21.11.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 26777

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Urteil05.12.2018BundesgerichtshofVIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18
Vorinstanz:
  • Vorinstanzen zu VIII ZR 271/17: Amtsgericht Reinbek - Urteil vom 7. April 2017 - 13 C 682/14 Landgericht Lübeck - Urteil vom 17. November 2017 - 14 S 107/17 und Vorinstanzen zu VIII ZR 67/18: Amtsgericht Reinbek - Urteil vom 23. Dezember 2016 - 17 C 288/15 Landgericht Lübeck - Urteil vom 15. Februar 2018 - 14 S 14/17
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil05.12.2018

"Schim­mel­pilz­gefahr" - Kein Anspruch auf Mietminderung für Wärmebrücken bei Einhaltung des im Errichtungs­zeit­punkt der Wohnung üblichen BauzustandsTäglich mehrmaliges Stoßlüften von rund 10 bis 15 Minuten zur Vermeidung von Schim­mel­pilz­bildung an den Außenwänden für Mieter nicht unzumutbar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass einem Mieter kein Anspruch auf Mietminderung für Wärmebrücken zusteht, wenn im Errichtungs­zeit­punkt der Wohnung der übliche Bauzustand eingehalten wurde.

Die Kläger in beiden zugrunde liegenden Verfahren sind jeweils Mieter von Wohnungen der Beklagten, die in den Jahren 1968 und 1971 unter Beachtung der damals geltenden Bauvorschriften und technischen Normen errichtet wurden.

Mieter machen Gewähr­leis­tungs­ansprüche geltend

Die Kläger machen unter Berufung auf Mängel der Wohnungen jeweils Gewähr­leis­tungs­ansprüche geltend und begehren dabei unter anderem wegen der "Gefahr von Schim­mel­pilz­bildung" in den gemieteten Räumen die Feststellung einer näher bezifferten Minderung der von ihnen geschuldeten Monatsmiete (§ 536 BGB) sowie die Zahlung eines Kosten­vor­schusses für die Mängel­be­sei­tigung.

Berufungs­gericht bejaht Mietmin­de­rungs­an­spruch aufgrund "Gefahr der Schim­mel­pilz­bildung"

In beiden Verfahren hat das Berufungs­gericht eine Minderung der jeweiligen Bruttomiete festgestellt und im Verfahren VIII ZR 271/17 die Beklagte überdies zur Zahlung eines Kosten­vor­schusses in Höhe von 12.000 Euro zur Anbringung einer Innendämmung verurteilt. Dies hat es jeweils (unter anderem) maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass in den Wohnungen in den Wintermonaten aufgrund von Wärmebrücken in den Außenwänden eine "Gefahr der Schim­mel­pilz­bildung" bestehe. Zwar hätten die Wohnungen zur Zeit ihrer Errichtung den geltenden Bauvorschriften und DIN-Vorgaben sowie den damaligen Regeln der Baukunst entsprochen. Nach der Verkehrs­an­schauung dürfe ein Mieter allerdings auch ohne besondere vertragliche Vereinbarung stets einen "Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens" erwarten, der heutigen Maßstäben gerecht werde. Auf Grundlage der heute gültigen DIN-Vorschriften ergebe sich angesichts der Wärmebrücken in beiden Wohnungen jedoch ein konkretes Risiko der Schim­mel­pilz­bildung, welches die Mieter allein mit "alltagsüblichem Lüftungs- und Heizverhalten" nicht verhindern könnten. Denn von einem Mieter könne nicht verlangt werden, dass er ein Schlafzimmer auf mehr als 16 Grad und die übrigen Zimmer auf mehr als 20 Grad beheize oder darauf verzichte, seine Möbel ohne Abstand an den Außenwänden aufzustellen. Auch ein sogenanntes Querlüften ("Durchzug") könne dem Mieter nicht abverlangt werden; vielmehr sei lediglich ein zweimaliges Stoßlüften von bis zu zehn Minuten pro Tag zumutbar. Bei alledem komme es auch nicht darauf an, wieviel Feuchtigkeit durch das konkrete Nutzungs­ver­halten der jeweiligen Mieter entstehe, solange es sich im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs (Aufenthalt, Waschen, Kochen, Duschen etc.) bewege. Sei unter den genannten Bedingungen nicht sichergestellt, dass es zu keiner Schim­mel­pilz­bildung komme, liege bereits hierin ein bauseits bedingter und vom Vermieter zu vertretender Mangel, so dass es nicht darauf ankomme, ob Schimmel auch tatsächlich aufgetreten sei.

Mit ihren vom Landgericht zugelassenen Revisionen verfolgte die Beklagte in beiden Verfahren ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiter.

Bei Einhaltung üblicher Bauzustände zum Errich­tungs­zeitpunkt sind Wärmebrücken in Außenwänden nicht als Sachmangel anzusehen

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass Wärmebrücken in den Außenwänden nicht als Sachmangel einer Mietwohnung anzusehen sind, wenn dieser Zustand mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht. Ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert und deshalb dem Mieter (unter anderem) ein Recht zur Mietminderung (§ 536 Abs. 1 BGB) sowie einen Anspruch auf Mangel­be­sei­tigung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) gewährt, setzt eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand voraus. Ohne besondere Vereinbarung der Mietver­trags­parteien kann der Mieter dabei nach der Verkehr­s­auf­fassung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach gefestigter Senats­recht­sprechung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen. Diesem Maßstab entsprechen die Wohnungen der Kläger jedoch, so dass ein Sachmangel nicht vorliegt. Denn in den Jahren 1968 bzw. 1971 bestand noch keine Verpflichtung, Gebäude mit einer Wärmedämmung auszustatten und war demgemäß das Vorhandensein von Wärmebrücken allgemein üblicher Bauzustand.

Entscheidung des BGH zu Mindeststandard von Elektro­in­sta­l­la­tionen nicht auf Wärmedämmung anwendbar

Die gegenteilige Rechts­auf­fassung des Berufungs­ge­richts, das einen Mangel der Mietsache aus vermeintlichen Höchstwerten zumutbarer Lüftungs­in­tervalle und von ihm aufgestellter "Grundsätze zeitgemäßen Wohnens" hergeleitet hat, hat der Bundes­ge­richtshof als mit geltendem Recht nicht vereinbar angesehen. Sie lässt sich auch nicht unter Rückgriff auf eine Senat­s­ent­scheidung begründen, die in einem speziellem Fall zu den Anforderungen an die Elektro­in­sta­l­lation einer Wohnung ergangen ist (vgl. Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 26.07.2004 - VIII ZR 281/03 -) und die darauf abstellt, dass nach der Verkehrs­an­schauung auch in einer Altbauwohnung ein Mindeststandard der Elektro­in­sta­l­lation erwartet werden kann, die den gleichzeitigen Betrieb von zwei Elektrogeräten ermöglicht. Auf die Beschaffenheit der Wohnung bezüglich der Wärmedämmung ist diese Entscheidung nicht übertragbar.

Zugrundelegung eines Neubaustandards für Altbauwohnungen rechts­feh­lerhaft

Die Berufung des Landgerichts auf Erfordernisse "zeitgemäßen Wohnens" rechtfertigt es insbesondere nicht, die geschuldete Beschaffenheit einer Mietwohnung hinsichtlich der Wärmedämmung nicht nach den oben genannten Maßstäben, sondern - unter einseitiger Berück­sich­tigung von Miete­r­in­teressen - allein danach zu bestimmen, was der Mieter unter Zugrundelegung heutiger Bauvorschriften erwarten dürfe und ihm an Lüftungs- und Heizverhalten nach einem abstrakt-generellen Maßstab zuzumuten sei. Letztlich läuft die Argumentation des Berufungs­ge­richts darauf hinaus, einen anderen als den im geltendem Recht vorgesehenen Mangelbegriff zu schaffen und auf diesem Wege auch für eine nicht sanierte oder eine nicht grundlegend modernisierte Altbauwohnung und unabhängig von entsprechenden konkreten Vereinbarungen der Mietver­trags­parteien einen Neubaustandard zugrunde zu legen. Dies ist ersichtlich rechts­feh­lerhaft.

Täglich zweimaliges Stoßlüften von rund 15 Minuten zur Vermeidung von Schim­mel­pilz­bildung an den Außenwänden nicht generell unzumutbar

Auch trifft die Annahme des Berufungs­ge­richts nicht zu, das den Klägern zur Vermeidung von Schim­mel­pilz­bildung abzuverlangende Lüftungs­ver­halten sei für einen Mieter unzumutbar. Das einem Mieter zuzumutende Wohnverhalten, insbesondere bezüglich der Lüftung der Wohnräume, ist jeweils unter Berück­sich­tigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Vorliegend ist der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass ein täglich zweimaliges Stoßlüften von rund 15 Minuten beziehungsweise ein täglich dreimaliges Stoßlüften von rund 10 Minuten ausreiche, um eine Schim­mel­pilz­bildung an den Außenwänden zu vermeiden und sich im Falle von "Querlüften" (gleichzeitiges Öffnen mehrerer Fenster) die erforderliche Lüftungszeit auf ein Drittel der angegebenen Zeiten reduziere. Dafür, dass ein solches Lüftungs­ver­halten generell unzumutbar sei, sieht der Senat keine Anhaltspunkte.

BGH verneint Mietmin­de­rungs­ansprüche der Kläger

Der Bundes­ge­richtshof hob die Entscheidungen des Berufungs­ge­richts auf, soweit das Berufungs­gericht wegen der in den Außenwänden vorhandenen Wärmebrücken und der dadurch verursachten Gefahr einer Schim­mel­pilz­bildung einen Mangel der Wohnungen bejaht und den darauf gestützten Begehren der Kläger auf Feststellung einer Mietminderung beziehungsweise auf Zahlung eines Kosten­vor­schusses für eine Innendämmung stattgegeben hat; diese Ansprüche stehen den Klägern nach den heutigen Entscheidungen des Bundes­ge­richtshofs nicht zu.

In dem Verfahren VIII ZR 271/17, in dem das Berufungs­gericht auch Durch­feuch­tungen des Mauerwerks infolge schadhaft gewordener Bauteile festgestellt hatte, ist die Sache wegen der Höhe der hierfür anzusetzenden Minderung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen worden.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

(1) 1 Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. 2 Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. [...]

§ 536 BGB Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln

(1) 1 Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. 2 Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. 3 Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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