18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 19301

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Urteil10.12.2014BundesgerichtshofVIII ZR 9/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2015, 114Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2015, Seite: 114
  • MDR 2015, 143Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 143
  • NJW-RR 2015, 457Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2015, Seite: 457
  • WuM 2015, 94Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2015, Seite: 94
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Frankfurt an der Oder, Urteil07.06.2013, 2.2 C 215/13
  • Landgericht Frankfurt (Oder), Urteil17.12.2013, 16 S 138/13
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil10.12.2014

Mieter muss Warmwas­ser­kosten bei hohem Leerstand mittragenAuch bei hohem Leerstand sind Kosten zu 50 % nach Verbrauch und übrige Kosten nach Wohn- oder Nutzfläche aufzuteilen

Der Bundes­ge­richtshof hatte darüber zu entscheiden, ob ein Vermieter die Warmwas­ser­kosten im Falle eines hohen Wohnungs­leer­stands in einem Mehrfa­mi­li­enhaus aufgeteilt auf 50 % nach Wohnflä­che­n­an­teilen und 50 % nach dem Verbrauch auf die Mieter umlegen darf.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls, eine Wohnungs­bau­ge­n­os­sen­schaft, hatte der Beklagten eine Wohnung in einem 28-Familien-Haus in Frankfurt (Oder) vermietet. Da das Haus im Rahmen der Stadtplanung abgerissen werden sollte, waren Ende 2011 nur noch wenige Wohnungen belegt. Der erhebliche Wohnungsleerstand hatte zur Folge, dass die für eine große Leistung und viele Wohnungen ausgelegte Heizungs- und Warmwas­ser­anlage gemessen an dem geringen Verbrauch der wenigen verbliebenen Mieter nicht mehr kostengünstig arbeitete.

Vermieter legt angefallene Warmwas­ser­kosten aufgeteilt auf Wohnflä­che­n­anteil und Verbrauch um

Die Klägerin legte von den im Abrechnungsjahr 2011 angefallenen Warmwas­ser­kosten (7.848,61 Euro) 50 % nach Wohnflä­che­n­an­teilen um, 50 % der Kosten berechnete sie nach dem Verbrauch. Von dem Gesamtverbrauch im Gebäude (78,220 m³) entfielen 23,820 m³ auf die Beklagte. Daraus errechnete die Klägerin einen Verbrauchs­kos­te­n­anteil von 1.195,06 Euro (3.924,31 Euro : 78,22 m³ x 23,82 m³). Hiervon stellte sie der Beklagten "aus Kulanz" allerdings lediglich die Hälfte (597,53 Euro) in Rechnung. Die Beklagte weigerte sich, Nachzahlungen zu erbringen, da die Klägerin die Warmwas­ser­kosten aufgrund des hohen Leerstandes im Haus nicht nach Verbrauch, sondern ausschließlich nach der Wohnfläche habe umlegen dürfen.

Klage auf Zahlung der Betrie­bs­kos­ten­nach­for­derung überwiegend erfolgreich

Die auf Zahlung der Betrie­bs­kos­ten­nach­for­derung gerichtete Klage hatte in erster Instanz überwiegend Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Auch bei hohen Leerständen sind Kosten zu mindestens 50 % nach Verbrauch umzulegen

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass die von der Klägerin vorgenommene Berechnung auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 HeizkostenV* aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Auch bei hohen Leerständen bleibt es grundsätzlich bei der gesetzlich vorgegebenen Abrechnung, wonach die Kosten zu mindestens 50 % nach Verbrauch umzulegen sind. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts kommt eine analoge Anwendung von § 9 a HeizkostenV** nicht in Betracht, denn die in § 9 a HeizkostenV geregelten Fälle, in denen aus zwingenden technischen Gründen eine Verbrauch­s­er­fassung nicht möglich ist, sind mit dem hier in Rede stehenden Fall einer jetzt unwirt­schaftlich arbeitenden Heizungsanlage nicht vergleichbar.

Vermieter hat bereits den für die Mieter günstigsten Maßstab gewählt und zudem lediglich die Hälfte des angefallenen Betrags geltend macht

Allerdings kann die strikte Anwendung der Vorgaben der HeizkostenV bei hohen Leerständen in Einzelfällen zu derartigen Verwerfungen führen, dass eine angemessene und als gerecht empfundene Kosten­ver­teilung nicht mehr gegeben ist. Diesen Fällen kann mit einer aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden Anspruchs­be­grenzung Rechnung getragen werden. Ob eine solche Anspruchs­kürzung geboten ist, um die beiderseitigen Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, obliegt grundsätzlich der Beurteilung des Tatrichters. Im vorliegenden Fall konnte der Senat die Beurteilung selbst vornehmen, da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen waren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in Anwendung von § 8 Abs. 1 HeizkostenV bereits den für die Beklagte günstigsten Maßstab (50 %) gewählt hat und von dem sich so ergebenden Betrag lediglich die Hälfte geltend macht, so dass sich für die knapp 50 qm große Wohnung der Beklagten für Heizung und Warmwasser ein zwar hoher, aber nicht völlig untragbar erscheinender Betrag von rund 1.450 Euro ergibt.

Vermieter muss ebenfalls Mehrkosten angesichts des Leerstandes und der dadurch unwirt­schaft­lichen Heizungsanlage hinnehmen

Auf der anderen Seite hat auch die Klägerin - ohne für die leerstehenden Wohnungen Mieteinnahmen zu erhalten - schon über den Wohnflä­che­n­anteil - beträchtliche Kosten zu tragen und muss es insoweit ihrerseits ebenfalls hinnehmen, dass die angesichts des Leerstandes unwirt­schaftliche Heizungsanlage erhebliche Mehrkosten verursacht. Insgesamt erscheint es daher nicht unangemessen, dass auch die Mieter einen nicht ganz unerheblichen Teil der leerstands­be­dingten Mehrkosten zu tragen haben. Eine weitere Anspruchs­kürzung über den von der Klägerin bereits freiwillig abgezogenen Betrag hinaus ist deshalb auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht geboten.

* § 8 Heizkos­ten­ver­ordnung: Verteilung der Kosten der Versorgung mit Warmwasser

Erläuterungen
(1) Von den Kosten des Betriebs der zentralen Warmwas­ser­ver­sor­gungs­anlage sind mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert nach dem erfassten Warmwas­ser­ver­brauch, die übrigen Kosten nach der Wohn- oder Nutzfläche zu verteilen.

** § 9 a Heizkos­ten­ver­ordnung: Kosten­ver­teilung in Sonderfällen

(1) Kann der anteilige Wärme- oder Warmwas­ser­ver­brauch von Nutzern für einen Abrech­nungs­zeitraum wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden, ist er vom Gebäu­de­ei­gentümer auf der Grundlage des Verbrauchs der betroffenen Räume in vergleichbaren Zeiträumen oder des Verbrauchs vergleichbarer anderer Räume im jeweiligen Abrech­nungs­zeitraum oder des Durch­schnitts­ver­brauchs des Gebäudes oder der Nutzergruppe zu ermitteln. Der so ermittelte anteilige Verbrauch ist bei der Kosten­ver­teilung anstelle des erfassten Verbrauchs zu Grunde zu legen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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