04.12.2024
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Dokument-Nr. 6914

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Urteil29.10.2008BundesgerichtshofVIII ZR 258/07
Vorinstanzen:
  • Landgericht Bochum, Urteil05.12.2006, 18 O 227/06
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil03.08.2007, 12 U 158/06
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil29.10.2008

Rücktrittsrecht in den AGB eines Leasingvertrags über eine noch anzupassende und zu imple­men­tierende Branchen­softwareLieferant ist Erfül­lungs­gehilfe des Leasinggebers - BGH untersagt einseitige Risiko­ver­teilung zu Lasten des Leasingnehmers

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Wirksamkeit eines in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen einer Leasing­ge­sell­schaft enthaltenen Rücktritts­rechts zu entscheiden.

Die klagende Leasing­ge­sell­schaft nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch, die der Beklagte für Zahlungs­ver­pflich­tungen der inzwischen insolventen Leasingnehmerin, deren Geschäftsführer er war, geleistet hat. Leasing­ge­genstand des zwischen der Klägerin und der Leasingnehmerin am 23. Juni / 7. Juli 2005 abgeschlossenen Leasing­ver­trages war eine vom Lieferanten noch anzupassende und zu imple­men­tierende Branchen­software mit einem Gesamt­an­schaf­fungswert von 400.000 €. Als spätester Fertig­stel­lungs­zeitpunkt für die Software wurde der 30. Juni 2006 vereinbart. Die Vertrags­laufzeit sollte erst mit der Abnahme des Leasing­ge­gen­standes durch die Leasingnehmerin beginnen. In Ziffer 12. der dem Leasingvertrag beigefügten "Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen Bundle-Lease" (im folgenden: AGB) heißt es unter der Überschrift "Scheitern des Projektes":

"12.1 Sollte der Gegenstand (Systemlösung oder im Vertrag vereinbarte selbständig nutzungsfähige Systemmodule) bis zum vereinbarten spätesten Fertig­stel­lungs­zeitpunkt nicht ordnungsgemäß erstellt und von dem Kunden abgenommen oder zuvor gleich aus welchen Gründen gescheitert sein, ist die Leasing­ge­sell­schaft berechtigt, von dem Vertrag zurückzutreten. (…)

12.2 Die Leasing­ge­sell­schaft ist im Falle des Rücktritts von dem Vertrag gemäß Ziffer 12.1 berechtigt, dem Kunden alle bis zum Zeitpunkt des Rücktritts erbrachten Lieferungen und Leistungen von Lieferanten, die nicht in einer vom Kunden abgenommenen Ausbaustufe enthalten sind, zum Selbst­kos­tenpreis der Leasing­ge­sell­schaft anzudienen. Zu diesem Zweck bietet der Kunde schon heute verbindlich an, der Leasing­ge­sell­schaft zu diesem Zeitpunkt gelieferte Hard- und Software zum Selbst­kos­tenpreis unter Ausschluss jeder Haftung der Leasing­ge­sell­schaft für Sach- und Rechtsmängel in dem Zustand, in dem sie sich dann befindet abzukaufen (Kaufangebot) und der Leasing­ge­sell­schaft gegen Übertragung etwa bestehender Rechte an erbrachten Dienst­leis­tungen an Dienstleister geleistete Zahlungen zu erstatten (Erstat­tungs­angebot). Das Erstat­tungs­angebot gilt entsprechend für von der Leasing­ge­sell­schaft geleistete Vorauszahlungen (Anzahlungen) für Lieferungen und Leistungen. (…)"

Leasingnehmerin stellt Antrag auf Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens

Am 8. Juli 2005 und 10. August 2005 stellte die Lieferantin der Klägerin zwei Rechnungen für überlassene Lizenzen und für Projektleitung und Konzep­t­er­stellung in Höhe von insgesamt 96.384,11 € mit Mehrwertsteuer. Am 8. Juni 2006 stellte die Leasingnehmerin Antrag auf Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens, das am 30. Oktober 2006 eröffnet wurde. Mit an die Leasingnehmerin gerichtetem Schreiben vom 3. Juli 2006 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Leasingvertrag mit der Begründung, der späteste Fertig­stel­lungs­zeitpunkt sei verstrichen, ohne dass die Abnahme erfolgt sei. Gleichzeitig nahm die Klägerin den Beklagten aus seiner Bürgschaft in Anspruch.

LG und OLG weisen die Klage ab

Das Landgericht hat die auf Zahlung in Höhe von 96.384,11 € gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungs­gericht hat die gegen das Urteil des Landgerichts von der Klägerin eingelegte Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision, mit der sie ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt.

BGH: AGBs sind hinsichtlich des eingeräumten Rücktrittsrecht und des Kauf- und Erstat­tungs­angebot des Leasingnehmers unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass das Berufungs­gericht einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der an die Lieferantin erbrachten Zahlungen und damit eine Haftung des Beklagten aus der Bürgschaft (§ 765 Abs. 1 BGB) zu Recht verneint hat und zutreffend davon ausgegangen ist, dass das der Klägerin in ihren Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen eingeräumte Rücktrittsrecht und das Kauf- und Erstat­tungs­angebot des Leasingnehmers nach § 307 BGB unwirksam sind.

Ziffer 12.1 ist unwirksam, weil der Leasinggeber auch dann vom Vertrag zurücktreten könnte, wenn der Lieferant als Erfül­lungs­gehilfe des Leasinggebers die Verzögerung über den vertraglich vereinbarten Zeitpunkt hinaus zu vertreten hat

Bereits das in Ziffer 12.1 Satz 1 der AGB für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Erstellung und Abnahme der Leasingsache bis zum vertraglich vereinbarten spätesten Fertig­stel­lungs­zeitpunkt geregelte Rücktrittsrecht ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 1 BGB unwirksam. Auch im unter­neh­me­rischen Rechtsverkehr muss ein vertraglich ausbedungenes Lösungsrecht vom Vertrag auf einen sachlich gerecht­fer­tigten Grund abstellen. Ein sachlicher Grund kann zwar darin liegen, dass der Leasinggeber, der die Erstellung der Leasingsache über einen längeren Zeitraum vorfinanziert, seine Gegenleistung aber erst ab Beginn der Laufzeit des Leasing­ver­trages erhält, ein berechtigtes Interesse daran hat, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine endgültige Klärung herbeizuführen. Das rechtfertigt aber auch im unter­neh­me­rischen Verkehr nicht eine Klausel, die den Rücktritt auch für den Fall gestattet, dass der Leasinggeber selbst oder der im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden Gebrauchs­über­las­sungs­pflicht als sein Erfül­lungs­gehilfe (§ 278 Satz 1 BGB) tätige Lieferant die Verzögerung der Erstellung und Abnahme des Leasing­ge­gen­standes über den vertraglich vereinbarten Zeitpunkt hinaus zu vertreten hat.

Ziffer 12.2 ist unwirksam, weil sie auch dann anwendbar ist, wenn der Leasinggeber selbst oder der im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden Gebrauchs­über­las­sungs­pflicht als sein Erfül­lungs­gehilfe (§ 278 Satz 1 BGB) tätige Lieferant die verzögerte Erstellung und Abnahme der Leasingsache zu vertreten hat

Darüber hinaus ist auch die von den Grundgedanken des Mietrechts in Verbindung mit der gesetzlichen Regelung der Rücktritts­folgen in §§ 346 ff. BGB ganz erheblich zum Nachteil des Leasingnehmers abweichende Regelung in Ziffer 12.2 Sätze 1 bis 5 der AGB gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, so dass der Klägerin der darauf gestützte Zahlungs­an­spruch nicht zusteht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die in den AGB der Klägerin vorgenommene Regelung der Rücktritts­folgen dann wirksam wäre, wenn sie nur für den Fall gelten würde, dass der Leasingnehmer die Verzögerung der Erstellung und Abnahme des Leasing­ge­gen­standes über den vertraglich vereinbarten spätesten Fertig­stel­lungs­zeitpunkt hinaus zu vertreten hat. Unangemessen und deswegen unwirksam ist die Regelung jedenfalls deswegen, weil sie auch die Fälle erfasst, dass der Leasinggeber selbst oder der im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden Gebrauchs­über­las­sungs­pflicht als sein Erfül­lungs­gehilfe (§ 278 Satz 1 BGB) tätige Lieferant die verzögerte Erstellung und Abnahme der Leasingsache zu vertreten hat. Die einseitige Zuweisung des Risikos der erfolgreichen Erstellung der Leasingsache an den Leasingnehmer verkennt darüber hinaus die vom Bundes­ge­richtshof in ständiger Rechtsprechung hervorgehobene Stellung des Leasinggebers als Eigentümer und Vermö­gens­inhaber der Leasingsache mit seiner sich daraus herleitenden Gebrauchs­über­las­sungs­pflicht, der sich der Leasinggeber insbesondere im Hinblick auf das Risiko der Insolvenz des Lieferanten nicht entziehen kann.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 200/08 des BGH vom 29.10.2008

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