21.11.2024
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Urteil22.11.2017BundesgerichtshofVIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16
Vorinstanz:
  • Vorinstanzen zu VIII ZR 83/16: Amtsgericht Essen - Urteil vom 6. Oktober 2015 - 134 C 53/15 Landgericht Essen - Urteil vom 10. März 2016 - 10 S 246/15 Vorinstanzen zu VIII ZR 213/16: Amtsgericht Merzig - Urteil vom 17. Dezember 2015 - 24 C 1358/11 Landgericht Saarbrücken - Urteil vom 31. August 2016 - 5 S 6/16
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil22.11.2017

Verkäufer kann nach erfolgreichem Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz dennoch erneut Kaufpreis­zahlung verlangenPayPal-Käufer­schutz­richtlinie berührt laut AGB nicht gesetzliche und vertragliche Rechte zwischen Käufer und Verkäufer

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich erstmals mit den Auswirkungen einer Rückerstattung des vom Käufer mittels PayPal gezahlten Kaufpreises aufgrund eines Antrags auf PayPal-Käuferschutz zu befassen.

Der Online-Zahlungsdienst PayPal bietet an, Bezahlvorgänge bei Inter­net­ge­schäften dergestalt abzuwickeln, dass private und gewerblich tätige Personen Zahlungen über virtuelle Konten mittels E-Geld leisten können. Dabei stellt PayPal seinen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen ein in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen (namentlich der sogenannten PayPal-Käufer­schutz­richtlinie) geregeltes Verfahren für Fälle zur Verfügung, in denen der Käufer den bestellten Kaufgegenstand nicht erhalten hat oder dieser erheblich von der Artikel­be­schreibung abweicht. Hat ein Antrag des Käufers auf Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käufer­schutz­richtlinie Erfolg, bucht PayPal dem Käufer den gezahlten Kaufpreis unter Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers zurück.

In beiden verhandelten Revisi­ons­ver­fahren ging es maßgeblich um die Frage, ob der Verkäufer nach der Rückbuchung des Kaufpreises erneut berechtigt ist, den Käufer auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.

PayPal bucht Kaufpreis­zahlung nach nicht erhaltener Ware zurück auf Konto des Käufers

Im Verfahren VIII ZR 83/16 kaufte die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vom Kläger auf der Internet-Plattform eBay ein Mobiltelefon zu einem Preis von rund 600 Euro, den sie über den Online-Zahlungsdienst PayPal entrichtete. Nachdem der Kaufpreis auf dem PayPal-Konto des Klägers eingegangen war, versandte dieser das Mobiltelefon in einem (verein­ba­rungsgemäß unversicherten) Päckchen an die Beklagte zu 1. Diese teilte dem Kläger anschließend mit, das Mobiltelefon nicht erhalten zu haben. Ein Nachfor­schungs­auftrag des Klägers beim Versand­dienst­leister blieb erfolglos. Daraufhin beantragte die Beklagte zu 1 Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käufer­schutz­richtlinie. Nachdem der Kläger auf Aufforderung von PayPal keinen Nachweis über den Versand des Mobiltelefons vorgelegt hatte, buchte PayPal den Kaufpreis vom PayPal-Konto des Klägers auf das PayPal-Konto der Beklagten zu 1 zurück. Die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage des Klägers war in zweiter Instanz erfolgreich. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision wollte die Beklagte zu 1 die Abweisung der Kaufpreisklage erreichen.

PayPal bucht Kaufpreis­zahlung wegen erheblicher Abweichung der Ware von Artikel­be­schreibung auf Konto des Käufers

Im Verfahren VIII ZR 213/16 erwarb der Beklagte von der Klägerin über deren Online-Shop eine Metallbandsäge und bezahlte den Kaufpreis von knapp 500 Euro ebenfalls über den Online-Zahlungsdienst PayPal. Der Beklagte beantragte Käuferschutz mit der Begründung, die von der Klägerin gelieferte Säge entspreche nicht den von ihr im Internet gezeigten Fotos. Nach entsprechender Aufforderung von PayPal legte der Beklagte ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten vor, wonach die Säge - was die Klägerin bestreitet - von "sehr mangelhafter Qualität" und "offensichtlich ein billiger Import aus Fernost" sei. Daraufhin forderte PayPal den Beklagten auf, die Metallbandsäge zu vernichten, und buchte ihm hiernach den Kaufpreis unter Belastung des Verkäuferkontos zurück. In diesem Fall blieb die auf Kaufpreis­zahlung gerichtete Klage in beiden Instanzen erfolglos. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Zahlungs­be­gehren weiter.

Kaufpreis­for­derung wird nach Rückbelastung des PayPal-Kontos des Verkäufers nach erfolgreichem Antrag auf Käuferschutz wiederbegründet

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass der Anspruch eines Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises zwar erlischt, wenn der vom Käufer entrichtete Kaufpreis verein­ba­rungsgemäß dem PayPal-Konto des Verkäufers gutgeschrieben wird. Jedoch treffen die Kaufver­trags­parteien mit der einver­ständ­lichen Verwendung des Bezahlsystems PayPal gleichzeitig stillschweigend die weitere Vereinbarung, dass die betreffende Kaufpreis­for­derung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz rückbelastet wird.

Grundsätzlich erlischt Kaufpreis­an­spruch des Verkäufers nach Gutschrift des Betrag auf PayPal-Konto

Die Vereinbarung, zur Tilgung einer Kaufpreisschuld den Online-Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, wird von den Vertrags­parteien in der Regel als Nebenabrede mit Abschluss des Kaufvertrags getroffen. In diesem Fall ist die vom Käufer geschuldete Leistung bewirkt und somit erlischt der Kaufpreis­an­spruch des Verkäufers, wenn der betreffende Betrag dessen PayPal-Konto vorbehaltlos gutgeschrieben wird. Denn ab diesem Zeitpunkt kann der Verkäufer frei über das Guthaben verfügen, indem er es etwa auf sein bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lässt oder seinerseits für Zahlungen mittels PayPal verwendet.

Verkäufer steht nach erfolgreichem Antrag des Käufers auf Käuferschutz erneuter Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu

Dennoch steht dem Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz (erneut) ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu. Denn mit der Nebenabrede, den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, vereinbaren die Vertrags­parteien gleichzeitig stillschweigend, dass die (mittels PayPal) getilgte Kaufpreis­for­derung wiederbegründet wird, wenn - wie in den vorliegenden Fällen geschehen - das PayPal-Konto des Verkäufers nach Maßgabe der PayPal-Käufer­schutz­richtlinie rückbelastet wird.

Auch Verkäufer muss nach erfolgreichem Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneuter Anspruchs auf Zahlung des Kaufpreises zustehen

Dies ergibt sich aus einer nach beiden Seiten hin inter­es­sen­ge­rechten Vertrags­aus­legung unter Berück­sich­tigung der zwischen PayPal und den Nutzern des Zahlungs­dienstes jeweils vereinbarten Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, insbesondere der sogenannten PayPal-Käufer­schutz­richtlinie. Diese hebt unter anderem ausdrücklich hervor, dass PayPal "lediglich" über Anträge auf Käuferschutz entscheidet. In der im Verfahren VIII ZR 83/16 verwendeten (neueren) Fassung der PayPal-Käufer­schutz­richtlinie heißt es zudem, diese berühre "die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht" und sei "separat von diesen zu betrachten". Namentlich mit Rücksicht auf diese Bestimmungen besteht kein Zweifel, dass es dem Käufer unbenommen sein soll, anstelle eines Antrags auf Käuferschutz oder auch nach einem erfolglosen Antrag die staatlichen Gerichte in Anspruch zu nehmen, um etwa im Fall einer vom Verkäufer gar nicht oder nicht wie geschuldet erbrachten Leistung Rückgewähr des vorgeleisteten Kaufpreises zu verlangen. Vor diesem Hintergrund ist es allein inter­es­sen­gerecht, dass umgekehrt auch der Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut - im Wege der Wieder­be­gründung seines Anspruchs auf Zahlung des Kaufpreises - berechtigt sein muss, auf die Kaufpreis­for­derung zurückzugreifen und zu ihrer Durchsetzung gegebenenfalls die staatlichen Gerichte anzurufen.

Die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Wieder­be­gründung der Kaufpreis­for­derung ist auch deshalb geboten, weil PayPal nur einen vereinfachten Prüfungsmaßstab anlegt, der eine sachgerechte Berück­sich­tigung der Interessen beider Vertrags­parteien - anders als das gesetzliche Mängel­ge­währ­leis­tungsrecht - nicht sicherzustellen vermag. Gleichwohl ist ein erfolgreicher Antrag auf PayPal-Käuferschutz für den Käufer von Vorteil, weil er danach den (vorgeleisteten) Kaufpreis zurückerhält, ohne den Verkäufer auf Rückzahlung - gegebenenfalls im Klageweg - in Anspruch nehmen zu müssen.

Verkäufer hat nach unstreitig erfolgtem Versand der Ware und zufälligem Verlust auf Versandweg Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Bundes­ge­richtshof die Revision der Beklagten im Verfahren VIII ZR 83/16 zurückgewiesen, da das Berufungs­gericht hier im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass dem Kläger nach Rückbelastung seines PayPal-Kontos in Folge des Antrags auf PayPal-Käuferschutz erneut ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zustehe. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagten das Mobiltelefon nach ihrer Behauptung nicht erhalten haben, denn mit der unstreitig erfolgten Versendung desselben ging die Gefahr des zufälligen Verlustes auf dem Versandweg - anders als es bei einem hier nicht vorliegenden Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher von einem Unternehmer (Verbrauchs­gü­terkauf) der Fall wäre - auf die Beklagte zu 1 über.

Landgericht muss mögliche gesetzliche Mängel­ge­währ­leis­tungs­rechte klären

Im Verfahren VIII ZR 213/16 hatte die Revision demgegenüber Erfolg, weil das Berufungs­gericht trotz der Rückbuchung aufgrund des Antrags auf PayPal-Käuferschutz den Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreis­zahlung verneint hatte. Der Bundes­ge­richtshof hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, damit es Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob und inwieweit sich der Beklagte gegenüber dem wieder­be­gründeten Kaufpreis­an­spruch der Klägerin auf gesetzliche Mängel­ge­währ­leis­tungs­rechte berufen kann.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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