23.11.2024
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Dokument-Nr. 30190

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Bundesgerichtshof Urteil27.04.2021

BGH zur Unwirksamkeit von Klauseln, die die Zustimmung des Kunden bei einer Änderung der AGB der Bank fingierenBank Klausel mit Zustim­mungs­fiktion für unbeschränkte AGB-Änderungen unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäfts­bedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäfts­bedingungen und Sonder­be­din­gungen fingieren.

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbrau­cher­zen­tralen und Verbrau­cher­verbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die beklagte Bank verwendet in ihrem Geschäfts­verkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen, die Klauseln enthalten, die im Wesentlichen den Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen bzw. den Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen entsprechen. Danach werden Änderungen von Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen den Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Geneh­mi­gungs­wirkung weist ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hin. Der Kunde hat die Möglichkeit der Kündigung.

LG und OLG hatten die Klage zurückgewiesen

Der Kläger hält die Klauseln für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen, die Klauseln in Verträge mit Verbrauchern einzubeziehen und sich auf die Klauseln zu berufen. Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in erster Instanz außerdem noch die Erstattung von Abmahnkosten nebst Rechts­hän­gig­keits­zinsen verlangt hat, abgewiesen. Das Berufungs­gericht hat die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren mit Ausnahme seines Zahlungsantrags weiterverfolgt hat, zurückgewiesen.

BGH: Fingierte Zustimmung bei AGB unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat auf die Rechtsmittel des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank nach Maßgabe der in zweiter Instanz gestellten Anträge verurteilt. Die Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle. Das gilt auch, soweit sie Zahlungs­diens­terah­men­verträge erfassen. § 675 g BGB sperrt die Anwendung der §§ 307 ff. BGB nicht. Das folgt aus dem Unionsrecht, dessen Umsetzung § 675 g BGB dient und der in diesem Sinne unions­rechts­konform auszulegen ist. Die Klauseln, die so auszulegen sind, dass sie sämtliche im Rahmen der Geschäfts­ver­bindung geschlossenen Verträge der Beklagten mit ihren Kunden wie etwa auch das Wertpa­pier­ge­schäft und den Sparverkehr betreffen, halten der eröffneten AGB-Kontrolle nicht stand.

Unbeschränkte Zustim­mungs­fiktion weicht von vertraglichen Grundprinzipien ab

Nr. 1 (2) der AGB der Beklagten betrifft alle Änderungen "dieser" Geschäfts­be­din­gungen, also der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, die zugleich mit Nr. 1 (2) AGB vereinbart werden, und Änderungen (künftiger) "besonderer Bedingungen" für einzelne gesondert vereinbarte Geschäftszweige, die das gesamte Tätig­keitss­pektrum der Beklagten umfassen. Sie betrifft nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungs­ver­ein­barung. Damit weicht sie von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwen­dungs­gegners als Annahme eines Vertrag­s­än­de­rungs­antrags qualifiziert. Diese Abweichung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Unangemessene Benachteiligung der Bankkunden

Eine unangemessene Benachteiligung des Vertrags­partners des Verwenders wird vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Die allgemeine Änderungs­klausel bietet eine Handhabe, unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten. Dass "vereinbarte" Änderungen ihrerseits der Ausübungs­kon­trolle unterliegen, gleicht diesen Umstand nicht aus. Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ist vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig.

Keine einseitige Anpas­sungs­be­fugnis der Bank

Auch Nr. 12 (5) der AGB der Beklagten hält einer Inhalts­kon­trolle nicht stand. Die Klausel betrifft Entgelte für Hauptleistungen. Damit benachteiligt die Klausel auch unter Berück­sich­tigung des Umstands, dass keine einseitige Anpas­sungs­be­fugnis der Beklagten besteht, sondern Änderungen des Vertrags­ver­hält­nisses nur im Wege eines - gegebenenfalls fingierten - Konsenses zustande kommen sollen, die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mittels Zustim­mungs­fiktion kann die vom Kunden geschuldete Hauptleistung geändert werden, ohne dass dafür Einschränkungen vorgesehen sind.

Keine Änderungen der Leistungen ohne Änderungs­vertrag

Die Beklagte erhält damit eine Handhabe, das Äquiva­lenz­ver­hältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertrags­partners zu entwerten. Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen ist, wie oben ausgeführt, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungs­vertrag notwendig. Eine Zustim­mungs­fiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung reicht hierfür unter Berück­sich­tigung der berechtigten Interessen des Verwen­dungs­gegners nicht aus.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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