21.11.2024
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Dokument-Nr. 19039

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Urteil22.10.2014BundesgerichtshofVIII ZR 195/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2015, 12Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 12
  • NJW 2015, 544Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 544
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil22.10.2014

BGH zur Haftung des Futter­mittel­ver­käufers für dioxin­ver­dächtiges TierfutterBloßer Verdacht einer Dioxinbelastung im Futtermittel nicht ausreichend für Schaden­ersatz­anspruch

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob dem Futter­mittel­ver­käufer durch die in § 24 des Lebensmittel- und Futter­mittel­gesetz­buchs angeordnete Gewähr für die "handelsübliche Unverdorbenheit und Reinheit" eine verschuldens­un­ab­hängige Haftung für verunreinigtes Futtermittel auferlegt wird und ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer auch für Schäden des Futter­mit­tel­käufers haftet, die darauf beruhen, dass lediglich der Verdacht einer entsprechenden Verunreinigung des Futtermittels besteht.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls, eine Futter­mit­tel­her­stellerin, belieferte den Beklagten im November 2010 mit Futtermitteln für seine Legehen­ne­n­anlage. Bei einer Untersuchung anderer im selben Zeitraum hergestellter Futtermittel stellte die Klägerin eine Überschreitung der zulässigen Dioxin­kon­zen­tration fest, die sich auf eine Verunreinigung von zugekauften und von ihr verarbeiteten Fetten zurückführen ließ. Als das Ergebnis der Untersuchung Ende Dezember 2010 vorlag, hatte der Beklagte das gelieferte Futter bereits verfüttert. Über den Jahreswechsel 2010/2011 wurden zwei Ställe des Beklagten von dem zuständigen Landrat gesperrt. Die Klägerin erstattete dem Beklagten zwar den Schaden, der durch die Entsorgung der während der Handelssperre produzierten Eier entstand, nicht jedoch Umsatzeinbußen in Höhe von 43.438,29 Euro, zu denen es kam, weil auch nach Aufhebung der Handelssperre produzierte Eier nicht oder nur zu einem geringeren Preis vermarktet werden konnten. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin für andere - mangelfreie - Futter­mit­tel­lie­fe­rungen Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.067,68 Euro. Der Beklagte macht geltend, dass die Kaufpreis­for­derung durch Aufrechnung mit einem Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen der Umsatzeinbußen erloschen sei, und macht den weitergehenden Betrag im Wege der Widerklage geltend.

Vorinstanzen bejahen Schaden­s­er­satz­an­spruch

Das Landgericht Oldenburg wies hat die Klage ab und verurteilte die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 23.370,61 Euro. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Die Vorinstanzen sind der Auffassung gewesen, dass der Futter­mit­tel­ver­käufer schon dann - ohne Rücksicht auf ein Verschulden - für einen Schaden des Käufers einzustehen habe, wenn der auf konkrete Tatsachen gestützte Verdacht einer Verunreinigung bestehe. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungs­an­spruch und ihren auf Abweisung der Widerklage gerichteten Antrag weiter.

BGH: Futter­mit­tel­ver­käufer haftet verschul­den­su­n­ab­hängig für die infolge der Überschreitung der zulässigen Dioxin­kon­zen­tration entstandenen Schäden

Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungs­urteils und zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Berufungs­gericht. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass der Verkäufer zwar für Schäden, die dem Futter­mit­tel­käufer infolge einer tatsächlichen Überschreitung der zulässigen Dioxin­kon­zen­tration im Futtermittel entstanden sind, gemäß § 280 Abs. 1 BGB, § 24 LFGB (aF) verschul­den­su­n­ab­hängig haftet. Eine solche Haftung verwirklicht das Ziel des Gesetzgebers, die Rechte eines Futter­mit­tel­käufers gegenüber der verschul­den­s­ab­hängigen kaufrechtlichen Sachmän­gel­haftung zu stärken, um unzulässige Belastungen von Futtermitteln als erstes Glied der Lebens­mit­telkette schon auf der ersten Produk­ti­o­nsstufe zu vermeiden und Futter­mit­tel­un­ter­nehmer auf diese Weise zu veranlassen, auch die Qualität ihrer rückwärtigen Lieferkette zu sichern. Die verschul­den­su­n­ab­hängige Haftung verletzt den Veräußerer des Futtermittels weder in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch verstößt sie gegen das allgemeine Gleich­heitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG). Eine tatsächliche Belastung des im vorliegenden Fall gelieferten Futtermittels mit Dioxin hat das Berufungs­gericht jedoch bislang nicht festgestellt.

Verschul­den­su­n­ab­hängige Haftung greift nicht im Falle eines bloßen Verdachts auf unzulässige Verun­rei­ni­gungen

Dagegen hat die Klägerin für Schäden, die lediglich aufgrund des Verdachts einer unzulässigen Dioxin­ver­un­rei­nigung des Futtermittels entstanden sind, nur nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 434 Abs. 1, § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB einzustehen. Der auf konkrete Tatsachen gestützte, naheliegende und durch zumutbare Maßnahmen nicht zu beseitigende Verdacht einer unzulässigen Verunreinigung stellt zwar, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, einen Sachmangel der gelieferten Futtermittel dar, wenn die unter Einsatz des Futtermittels produzierten Lebensmittel (hier: Eier) aufgrund des Verdachts unverkäuflich werden. Für Schäden, die hierdurch entstehen, haftet der Verkäufer jedoch nur, wenn er den in dem Verdacht liegenden Mangel zu vertreten hat. Sein Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet; die Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Die verschul­den­su­n­ab­hängige Haftung gemäß § 24 LFGB (a.F.) greift im Falle eines bloßen Verdachts auf eine unzulässige Verunreinigung dagegen nicht ein, weil es sich um eine eng auszulegende Ausnah­me­vor­schrift handelt.

Mögliche Haftung der Klägerin muss erneut geprüft werden

Die Klägerin haftet daher für die geltend gemachten Schäden nur dann, wenn entweder die Verunreinigung des von ihr gelieferten Futters nachgewiesen wird oder der Klägerin ihrerseits nicht der Nachweis gelingt, dass sie den Verdacht der Futter­mit­tel­ve­r­un­rei­nigung nicht zu vertreten hat. Hierzu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen.

Lebensmittel- und Futter­mit­tel­ge­setzbuch in der hier noch anwendbaren Fassung vom 24. Juli 2009

§ 24 LFGB Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit

Macht der Veräußerer bei der Abgabe von Futtermitteln keine Angaben über die Beschaffenheit, so übernimmt er damit die Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit.

§ 280 BGB Schadensersatz wegen Pflicht­ver­letzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuld­ver­hältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Das gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflicht­ver­letzung nicht zu vertreten hat.

§ 434 Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

§ 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer

[...]

3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz [...] verlangen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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