21.11.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 18464

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Urteil09.07.2014BundesgerichtshofVIII ZR 376/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2014, 1017Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 1017
  • WuM 2014, 539Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2014, Seite: 539
  • ZMR 2014, 871Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (ZMR), Jahrgang: 2014, Seite: 871
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Berlin, Urteil30.11.2012, 12 O 268/12
  • Kammergericht Berlin, Urteil12.08.2013, 8 U 3/13
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.07.2014

BGH zur rechtlichen Beurteilung eines Misch­miet­ver­hältnissesBestreiten des Lebens­un­terhalts durch freiberufliche oder gewerbliche Nutzung stellt kein sachgerechtes Kriterium für Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks dar

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, welchen Vorschriften ein Mietverhältnis unterliegt, das sowohl eine Wohnnutzung als auch eine freiberufliche Nutzung umfasst (so genanntes Misch­miet­ver­hältnis). Der Gerichtshof verwies in seiner Entscheidung darauf, dass das Bestreiten des Lebens­un­terhalts durch eine freiberufliche oder gewerbliche Nutzung allein kein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks darstellt.

Die Beklagten des zugrunde liegenden Streitfalls sind Mieter, die Kläger Vermieter eines mehrstöckigen Hauses in Berlin. In dem schriftlichen Mietvertrag vom 20. November 2006 wurde den Mietern gestattet, die Räume im Erdgeschoss als Hypnosepraxis zu nutzen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 kündigten die Kläger das Mietverhältnis ohne Angaben von Kündi­gungs­gründen zum 30. September 2012. Nachdem die Beklagten der Kündigung widersprochen hatten, erhoben die Kläger Räumungsklage beim Landgericht Berlin. Das Landgericht hat das Mietverhältnis als Wohnraummiete eingeordnet und die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.

Kammergericht: Freiberufliche Nutzung war vorherrschender Vertragszweck

Auf die Berufung der Kläger hat das Kammergericht die Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Hauses verurteilt. Es hat das Mietverhältnis als Gewer­be­raum­miet­ver­hältnis eingestuft und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Misch­miet­ver­hältnis, wie es hier gegeben sei, unterliege insgesamt entweder dem Wohnraum- oder dem Gewer­be­raum­mietrecht, je nachdem, welcher Vertragszweck nach dem Parteiwillen bei Vertragsschluss überwiege. Ausschlaggebend sei, dass die Beklagten in einem Teil der Mieträume mit dem Betrieb der Hypnosepraxis ihren Lebensunterhalt bestritten. Dies mache die freiberufliche Nutzung zum vorherrschenden Vertragszweck. Dem stehe auch nicht die Verteilung der Flächen auf die verschiedenen Nutzungszwecke entgegen. Denn die für die gewerbliche Nutzung und die für die Wohnnutzung vorgesehenen Flächen seien gleich groß. Da die gewerbliche Nutzung den Schwerpunkt des Mietver­hält­nisses bilde, sei - anders als bei der Wohnraummiete - für eine Kündigung des Mietver­hält­nisses kein berechtigtes Interesse erforderlich.

Auch BGH bejaht Vorliegen eines Misch­miet­ver­hält­nisses

Die vom Bundes­ge­richtshof zugelassene Revision hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass das Berufungs­gericht zwar zutreffend von einem Misch­miet­ver­hältnis, also einem einheitlichen Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume, ausgegangen ist, dessen Beurteilung sich wegen der von den Parteien gewollten Einheitlichkeit entweder nach den Bestimmungen der Wohnraummiete oder nach den Vorschriften der Geschäfts­raummiete richtet. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungs­gericht für die rechtliche Einordnung des Mietver­hält­nisses auf den überwiegenden Vertragszweck bei Vertrags­ab­schluss abgestellt.

Schaffung einer Erwer­bs­grundlage hat bei Misch­miet­ver­hältnis nicht zwingend Vorrang vor der Wohnnutzung

Dagegen hat der Bundes­ge­richtshof beanstandet, dass das Berufungs­gericht den vorherrschenden Vertragszweck allein deswegen in der Nutzung zu freiberuflichen Zwecken gesehen hat, weil die Mieter in den angemieteten Räumen eine Hypnosepraxis betreiben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Das Bestreiten des Lebens­un­terhalts durch eine freiberufliche oder gewerbliche Nutzung stellt kein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks dar. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, dass bei einem Misch­miet­ver­hältnis die Schaffung einer Erwer­bs­grundlage Vorrang vor der Wohnnutzung hat. Dass das Wohnen als wesentlicher Aspekt des täglichen Lebens generell hinter der Erwer­b­s­tä­tigkeit des Mieters zurücktreten soll, lässt sich weder mit der Bedeutung der Wohnung als - grundrechtlich geschütztem - Ort der Verwirklichung privater Lebens­vor­stel­lungen, noch mit dem Stellenwert, dem das Wohnen in der heutigen Gesellschaft zukommt, in Einklang bringen.

Bei nicht feststellbarer überwiegender gewerblicher Nutzung sind vorrangig die für Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden

Bei der gebotenen Einzel­fa­ll­prüfung sind vielmehr alle ausle­gungs­re­le­vanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei etwa der Verwendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten zugeschnittenen Vertrags­for­mulars, dem Verhältnis der für die jeweilige Nutzungsart vorgesehen Flächen und der Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Nutzungsanteile Indizwirkung zukommen kann. Lässt sich ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sind vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden. Andernfalls würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonder­re­ge­lungen unterlaufen.

BGH geht im vorliegenden Fall von Wohnraum­miet­ver­hältnis aus

Da die Auslegung des Berufungs­ge­richts rechts­feh­lerhaft war und weitere Feststellungen nicht zu erwarten waren, hat der Bundes­ge­richtshof die gebotene Vertrags­aus­legung selbst vorgenommen und entschieden, dass vorliegend unter anderem wegen des auf die Wohnraummiete zugeschnittenen Mietver­trags­for­mulars, der für Gewer­be­raum­miet­ver­hältnisse untypischen unbestimmten Vertrags­laufzeit sowie wegen der Vereinbarung einer einheitlichen Miete ohne Umsatz­steu­er­ausweis von einem Wohnraum­miet­ver­hältnis auszugehen ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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