21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 25129

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss15.11.2017

BGH legt Europäischem Gerichtshof Fragen zum Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf zur Vorab­ent­scheidung vorSind Matratzen als Hygieneartikel einzustufen?

Der Bundes­ge­richtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt. Der Bundes­ge­richtshof erbittet die Klärung, ob versiegelte Waren, die aus Gründen des Gesund­heits­schutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung entfernt wurde, durch geeignete (Reinigungs-)Maßnahmen wieder als gebrauchte Sachen verkehrsfähig gemacht werden können und welche Anforderungen an den Hinweis für Versiegelte Waren beim Widerruf zu stellen sind.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens bestellte im Jahr 2014 über die Internetseite der Beklagten, einer Onlinehändlerin, eine "Dormiente Natural Basic" Matratze zum Preis vom 1.094,52 Euro. Die Matratze war bei Auslieferung mit einer Schutzfolie versehen, die der Kläger nach Erhalt entfernte. Einige Tage später teilte er der Beklagten per E-Mail mit, dass er die Matratze leider zurücksenden müsse und der Rücktransport durch eine Spedition veranlasst werden solle. Als die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, beauftragte der Kläger selbst eine Speditionsfirma.

Vorinstanzen bejahen Widerrufsrecht des Kunden

Seine auf Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der Rücksendekosten (insgesamt 1.190,11 Euro) gerichtete Klage hatte in beiden Tatsa­chen­in­stanzen Erfolg. Die Vorinstanzen haben dabei angenommen, dass das dem Kläger im Fernab­satz­handel grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht bei dem Kauf einer Matratze nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil er die bei deren Anlieferung vorhandene Schutzfolie entfernt habe. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiter.

Ist die Matratze ein Hygieneartikel?

Der Bundes­ge­richtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorab­ent­scheidung über die Auslegung zweier Vorschriften des europäischen Rechts vorgelegt. Die hier maßgebliche Norm des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Ausschluss des Widerrufsrechts in den Fällen, in denen versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesund­heits­schutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn die Versiegelung entfernt wurde (§ 312 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB), geht zurück auf eine inhaltsgleiche Vorschrift des europäischen Rechts, Art. 16 Buchst. e der Verbrau­cher­rech­te­richtlinie. Ob diese Vorschrift - wozu der Bundes­ge­richtshof angesichts des Ausnah­me­cha­rakters der Vorschrift tendiert - dahin auszulegen ist, dass zu den dort genannten Waren solche Waren (wie etwa Matratzen) nicht gehören, die zwar bei bestim­mungs­gemäßen Gebrauch mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen können, aber durch geeignete (Reinigungs-)Maßnahmen des Unternehmers - wenn auch möglicherweise mit Werteinbußen, die der Unternehmer kalkulieren kann - wenigstens wieder als gebrauchte Sachen verkehrsfähig gemacht werden können (Frage 1), ist nicht eindeutig zu beantworten. So wird in dem zwar nicht verbindlichen, aber unter Beteiligung der zuständigen Behörden der Mitglieds­s­taaten sowie unter Mitwirkung von Wirtschafts­ver­tretern und Verbrau­cher­ver­bänden erstellten Leitfaden der Genera­l­di­rektion Justiz der Europäischen Kommission (Stand: Juni 2013) als Beispiel für das Eingreifen des Ausnah­me­tat­be­standes gemäß Art. 16 Buchst. e - neben Kosmetika - die Auflegematratze genannt.

Welche Anforderungen werden an Verpackung als "Versiegelung" gestellt?

Falls die Frage 1 bejaht werden sollte, stellt sich ferner die Frage, wie eine Verpackung beschaffen sein muss, um als "Versiegelung" zu gelten und welchen Inhalt der nach den gesetzlichen Vorschriften (Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2, § 4 Abs. 1 EGBGB; Art. 6 Abs. 1 Buchst. k der Verbrau­cher­rech­te­richtlinie) zu erteilende Hinweis über die Umstände des Erlöschens des Widerrufsrechts haben muss (Frage 2). Auch bezüglich dieser Frage hat der Bundes­ge­richtshof die Sache zur Vorab­ent­scheidung dem EuGH vorgelegt.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Widerrufsrecht

Widerrufsrecht '>

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernab­satz­ver­trägen ein Widerrufsrecht [...] zu.

(2) 1 Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

[...]

3. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesund­heits­schutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde [...]

Art. 16 Buchst. e Verbrau­cher­rech­te­richtlinie

Die Mitgliedstaaten sehen bei Fernab­satz­ver­trägen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Art. 9 bis15 vor, wenn versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesund­heits­schutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.

Art. 246a EGBGB Infor­ma­ti­o­ns­pflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernab­satz­ver­trägen mit Ausnahme von Verträgen über Finanz­dienst­leis­tungen

§ 1 Infor­ma­ti­o­ns­pflichten

[...]

(3) Der Unternehmer hat den Verbraucher auch zu informieren, wenn

[...]

2. das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB [...] vorzeitig erlöschen kann, über die Umstände, unter denen der Verbraucher ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verliert.

§ 4 Formale Anforderungen an die Erfüllung der Infor­ma­ti­o­ns­pflichten

(1) Der Unternehmer muss dem Verbraucher die Informationen nach §§ 1 bis 3 vor Abgabe von dessen Vertrags­er­klärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen.

Art. 6 Abs. 1 Buchst. k Verbrau­cher­rech­te­richtlinie

Bevor der Verbraucher [...] gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Form über folgendes: in Fällen, in denen gemäß Art. 16 kein Widerrufsrecht besteht, den Hinweis, dass der Verbraucher nicht über ein Widerrufsrecht verfügt oder gegebenenfalls die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Widerrufsrecht verliert.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss25129

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI