15.11.2024
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Dokument-Nr. 14015

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Bundesgerichtshof Urteil21.08.2012

Bundes­ge­richtshof zu Ansprüchen wegen Verletzung von MPEG-2-Video­ko­die­rungs­pa­tentenIm MPEG-2-Standard kodierte DVD stellt kein sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehendes Mittel dar

Der Bundes­ge­richtshof hatte über Patent­rechts­ver­let­zungen, sowie Schadensersatz- und Unter­las­sungs­ansprüche in Zusammenhang mit abgelaufenen MPEG-2-Video­ko­die­rungs­pa­tenten zu entscheiden.

Die mit den Klagen geltend gemachten Patente im zugrunde liegenden Streitfall betreffen Verfahren und Vorrichtungen zur Kodierung, Übertragung, Speicherung und Dekodierung von Videosignalen, wie sie beim Herstellen und Abspielen von DVD nach dem internationalen MPEG-2-Standard Verwendung finden. Alle Kläger haben ihre Klagepatente in einen Patentpool eingebracht. Die Beklagte, ein großer, in Griechenland ansässiger DVD-Produzent, hat nicht den von der Poolge­sell­schaft angebotenen weltweiten Standard-Poolli­zenz­vertrag abgeschlossen. Die Einräumung von der Beklagten stattdessen begehrten national begrenzten Pool-Lizenzen wurde von der Poolge­sell­schaft abgelehnt.

Patent­ver­let­zungsklage in den Vorinstanzen erfolgreich

Da die Beklagte auch keine nationalen Einzel­li­zenz­verträge mit den jeweiligen Patentinhabern abgeschlossen hat, die Patentinhaber aber den Verdacht hatten, dass die Beklagte von den Klagepatenten in Deutschland gleichwohl Gebrauch machte, veranlassten die Klägerin und weitere Patentinhaber im Jahre 2007 von Deutschland aus eine gemeinsame Testbestellung bei der Beklagten. Hierzu übersandte eine Testbestellerin einen DVD-Master an die Beklagte, die daraus die gewünschten 500 DVD fertigte und an die Testbestellerin in Deutschland sandte. Daraufhin erhob die Klägerin Patent­ver­let­zungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, das Oberlan­des­gericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

BGH verneint Patent­ver­letzung durch Herstellung der DVDs

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof nunmehr die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte auf Schadensersatz und Auskunft über den Umfang patent­ver­let­zender Handlungen in Anspruch genommen wurde. Der Bundes­ge­richtshof hat mit dem Oberlan­des­gericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht, da mit der Klage die Verletzung eines in Deutschland geltenden Patents durch eine Lieferung in das Inland geltend gemacht wird. In der Sache hat er die von der Beklagten hergestellten DVD als Erzeugnisse angesehen, die im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG* unmittelbar durch das ein Kodie­rungs­ver­fahren betreffende patentgemäße Verfahren hervorgebracht worden sind. Unmittelbares Verfah­ren­s­er­zeugnis ist danach die durch das Kodie­rungs­ver­fahren erzeugte, im MPEG-2-Format komprimierte Videodatenfolge, deren Charakteristika bei der Übertragung auf das Masterband sowie die weiteren technischen Zwischenformen der DVD-Herstellung (Glass-Master, Stamper) und bei der Pressung der einzelnen DVD erhalten bleiben. Gleichwohl hat die Beklagte mit der Herstellung der DVD das Patent nicht verletzt, da der DVD-Master durch die (von der Klägerin als Testbestellung veranlasste) Lieferung an die Beklagte mit Zustimmung der Klägerin in den Verkehr gebracht worden und das Patentrecht insoweit erschöpft (verbraucht) worden ist. Gerade weil nämlich der DVD-Master wie jede einzelne auf dieser Basis hergestellte DVD ein und dasselbe unmittelbare Verfah­ren­s­er­zeugnis verkörpern, kann auch hinsichtlich der Erschöpfung nicht zwischen der Lieferung des Masterbandes (mit Zustimmung der Klägerin) und der (Rück-)Lieferung der DVD (ohne Zustimmung der Klägerin) unterschieden werden.

BGH verweist auf Möglichkeit drohender künftiger Klage­pa­tent­ver­let­zungen

Über den auf dieselbe Testbestellung gestützten Unterlassungsanspruch hatte der Bundes­ge­richtshof nicht mehr zu entscheiden, da das Klagepatent im vergangenen Jahr abgelaufen ist. Im Rahmen der Kosten­ent­scheidung hat der Senat jedoch berücksichtigt, dass die DVD-Lieferung der Beklagten wegen der Erschöpfung des Patentrechts zwar keinen Schaden­s­er­satz­an­spruch zur Folge hat, jedoch künftige Verletzungen des Klagepatents drohten. Da die Beklagte nicht wusste, dass die Bestellung von der Patentinhaberin veranlasst war, begründete die auftragsgemäße Lieferung die Gefahr, dass sie auch Bestellungen Dritter ausführte, auch wenn diese ebenso wenig wie die Testbestellerin nachwiesen, zur Benutzung des patentgemäßen Kodie­rungs­ver­fahrens berechtigt zu sein, und damit einen Unter­las­sungs­an­spruch nach § 139 Abs. 1 PatG*** unter dem Gesichtspunkt der Erstbe­ge­hungs­gefahr.

DVD trägt nicht zur Verwirklichung der Erfindung bei

Schließlich hat der Bundes­ge­richtshof entschieden, dass in der Lieferung der von der Beklagten gepressten DVD entgegen der Auffassung des Oberlan­des­ge­richts keine "mittelbare Verletzung" eines weiteren Anspruchs der Klagepatents lag, das auf ein Dekodie­rungs­ver­fahren gerichtet war, wie es in einem Wiedergabegerät ausgeführt wird, das nach dem MPEG-2-Standard kodierte Videodaten auslesen kann. Bei einer im MPEG-2-Standard kodierten DVD handelt es sich nämlich nicht um ein "Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht" im Sinne des § 10 PatG**. Die DVD trägt nicht, wie nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs erforderlich, zur Verwirklichung der Erfindung, d.h. in diesem Fall der Dekodierung der Videodaten, bei, sondern stellt nur den Gegenstand dar, an dem sich die Dekodierung vollzieht. Der Bundes­ge­richtshof konnte deshalb offenlassen, ob Ansprüche wegen mittelbarer Verletzung auch deshalb ausscheiden, weil § 10 PatG nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs einen Patent­ge­fähr­dung­s­tat­bestand enthält, der Handlungen verbietet, die - ohne selbst patent­ver­letzend zu sein - die Gefahr patent­ver­let­zender Handlungen durch patentgemäße Verwendung der "Mittel" begründen, und es im Streitfall zu einer unmittelbaren Patent­ver­letzung nur in dem fernliegenden Fall hätte kommen können, dass die DVD in einem nicht-lizenzierten Video­wie­der­ga­begerät abgespielt worden wäre.

§ 9 Patentgesetz

Erläuterungen
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1. [...]

2. [...]

3. Das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

§ 10 Patentgesetz

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

(2) […]

§ 139 Patentgesetz

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wieder­ho­lungs­gefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) […]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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