15.11.2024
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Dokument-Nr. 24225

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Bundesgerichtshof Urteil09.05.2017

Formularklausel zur Zahlungspflicht einer "Kontogebühr" bei Gewährung eines Bauspa­r­da­r­lehens unwirksamVerwaltung von Darle­hens­ver­trägen stellt keine gesondert vergü­tungs­fähige Leistung gegenüber dem Bausparer dar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine vorformulierte Bestimmung über eine bei Gewährung eines Bauspa­r­da­r­lehens vom Verbraucher in der Darlehensphase zu zahlende "Kontogebühr" unwirksam ist.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, ein Verbrau­cher­schutz­verband, wendet sich mit der Unter­las­sungsklage nach § 1 UKlaG gegen eine von der beklagten Bausparkasse in den von ihr abgeschlossenen Bauspa­r­ver­trägen verwendete Klausel sowie eine damit korre­spon­dierende Regelung in den Allgemeinen Bauspa­r­be­din­gungen (ABB) der Beklagten, die jeweils eine vom Bausparer in der Darlehensphase zu zahlende "Kontogebühr" in aktueller Höhe von 9,48 Euro jährlich vorsehen.

Die von der Beklagten vorformulierten Darle­hens­verträge enthalten unter anderem folgende Bestimmung:

Erläuterungen
"

I.1. Bauspardarlehen

[...]

b) Kosten des Bauspa­r­da­r­lehens

Über die Zinsen und die Tilgung hinaus fallen bei planmäßigem Verlauf des Bauspa­r­da­r­lehens folgende Kosten an:

Kontogebühr: derzeit je Konto 9,48 Euro jährlich (gemäß ABB)

[...]."

§ 17 Abs. 1 der ABB der Beklagten lautet:

"Die Bausparer bilden eine Zweck­ge­mein­schaft. Ihre Verträge bilden das Bauspa­r­kol­lektiv. Unter Berück­sich­tigung der Besonderheiten des kollektiven Bausparens berechnet die Bausparkasse für bauspar­tech­nische Verwaltung, Kollek­tiv­steuerung und Führung einer Zuteilungsmasse eine Kontogebühr.

[...]

Für ein Konto in der Darlehensphase beträgt die Kontogebühr 9,48 Euro. Die Darlehensphase beginnt mit der ersten (Teil-) Auszahlung des Bauspa­r­da­r­lehens."

Der Kläger ist der Ansicht, die beiden Klauseln über die "Kontogebühr" in I.1.b) der Darle­hens­verträge sowie in § 17 Abs. 1 der ABB verstießen gegen § 307 BGB* und nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden zu unterlassen.

Klauseln über Erhebung einer "Kontogebühr" stellen gerichtlicher Kontrolle unterliegende Preis­ne­be­n­abrede dar

Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Der Bundes­ge­richtshof gab ihr aufgrund der vom Oberlan­des­gericht zugelassenen Revision des Klägers statt. Die beiden - als einheitliche Regelung zu verstehenden - Klauseln über die Erhebung einer "Kontogebühr" in der Darlehensphase stellen eine gerichtlicher Kontrolle unterliegende sogenannte Preis­ne­be­n­abrede dar. In der Darlehensphase ist mit den Tätigkeiten der "bauspar­tech­nische[n] Verwaltung, Kollek­tiv­steuerung und Führung einer Zuteilungsmasse", für die die Beklagte die Kontogebühr auch in diesem Zeitraum erhebt, weder die Erfüllung einer Haupt­leis­tungs­pflicht der Beklagten noch eine rechtlich nicht geregelte Sonderleistung verbunden. Die vorgenannten Tätigkeiten erbringt die Bausparkasse nach Darle­hens­ge­währung nicht im Interesse des Darle­hens­nehmers. Dass sie nach Eintritt in die Darlehensphase Zahlungen des Kunden ordnungsgemäß verbucht, liegt ebenfalls ausschließlich in ihrem Interesse. Die bloße Verwaltung der Darle­hens­verträge nach Darle­hens­aus­reichung ist keine gesondert vergü­tungs­fähige Leistung gegenüber dem Bausparer, sondern eine rein inner­be­triebliche Leistung der Bausparkasse.

Regelungen über Kontogebühr benachteiligen Bausparkunden unangemessen

Der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle halten die beanstandeten Regelungen über die Kontogebühr in der Darlehensphase nicht stand. Sie weichen von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und benachteiligen die Bausparkunden der Beklagten unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB*. Die Klauseln sind mit dem - auch für Bauspa­r­da­r­le­hens­verträge geltenden - gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB** unvereinbar, weil die Berechnung der Kontogebühr in der Darlehensphase der Abgeltung von Aufwand für im Zusammenhang mit Bauspardarlehen stehende Verwal­tung­s­tä­tig­keiten der Beklagten dient und folglich Kosten auf deren Kunden abgewälzt werden, die für Tätigkeiten anfallen, die von der Beklagten überwiegend in eigenem Interesse erbracht werden - wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 08.11.2016 - XI ZR 552/15 -).

Abweichung vom gesetzlichen Leitbild sachlich nicht zu rechtfertigen

Hinreichende Gründe, die die Klauseln bei der gebotenen umfassenden Inter­es­se­n­ab­wägung dessen ungeachtet als angemessen erscheinen lassen, liegen nicht vor. Die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild ist insbesondere weder sachlich gerechtfertigt noch wird der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt. Die Kontogebühr in der Darlehensphase wird schließlich auch nicht durch bauspar­spe­zi­fische Indivi­du­a­l­vorteile der Bausparkunden ausgeglichen.

* § 307 BGB Inhalts­kon­trolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 488 Vertrags­ty­pische Pflichten beim Darle­hens­vertrag

(1) Durch den Darle­hens­vertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

[...]

Quelle: Bundesgerichthof/ra-online

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