Bundesgerichtshof Urteil28.04.2021
BGH: Unzumutbarkeit eines Umzugs aufgrund Erkrankung muss im Bestreitenfall durch Sachverständigengutachten geklärt werdenGutachten über Art, Umfang und konkrete Auswirkungen der Erkrankung auf Lebensführung des Mieters
Beruft sich ein Wohnungsmieter nach einer Eigenbedarfskündigung auf die Unzumutbarkeit des Umzugs wegen einer Erkrankung, erfordert dies im Bestreitenfall die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Vorlage von Attesten durch den Mieter genügt nicht. Das Gutachten muss die Art, den Umfang und die Auswirkungen der Erkrankung auf die Lebensführung des Mieters klären. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein etwa 67-jähriger Mieter einer Wohnung in Berlin erhielt im Jahr 2016 eine Eigenbedarfskündigung. Der Vermieter beanspruchte die Wohnung für seine Tochter. Nachfolgend kam es zu einem Räumungsrechtsstreits vor dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, in dem unter anderem Streit darüber bestand, ob sich der Mieter wegen seines Krankheitszustands auf die Unzumutbarkeit des Umzugs berufen kann. Um seinen Härteeinwand zu untermauern, legte der Mieter zwei Atteste vor, welche im Falle des Auszugs die ernsthafte Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung beim Mieter sahen. Der Vermieter bestritt dies und verlangte zur Klärung des Gesundheitszustandes des Mieters ein Sachverständigengutachten.
Amtsgericht und Landgericht wiesen Räumungsklage ab
Sowohl das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg als auch das Landgericht Berlin folgten den Einschätzungen der ärztlichen Atteste und wiesen daher die Räumungsklage des Vermieters ab. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens hielten beide Gericht für nicht erforderlich. Der Vermieter legte gegen die Entscheidung des Landgerichts Revision ein.
Bundesgerichtshof bejaht Erfordernis eines Sachverständigengutachtens
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Vermieters. Das Landgericht hätte seine Entscheidung nicht allein auf Grundlage der vom Mieter vorgelegten Atteste treffen dürfen. Denn dem Gericht fehle insofern die eigene Sachkunde. Zudem habe die Vermieter die Einschätzung der Atteste bestritten. Es hätte daher der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Art, zum Umfang und zu den konkreten Auswirkungen der vom Mieter behaupteten Erkrankung auf dessen Lebensführung im Allgemeinen und im Falle des Verlustes der vertrauten Umgebung bedurft.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.10.2021
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)