten­willens gelten strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter - dem Selbst­be­stim­mungsrecht des Betroffenen einerseits und dem Schutz des Lebens andererseits - Rechnung zu tragen haben. Die bei der Ermittlung und der Annahme eines Behand­lungs­wunsches oder des mutmaßlichen Willens zu stellenden strengen Anforderungen gelten nach § 1901 a Abs. 3 BGB unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht.

LG muss etwaige geäußerte Behand­lungs­wünsche der Betroffenen neu untersuchen

Auf der Grundlage dieser zum 1. September 2009 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen hat der Bundes­ge­richtshof die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass hier wegen des nicht unmittelbar bevorstehenden Todes der Betroffenen noch strengere Bewei­san­for­de­rungen für die Feststellung des mutmaßlichen Patien­ten­willens gelten, als in anderen Fällen. Bei seiner erneuten Prüfung wird das Landgericht etwaige geäußerte Behand­lungs­wünsche der Betroffenen unter Anlegung des zutreffenden Prüfungs­maßstabs neu zu ermitteln haben.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

Patientenverfügung

Patientenverfügung '>

(1) Hat ein einwil­li­gungs­fähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwil­li­gungs­un­fä­higkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesund­heits­zu­stands, Heilbe­hand­lungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patien­ten­ver­fügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behand­lungs­si­tuation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patien­ten­ver­fügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.

(2) Liegt keine Patien­ten­ver­fügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patien­ten­ver­fügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behand­lungs­si­tuation zu, hat der Betreuer die Behand­lungs­wünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvor­stel­lungen des Betreuten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten.

(4) Niemand kann zur Errichtung einer Patien­ten­ver­fügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patien­ten­ver­fügung darf nicht zur Bedingung eines Vertrags­schlusses gemacht werden.

(5) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.

§ 1901 b Gespräch zur Feststellung des Patien­ten­willens

1) Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme unter Berück­sich­tigung des Patien­ten­willens als Grundlage für die nach § 1901 a zu treffende Entscheidung.

(2) Bei der Feststellung des Patien­ten­willens nach § 1901 a Absatz 1 oder der Behand­lungs­wünsche oder des mutmaßlichen Willens nach § 1901 a Absatz 2 soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrau­ens­personen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.

§ 1904 BGB Genehmigung des Betreu­ungs­ge­richts bei ärztlichen Maßnahmen

(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesund­heits­zu­stands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreu­ungs­ge­richts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesund­heit­lichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.

(2) Die Nicht­ein­wil­ligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesund­heits­zu­stands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreu­ungs­ge­richts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesund­heit­lichen Schaden erleidet.

(3) Die Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist zu erteilen, wenn die Einwilligung, die Nicht­ein­wil­ligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht.

(4) Eine Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a festgestellten Willen des Betreuten entspricht.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für einen Bevoll­mäch­tigten. Er kann in eine der in Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn die Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und schriftlich erteilt ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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