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Bundesgerichtshof Urteil03.06.2025

Unzulässige Bankgebühren können nur drei Jahre lang zurückgefordert werdenBundes­ge­richtshof entscheidet über Muster­fest­stel­lungsklage zur Rückzahlung von Konto­füh­rungs­ent­gelten

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat im Rahmen einer Muster­fest­stel­lungsklage über die Voraussetzungen und über die Verjährung von Verbrau­cher­ansprüchen auf Rückzahlung von Konto­füh­rungs­ent­gelten entschieden.

Der Musterkläger ist ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbrau­cher­schutz­verband. In den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der beklagten Sparkasse hieß es unter Nr. 17 Abs. 6 u.a. wie folgt:

"Änderungen von Entgelten für Hauptleistungen, die vom Kunden im Rahmen der Geschäfts­be­ziehung typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden (z.B. Depotführung), oder Änderungen von Entgelten im Rahmen von Zahlungs­diens­terah­men­ver­trägen werden dem Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. […] Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. […]." (sog. Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel).

Die Musterbeklagte stellte zum 1. Dezember 2016 bei ihren Bestandskunden die Entgeltstruktur für die als Konto­kor­rentkonto geführten Girokonten um. Hierüber informierte sie ihre Kunden im September 2016 unter Übersendung eines Auszugs aus dem neuen Preis- und Leistungs­ver­zeichnis. Zwei Tage nach Verkündung des Senatsurteils vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344) zur Unwirksamkeit der in den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen einer Bank enthaltenen Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel strich die Musterbeklagte die Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel aus ihren Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen und stellte deren Verwendung im Neukun­den­ge­schäft ein. Sie lehnt die Erstattung von Entgelten, die sie unter Verwendung der unwirksamen Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel vereinnahmt hat, mit der Begründung ab, die Verbraucher hätten die Entgelte über mindestens drei Jahre unbeanstandet gezahlt.

Der Musterkläger begehrt im Rahmen seiner Muster­fest­stel­lungsklage u.a. die Feststellungen,

- dass die Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel der Musterbeklagten im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam ist (Feststel­lungsziel 1),

- dass die Musterbeklagte von Verbrauchern alle Entgelte bzw. Gebühren im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung eines Girokontos ohne Rechtsgrund erhalten hat, soweit diesen Entgelten keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zugrunde liegt, hilfsweise dass die Musterbeklagte von Verbrauchern alle Entgelte im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung eines Girokontos ohne Rechtsgrund erhalten hat, soweit der Erhebung dieser Entgelte eine Zustim­mungs­fiktion gemäß der Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel zugrunde liegt (Feststel­lungsziel 3a),

- dass die Musterbeklagte von Verbrauchern durch deren vorbehaltlose Hinnahme von Rechnungs­ab­sch­lüssen ein Saldo­a­n­er­kenntnis ohne Rechtsgrund erhalten hat, soweit diese Rechnungs­ab­schlüsse Belastungen der Verbraucher mit Entgelten enthalten, für die kein Rechtsgrund besteht (Feststel­lungsziel 4),

- dass sich die Musterbeklagte gegenüber Verbrauchern nicht deswegen auf eine konkludente Annahme bzw. Zustimmung zu den von der Musterbeklagten angebotenen Entgelten berufen kann, weil die Verbraucher ihre Konten im vertragsgemäßen Umfang weitergenutzt haben (Feststel­lungsziel 5),

- dass keine ergänzende Vertrags­aus­legung erfolgen kann, wonach Verbraucher das Fehlen eines rechtlichen Grundes für die Erhebung von Entgelten nicht geltend machen können, weil sie diese Entgelte nach Zugang der Abrechnungen nicht beanstandet haben (Feststel­lungsziel 6) und

- dass eine Verjährung der Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung von Entgelten erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem Verbraucher Kenntnis von der Unwirksamkeit der Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten haben können, hilfsweise dass die kennt­ni­s­ab­hängige Verjäh­rungsfrist frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 zu laufen beginnt (Feststel­lungsziel 7).

Die Musterbeklagte begehrt im Rahmen einer Widerklage hilfsweise für den Fall, dass einzelne Feststel­lungsziele zulässig oder begründet sind, u.a. die Feststellungen,

- dass der Wert der Leistungen, die die Musterbeklagte gegenüber Verbrauchern ab dem 1. Dezember 2016 erbracht hat, der Höhe nach jeweils dem Entgelt entspricht, das die Musterbeklagte im Neukun­den­ge­schäft bei Giroverträgen ab dem 19. September 2016 für diese Leistungen vereinbart hat und

- dass das Vermögen der Musterbeklagten nach Anrechnung des Werts der von ihr erbrachten Leistungen, nicht vermehrt ist.

Das Kammergericht hat der Muster­fest­stel­lungsklage hinsichtlich der Feststel­lungsziele 1, 4, 5 und 6 sowie hinsichtlich des Hilfsantrags zum Feststel­lungsziel 3a stattgegeben. Im Übrigen hat es die Muster­fest­stel­lungsklage abgewiesen. Die Hilfswiderklage der Musterbeklagten hat es insgesamt abgewiesen.

Der Musterkläger verfolgt mit der Revision seine Feststel­lungsziele weiter, soweit das Kammergericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision die vollständige Abweisung der Muster­fest­stel­lungsklage und ihre Feststel­lungs­be­gehren im Rahmen der Hilfswiderklage weiter.

Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs

Der XI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass das Feststel­lungsziel 1 unzulässig ist. Die Frage, ob die Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel unwirksam ist, ist nicht klärungs­be­dürftig, weil der Senat die Unwirksamkeit einer vergleichbaren Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel bereits mit Urteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344) festgestellt hat, dieses Urteil in der Insta­nz­recht­sprechung und in Teilen der Literatur anerkannt ist und die Musterbeklagte diese Auffassung ebenfalls teilt.

Das Feststel­lungsziel 3a ist in seinem Hilfsantrag begründet. Die Musterbeklagte hat von Verbrauchern Entgelte im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung von Girokonten ohne Rechtsgrund erhalten, soweit sie die Erhebung dieser Entgelte auf eine Zustim­mungs­fiktion gemäß der Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel gestützt hat. Denn die Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel ist im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Damit fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Erhebung solcher Entgelte durch die Musterbeklagte. Verbraucher können sich auch dann noch auf die Unwirksamkeit einer Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel berufen und rechtsgrundlos gezahlte Konto­füh­rungs­entgelte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zurückverlangen, wenn sie die von der Musterbeklagten rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelte länger als drei Jahre widerspruchslos gezahlt haben. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 19. November 2024 (XI ZR 139/23, BGHZ 242, 216) entschieden hat, findet die im Rahmen der ergänzenden Vertrags­aus­legung von Energie­lie­fer­ver­trägen geltende sogenannte Dreijah­res­lösung im Zusammenhang mit der Rückforderung rechtsgrundlos erhobener Konto­füh­rungs­entgelte keine Anwendung. Aus diesem Grund sind auch die Feststel­lungsziele 4 und 6 begründet.

Das Feststel­lungsziel 5 ist unzulässig, weil die mit ihm verbundene Frage nicht verall­ge­mei­ne­rungsfähig ist. Ob ein schlüssiges Verhalten wie die Nutzung des Girokontos durch einen Verbraucher nach der Ankündigung geänderter Entgelt­be­din­gungen dahin zu werten ist, dass der Verbraucher den geänderten Bedingungen zustimmt, richtet sich nach den für die Auslegung von Willen­s­er­klä­rungen geltenden Maßstäben. Hiernach kommt es darauf an, wie das Verhalten des Verbrauchers objektiv aus der Sicht des Erklä­rungs­emp­fängers zu verstehen ist. Diese Beurteilung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und kann daher nicht im Rahmen eines Muster­ver­fahrens getroffen werden.

Das Feststel­lungsziel 7 ist unbegründet. Ansprüche der Verbraucher auf Erstattung von rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelten unterliegen der regelmäßigen Verjäh­rungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entstanden sind die Rücker­stat­tungs­ansprüche der Verbraucher nicht bereits mit der Abbuchung der Entgelte von den Girokonten der Verbraucher, sondern erst mit der Genehmigung der Saldoabschlüsse der Girokonten durch die Verbraucher. Diese Genehmigung liegt mit Ablauf der sechswöchigen Frist vor, innerhalb derer Verbraucher gemäß Nr. 7 Abs. 3 Satz 1 AGB-Sparkassen Einwendungen gegen den jeweiligen zum Monatsende erstellten Saldoabschluss vorbringen können. Kenntnis von ihren Rückzah­lungs­ansprüchen haben die Verbraucher durch die Information der Musterbeklagten über die beabsichtigten Änderungen der Entgelte und durch deren Ausweis in den Saldoab­sch­lüssen der Girokonten erlangt. Die Kenntnis der Verbraucher von der Unwirksamkeit der Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel ist für die Ingangsetzung des Verjäh­rungs­verlaufs nicht erforderlich.

Der Verjäh­rungs­beginn ist insbesondere nicht durch eine etwa bestehende Rechts­un­kenntnis der Verbraucher bis zum Senatsurteil vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344) hinausgeschoben worden, da hinsichtlich der Unwirksamkeit von Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klauseln keine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage vorlag. Verbrauchern war eine Klageerhebung vielmehr bereits vor diesem Urteil zumutbar. Der vor dem 27. April 2021 ergangenen höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung lässt sich keine Billigung von Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klauseln entnehmen. Die Unwirksamkeit von Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klauseln beruht auf deren Abweichung von dem allgemeinen vertrags­recht­lichen Grundsatz, wonach das Schweigen des Verwen­dungs­gegners zu einem ihm unterbreiteten Vertrag­s­än­de­rungs­antrag nicht als Annahme zu qualifizieren ist. Dieser Grundsatz ist nicht neu, sondern beansprucht schon seit jeher Gültigkeit. Darüber hinaus steht das Senatsurteil vom 27. April 2021 in einer Linie mit dem Urteil des Bundes­ge­richtshofs vom 11. Oktober 2007 (III ZR 63/07), in dem eine in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen enthaltene Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klausel ebenfalls deswegen für unwirksam erklärt worden ist, weil für grundlegende Änderungen von vertraglichen Beziehungen ein den Erfordernissen der §§ 145 ff. BGB genügender Änderungs­vertrag notwendig ist. Die langjährige und verbreitete Verwendung von unwirksamen Zustim­mungs­fik­ti­o­ns­klauseln im Rechtsverkehr der Banken und Sparkassen vor dem Senatsurteil vom 27. April 2021 begründet nicht, dass die Erhebung von Rückzah­lungs­klagen von Verbrauchern unzumutbar gewesen ist.

Eine Hilfswiderklage im Rahmen eines Muster­fest­stel­lungs­ver­fahrens ist grundsätzlich zulässig, wenn sie sich im Rahmen des Lebens­sach­verhalts der vom Musterkläger begehrten Feststel­lungsziele hält. Sie hat vorliegend allerdings keinen Erfolg. Der Wert der Leistungen, die die Musterbeklagte aufgrund von vor dem 19. September 2016 geschlossenen Giroverträgen gegenüber Verbrauchern ab dem 1. Dezember 2016 erbracht hat, kann den Rückzah­lungs­ansprüchen der Verbraucher nicht entge­gen­ge­halten werden. Die Verbraucher haben von der Musterbeklagten keine Leistungen aus den Giroverträgen ohne Rechtsgrund erlangt. Es bestehen vielmehr wirksame Giroverträge zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten, aus denen diese zur Erbringung von Zahlungs­dienst­leis­tungen verpflichtet ist.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/pt)

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