23.11.2024
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Dokument-Nr. 33514

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Bundesgerichtshof Urteil27.11.2023

BGH entscheidet über die Haftung des Herstellers des Basisfahrzeugs eines Wohnmobils in einem DieselverfahrenHaftung des Herstellers eines Wohnmobils wegen Verwendung der Thermofenster als unzulässige Abschalt­ein­richtung möglich

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen der italienische Hersteller des Basisfahrzeugs eines Wohnmobils nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV haftet.

Der Kläger kaufte im April 2018 in der Bundesrepublik Deutschland von einem Dritten ein neu hergestelltes Wohnmobil Fiat Ducato Sunlight A 68 für 52.300 €. Für die Finanzierung wandte er weitere 5.483,03 € auf. Herstellerin des Basisfahrzeugs des Wohnmobils ist die Beklagte. Der in das Wohnmobil eingebaute Dieselmotor der Baureihe 2,3-l-MultiJet II (96 kW) stammt von einem weiteren, nicht am Rechtsstreit beteiligten Hersteller. Die EG-Typgenehmigung für das Basisfahrzeug wurde der Beklagten in Italien nach Maßgabe der Abgasnorm Euro 6 erteilt. Die Emissionen des Motors werden unter Verwendung eines Thermofensters kontrolliert. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte vor Erwerb des Wohnmobils im Jahr 2016 ein Verfahren nach Art. 30 Abs. 3 Satz 1 der inzwischen außer Kraft getretenen Richtlinie 2007/46/EG eingeleitet. Die italienische Geneh­mi­gungs­behörde hatte im Jahr 2016 keinen Anlass für ein behördliches Einschreiten gesehen. Die in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Wohnmobils und auf Erstattung der Finan­zie­rungs­kosten gerichtete Klage hat vor dem Landgericht keinen Erfolg gehabt. Die Berufung des Klägers hat das Berufungs­gericht zurückgewiesen, weil der Kläger weder wegen seiner sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung noch nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Rom II), § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schadensersatz von der Beklagten verlangen könne. Mit der vom Bundes­ge­richtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungs­anträge weiter.

Anspruch auf Ersatz des Diffe­renz­schadens möglich

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass auf der Grundlage der vom Berufungs­gericht getroffenen Feststellungen ein Anspruch auf Ersatz des Diffe­renz­schadens in Betracht kommen könne. Denn das Berufungs­gericht hat unterstellt, dass es sich bei einem in dem Basisfahrzeug verbauten Thermofenster um eine unzulässige Abschalt­ein­richtung im Sinne des Unionsrechts handelt. Zugunsten des Klägers war damit auch im Revisi­ons­ver­fahren zu unterstellen, dass sich die Überein­stim­mungs­be­schei­nigung nicht im Einklang mit dem Unionsrecht befunden hat. Dass eine Tatbestands- oder Legali­sie­rungs­wirkung der EG-Typgenehmigung einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht entge­gen­ge­halten werden kann, hat der Bundes­ge­richtshof bereits am 26. Juni 2023 ausführlich begründet. Gleichfalls ohne Relevanz war die Reaktion der italienischen Typge­neh­mi­gungs­behörde auf das Ersuchen des Kraftfahrt-Bundesamts nach Art. 30 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2007/46/EG. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entscheidet über die Gewährung eines Schaden­s­er­satzes allein, ob in das (Basis-)Fahrzeug entgegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine unzulässige Abschalt­ein­richtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eingebaut ist. Der Eintritt eines Schadens kann auch nicht deshalb verneint werden, weil es bisher noch nicht zu Einschränkungen der Nutzbarkeit gekommen ist und weil die Typge­neh­mi­gungs­behörde Fahrzeuge des genehmigten Typs zwar auf eine Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 geprüft, aber bisher von einschränkenden Maßnahmen abgesehen hat. Denn mit Rücksicht auf den geldwerten Vorteil der jederzeitigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs genügt schon die rechtliche Möglichkeit einer Nutzungs­be­schränkung, die mit der Verwendung einer - hier unterstellt vorhandenen - unzulässigen Abschalt­ein­richtung gegeben ist.

Diffe­renz­schaden auch für Wohnmobile

Weiter ist ein Differenzschaden nicht deshalb auszuschließen, weil der Kläger nicht einen Pkw, sondern ein Wohnmobil erworben hat. Für den Diffe­renz­schaden kommt es nicht darauf an, welchen Zwecken die beabsichtigte Nutzung eines Kraftfahrzeugs als Fortbe­we­gungs­mittel im Straßenverkehr dienen soll. Eine Unterscheidung nach der Art der beabsichtigten Nutzung im Straßenverkehr hätte die Ausklammerung einer ganzen Gruppe von Fahrzeugtypen aufgrund abstrakter, mit ihrer Bauart zusam­men­hän­gender Erwägungen ohne Bezug insbesondere zu Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zur Folge. Das schränkte die von den Mitgliedstaaten zu gewährleistende Effektivität der Durchsetzung der Ziele des Unionsrechts unvertretbar ein. Dementsprechend hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 21. März 2023 zwar hinsichtlich des Schaden­s­er­satzes auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten verwiesen. Er hat aber weder hinsichtlich der Pflicht­ver­letzung durch die Ausstellung einer unzutreffenden Überein­stim­mungs­be­schei­nigung noch im Zusammenhang mit in Betracht kommenden Schaden­s­po­si­tionen Ausnahmen für ganze Fahrzeuggruppen je nach dem Zweck der beabsichtigten Nutzung erwogen. Auf der Grundlage der vom Berufungs­gericht getroffenen Feststellungen war schließlich ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten nicht zu verneinen. Insbesondere konnte sich die Beklagte nicht damit entlasten, sie sei nicht zugleich Herstellerin des in dem Basisfahrzeug verbauten Motors. Einem Fahrzeug­her­steller, der für die Konstruktion des von ihm hergestellten Fahrzeugs Motoren fremder Hersteller verwendet, obliegen nach dem anwendbaren deutschen Sachrecht auch insoweit die Sorgfalts­pflichten eines Herstellers. Da die Sache auch nicht umgekehrt zugunsten des Klägers zur Endentscheidung reif war, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurück­zu­ver­weisen, das nach Maßgabe der neueren höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung Feststellungen zum Bestehen eines Diffe­renz­schadens nachzuholen haben wird.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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