23.11.2024
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Urteil18.07.2012BundesgerichtshofVIII ZR 337/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2012, 1275Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 1275
  • NJW 2013, 291Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 291
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil24.11.2010, 2 - 2 O 21/10
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil17.10.2011, 1 U 33/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil18.07.2012

BGH zur Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäfts­bedingungen in Stromlieferungs­verträgen

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Wirksamkeit von Klauseln in Stromlieferungs­verträgen zu entscheiden und erklärte dabei Klauseln zum Zustandekommen eines Vertrages sowie eine Schadensersatz­klausel für wirksam. Klauseln über Zutrittsrechte des Strom­lie­fe­ranten, zu Abrechnungs­modalitäten bei Zahlungsverzug sowie zu vorformulierten Einwilligungs­erklärungen zum Erhalt von Telefonwerbung erklärte der Gerichtshof dagegen wegen unangemessener Benachteiligung und Verstoßes gegen das Trans­pa­renzgebot für unzulässig.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, ein Verbrau­cher­schutz-Dachverband, verlangt von der Beklagten, einem Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen, es zu unterlassen, bestimmte Klauseln in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Beklagten für Strom­ver­sor­gungs­verträge mit Endverbrauchern zu verwenden. Er hält die nachfolgend fett gedruckten Bestimmungen für unwirksam.

"3.1

Der Stromlieferungsvertrag kommt zustande, sobald [die Beklagte] Ihnen dies bestätigt und den Beginn der Belieferung mitteilt, spätestens mit Aufnahme der Belieferung durch [die Beklagte]. Voraussetzung für das Zustandekommen des Strom­lie­fe­rungs­vertrags und den Beginn der Belieferung ist, dass [die Beklagte] die Bestätigung der Kündigung des bisherigen Strom­lie­fe­rungs­vertrags von Ihrem Vorlieferanten sowie die Bestätigung des Netznut­zungs­beginns des Netzbetreibers vorliegen hat.

3.2

Bei Beauftragung bis zum 20. eines Monats erfolgt der Lieferbeginn in der Regel am 1. des übernächsten Monats, soweit die verbindlichen Regelungen zum Liefe­ran­ten­wechsel dies zulassen. Sollte Ihr bisheriger Strom­lie­fe­rungs­vertrag eine längere Kündigungsfrist beinhalten, aufgrund derer die Aufnahme des Liefe­rungs­beginns durch [die Beklagte] im vorgenannten Zeitraum nicht möglich ist, wird Ihr Strom­lie­fe­rungs­vertrag mit [der Beklagten] sowie der Belie­fe­rungs­beginn zu dem auf die Beendigung Ihres bisherigen Strom­lie­fe­rungs­vertrags folgenden Tag wirksam.

5.2

Werden die Einrichtungen von Ihnen trotz Aufforderung durch [die Beklagte] nicht abgelesen, kann [die Beklagte] auf Ihre Kosten die Ablesung selbst vornehmen, einen Dritten mit der Ablesung beauftragen, den Verbrauch schätzen oder für Zwecke der Abrechnung die Ablesedaten verwenden, die [die Beklagte] vom Netzbetreiber oder von dem die Messung durchführenden Dritten erhalten hat. Zu diesem Zweck müssen Sie [der Beklagten] oder dem Beauftragten den Zutritt zu Ihren Räumen gestatten.

6.4

Fordert [die Beklagte] Sie bei Zahlungsverzug erneut zur Zahlung auf oder lässt den Betrag durch einen Beauftragten einziehen, kann [die Beklagte] Ihnen die dadurch entstehenden Kosten pauschal berechnen. Die Höhe der Pauschale richtet sich nach den ergänzenden Bedingungen.

9.2

Bei fahrlässig verursachten Sach- und Vermö­gens­schäden haften [die Beklagte] und [ihre] Erfül­lungs­ge­hilfen nur bei der Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht, jedoch der Höhe nach beschränkt auf die bei Vertragsschluss vorhersehbaren und vertrags­ty­pischen Schäden; wesentliche Vertrags­pflichten sind solche, deren Erfüllung den Vertrag prägt und auf die der Kunde vertrauen darf."

Darüber hinaus hält der Kläger auch die folgende Klausel in dem von der Beklagten verwendeten Auftrags­formular zur Stromlieferung für unwirksam:

"Ich bin einverstanden, dass mich [die Beklagte] auch telefonisch zu [ihren] Produkten und Dienst­leis­tungen sowie weiteren Angeboten, die im Zusammenhang mit Energie (Strom, Gas) stehen, informieren und beraten kann."

Das Landgericht hat der Unter­las­sungsklage stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

BGH erklärt Klauseln in Ziffer 3.1 und 9.2 für wirksam

Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte hinsichtlich der Klausel in Ziffer 3.1 zum Zustandekommen des Vertrages und der Schaden­s­er­satz­klausel in Ziffer 9.2 Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass diese Klauseln wirksam sind.

Klausel konkretisiert lediglich Zeitpunkt einer Vertragsannahme

Die Klausel in Ziffer 3.1 Satz 1 verstößt nicht gegen § 308 Nr. 1 BGB*** (Klauselverbot mit Wertungs­mög­lichkeit). Soweit sie bestimmt, dass der Strom­lie­fe­rungs­vertrag zustande kommt, sobald die Beklagte das Zustandekommen des Vertrages bestätigt und den Beginn der Belieferung mitteilt, ergibt die gebotene Zusammenschau mit den in den Ziffern 3.1 und 3.2 der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen getroffenen weiteren Regelungen, dass die Klausel nur konkretisiert, zu welchem Zeitpunkt der Kunde gemäß § 147 Abs. 2 BGB* den Eingang einer Vertragsannahme der Beklagten unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Soweit in der Klausel außerdem bestimmt ist, dass der Vertrag spätestens mit Aufnahme der Belieferung durch die Beklagte zustande kommt, ist darin nur ein Hinweis auf die bei Versor­gungs­ver­trägen bestehenden Gepflogenheiten des Vertrags­schlusses zu sehen, wie sie in § 2 Abs. 2 StromGVV, § 2 Abs. 2 GasGVV, § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV und § 2 Abs. 2 AVBWasserV zum Ausdruck kommen.*****

Anforderungen an Trans­pa­renzgebot in Klausel 9.2 hinreichend erfüllt

Auch die in Ziffer 9.2 geregelte Haftungs­be­schränkung "auf die bei Vertragsschluss vorhersehbaren und vertrags­ty­pischen Schäden" ist wirksam. Sie beachtet die sich aus dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB** ergebenden Anforderungen hinreichend. Bei der Vorher­seh­barkeit handelt es sich um einen - gerade auch im Zusammenhang mit Schaden­se­r­eig­nissen verwendeten - allgemein gebräuchlichen Begriff. Auch der Begriff des vertrags­ty­pischen Schadens ist für einen durch­schnitt­lichen Vertragspartner hinreichend verständlich.

Klausel in Ziffer 5.2 kann zu unangemessener Benachteiligung der Kunden führen

Die übrigen Klauseln hat das Berufungs­gericht zu Recht für unwirksam angesehen. Die Klausel in Ziffer 5.2 zum Zutrittsrecht der Beklagten kann ein durch­schnitt­licher Vertragspartner so verstehen, dass sie der Beklagten auch dann ein Zutrittsrecht zu den Räumen des Kunden gewährt, wenn dieser zuvor nicht benachrichtigt worden ist. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gemäß § 307 Abs. 1 BGB.**

Klausel über pauschale Abrechnung entstehender Kosten unwirksam

Auch die Klausel in Ziffer 6.4, wonach die Beklagte bei Zahlungsverzug des Kunden bestimmte ihr entstehende Kosten pauschal berechnen kann, ist unwirksam. Sie erweckt den Eindruck, dass die der Beklagten im Verzugsfall zustehende Pauschale in das nicht näher konkretisierte Ermessen der Beklagten gestellt ist, und verstößt damit gegen § 309 Nr. 5 BGB**** (Klauselverbot ohne Wertungs­mög­lichkeit).

Klausel zur Zustimmung zum Erhalt von Telefonwerbung verstößt gegen Trans­pa­renzgebot

Die von der Beklagten vorformulierte Einwilligung zum Erhalt von Telefonwerbung ist wegen Verstoßes gegen das Trans­pa­renzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB** unwirksam. Eine solche Erklärung muss hinreichend konkret sein, damit der Kunde erkennen kann, auf welche Werbeinhalte sich die Einwilligung bezieht und wer durch die Einwil­li­gungs­er­klärung zur Werbung ermächtigt wird. Diese Anforderungen erfüllt die vorliegende Klausel nicht, da der Kunde der Klausel nicht entnehmen kann, ob die Beklagte nur Werbung für ihre Produkte und Dienst­leis­tungen machen oder auch Werbeanrufe für Angebote von Dritt­un­ter­nehmen tätigen darf.

*§ 147 BGB: Annahmefrist

[…]

(2) Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.

**§ 307 BGB: Inhalts­kon­trolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

[…]

***§ 308 BGB: Klauselverbote mit Wertungs­mög­lichkeit

In Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen ist insbesondere unwirksam

1. (Annahme- und Leistungsfrist)

eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; […]

[…]

****§ 309 BGB: Klauselverbote ohne Wertungs­mög­lichkeit

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen unwirksam

[…]

5. (Pauschalierung von Schaden­s­er­satz­ansprüchen)

die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn

a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder

b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;

[…]

*****§ 2 StromGVV: Vertragsschluss

[…]

(2) Kommt der Grund­ver­sor­gungs­vertrag dadurch zustande, dass Elektrizität aus dem Elektri­zi­täts­ver­sor­gungsnetz der allgemeinen Versorgung entnommen wird, über das der Grundversorger die Grundversorgung durchführt, so ist der Kunde verpflichtet, dem Grundversorger die Entnahme von Elektrizität unverzüglich in Textform mitzuteilen. […]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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