18.10.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 22380

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Bundesgerichtshof Urteil22.03.2016

Aufklä­rungs­pflicht von Banken über anfänglichen negativen Marktwert eines SwapsBGH entscheidet erneut zu Beratungs­pflichten einer Bank bei Abschluss von Zinssatz-Swap-Verträgen mit Kommune in NRW

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich erneut mit den Pflichten von Banken zu beschäftigen, die eigene Zinssatz-Swap-Verträge empfehlen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rund 16.000 Einwohnern, und die Rechts­vor­gängerin der Beklagten, die WestLB (künftig einheitlich: Beklagte), vereinbarten unter anderem am 9. November 2006 einen "Kündbaren Zahler-Swap" mit einem Bezugsbetrag in Höhe von 3.779.573,89 Euro. Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung eines festen Zinses von 6,44 % p.a. Die Beklagte übernahm die Zahlung eines Zinses in Höhe des 3-Monats-Euribors. Weiter einigten sich die Parteien am 12. März 2008 auf einen "Digitalen Zinsumfeld-Swap". Danach schuldete die Klägerin zunächst einen festen und sodann einen Zins von entweder 2,25 % p.a. oder 6,95 % p.a., wobei die Zahlungspflicht davon abhing, ob eine "Digital­be­dingung" erfüllt war. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 3 % p.a. aus dem Bezugsbetrag von 3 Mio. Euro. Zugleich mit dem Abschluss des Zinssatz-Swap-Geschäfts einigten sich die Parteien darauf, einen anderen Swap-Vertrag aufzulösen, und preisten die aus diesem Vertrag resultierende negative Vertrags­po­sition der Klägerin in das neue Geschäft ein. Am 16. November 2009 schlossen die Parteien einen "CHF-Plus-Swap". Nach diesem Vertrag war die Beklagte zur Zahlung eines festen Zinses in Höhe von 3 % p.a. auf den Bezugsbetrag von 8 Mio. Euro verpflichtet. Die Klägerin schuldete einen variablen Zins, der ausgehend von einem EUR/CHF-Wechselkurs von 1,4350 an dessen weitere Entwicklung gekoppelt war. Unterschritt der Wechselkurs zu bestimmten Stichtagen diese Grenze, ergab sich ein Aufschlag auf den in jedem Fall zu zahlenden Zinssatz von 2,5 % p.a. Zeitgleich lösten die Parteien einen weiteren Swap-Vertrag ab. Dabei berück­sich­tigten sie den Umstand, dass die Klägerin der Beklagten aus dem abgelösten Swap-Vertrag zur Leistung einer Ausgleichs­zahlung verpflichtet gewesen wäre, bei der Gestaltung der Vertrags­po­si­tionen im Rahmen des "CHF-Plus-Swaps". Bei allen drei streit­ge­gen­ständ­lichen Zinssatz-Swap-Verträgen war der Marktwert bei Abschluss aus Sicht der Klägerin in Höhe von mindestens rund 2,9 % des jeweiligen Bezugsbetrags negativ. Jedenfalls über die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts unterrichtete die Beklagte die Klägerin nicht.

Verfahrensgang

Dem Antrag der Klägerin auf Zahlung und Feststellung hat das Landgericht teilweise, das Berufungs­gericht auf die Berufung der Klägerin (von einem geringen Teil der geltend gemachten Forderung abgesehen) in Gänze entsprochen. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungs­gericht zurückgewiesen. Auf die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben, soweit das Berufungs­gericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Beratende Bank muss über Einpreisen eines negativen Marktwerts in einen mit ihr selbst geschlossenen Zinssatz-Swap-Vertrag aufgrund eines schwerwiegenden Inter­es­sen­kon­flikts aufklären

Der Bundes­ge­richtshof hat dabei die Annahme des Berufungs­ge­richts bestätigt, dass zwischen den Parteien im Zuge des Abschlusses der Zinssatz-Swap-Verträge Kapita­l­an­la­ge­be­ra­tungs­verträge zustande gekommen sind. In Übereinstimmung mit seiner gefestigten Rechtsprechung hat der Bundes­ge­richtshof indessen nochmals bekräftigt, dass entgegen der Annahme des Berufungs­ge­richts die beratende Bank über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts in einen mit ihr selbst geschlossenen Zinssatz-Swap-Vertrag nicht unter dem Gesichtspunkt einer objektgerechten Beratung, sondern aufgrund eines schwerwiegenden Inter­es­sen­kon­flikts aufklären muss (vgl. BGH, Urteil v. 22.03.2011 - XI ZR 33/10 -, BGH, Urteil v. 20.01.2015 - XI ZR 316/13 - und BGH, Urteil v. 28.04.2015 - XI ZR 378/13 -). Er hat weiter dahin erkannt, dass das Berufungs­gericht Vorbringen der Beklagten nicht als unbeachtlich habe beiseitelassen dürfen, die für die Klägerin verantwortlich Handelnden hätten, was die Klage unbegründet gemacht hätte, in Kenntnis des Einpreisens eines anfänglichen negativen Marktwerts als solchem die Zinssatz-Swap-Verträge mit der Beklagten abgeschlossen, ohne an dessen konkreter Höhe interessiert zu sein.

Der Bundes­ge­richtshof hat mit seinem Urteil die Grundsätze aus seinem Urteil vom 28. April 2015 zur Verjährung wiederholt. Er hat außerdem zwei weitere für die Praxis relevante Fragen entschieden.

Zahlungs­pflichten der Bank muss sich mit gegenläufigen Zinsrisiken des Kunden decken

Zum einen hat er Ausführungen dazu gemacht, wann ein Zinssatz-Swap-Vertrag konnex auf einen Darle­hens­vertrag bezogen ist, so dass die beratende Bank ausnahmsweise nicht auf einen schwerwiegenden Inter­es­sen­konflikt hinweisen muss. Um konnex zu sein, muss der Zinssatz-Swap-Vertrag mit der Bank geschlossen werden, die zugleich Darle­hens­geberin des Kunden ist. Der Bezugsbetrag des Zinssatz-Swap-Vertrags muss der zur Rückzahlung ausstehenden Valuta eines bereits bestehenden oder zeitgleich abgeschlossenen Darle­hens­vertrags entsprechen oder darf ihn jedenfalls nicht übersteigen. Die Laufzeit des Zinssatz-Swap-Vertrags muss bei variabel verzinslichen Darlehen der des Darle­hens­vertrags und bei Festzins­da­rlehen der Laufzeit der Zinsbindung gleichstehen oder darf sie jedenfalls nicht überschreiten. Die Zahlungs­pflichten der Bank müssen sich mit dem vom Kunden in dem zugeordneten Darle­hens­vertrag übernommenen variablen oder festen Zins mindestens im Sinne einer partiellen Absicherung gegenläufiger Zinsrisiken decken. Die Bank muss jeweils zum gleichen Stichtag entweder den auf denselben Basiswert, etwa einen Referenz­zinssatz, bezogenen variablen Zinssatz des Kunden aus dem Darle­hens­vertrag im Tausch gegen einen festen Zins übernehmen oder dem Kunden den von ihm aus dem Darle­hens­vertrag geschuldeten Festzins gegen einen variablen Zins zahlen. Konnex sind mithin Zinssatz-Swap-Verträge, die wirtschaftlich betrachtet zumindest partiell entweder ein variabel verzinsliches Darlehen in ein synthetisches Festzins­da­rlehen oder ein Festzins­da­rlehen in ein synthetisch variabel verzinsliches Darlehen umwandeln.

BGH verneint Vorteils­aus­gleich bei Pflicht­ver­letzung der beratenden Bank

Zum anderen hat der Bundes­ge­richtshof Ausführungen zur Vorteils­aus­gleichung gemacht. Danach kann ein Vorteil anzurechnen sein, der daraus resultiert, dass der geschädigte Anleger aufgrund eines auf demselben Beratungsfehler beruhenden Willen­s­ent­schlusses zugleich mit dem und wegen des Abschlusses eines (neuen) Zinssatz-Swap-Vertrags, bei dem er nicht über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts unterrichtet worden ist, einen anderen ihm nachteiligen Swap-Vertrag ablöst. Dieser Vorteil, der dem negativen Marktwert des Altvertrags im Zeitpunkt seiner Auflösung entspricht, ist unter Wertungs­ge­sichts­punkten allerdings dann nicht anzurechnen, wenn der Anleger schon zum Abschluss des Altgeschäfts durch eine schuldhafte Pflicht­ver­letzung der beratenden Bank veranlasst worden ist, ohne dass es darauf ankäme, ob Ansprüche wegen der früheren Beratungs­pflicht­ver­letzung verjährt sind.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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