15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 17982

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Urteil02.04.2014BundesgerichtshofVIII ZR 19/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NZM 2014, 511Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2014, Seite: 511
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Urteil16.03.2012, 219 C 271/09
  • Landgericht Berlin, Urteil21.12.2012, 65 S 200/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil02.04.2014

Kein Fest­stellungs­interesse bei nur "sehr geringer" Möglichkeit eines künftigen Schaden­s­ein­trittsBGH zur Zulässigkeit einer Feststel­lungsklage bei bisher noch nicht eingetretenem Schaden durch eine vertragliche Pflicht­ver­letzung

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass das erforderliche Fest­stellungs­interesse für die Zulässigkeit einer Feststel­lungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO dann nicht vorliegt, wenn eine vertragliche Pflicht­ver­letzung bisher noch nicht zu einer Rechts­guts­verletzung geführt hat und das Risiko des Eintritts eines künftigen Schadens infolge der Pflicht­ver­letzung nur minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und daher sehr gering ist.

Im zugrunde liegenden Streitfall waren die Eltern der minderjährigen Kläger von 1998 bis 2008 Mieter einer Wohnung der Beklagten. Der Fußboden der Wohnung bestand bei Mietbeginn aus asbesthaltigen Vinylplatten (so genannten Flexplatten). Nachdem sich der nach Nutzungsbeginn von den Eltern der Kläger über den Flexplatten verlegte Teppich Mitte des Jahres 2005 im vorderen Teil des Flurs gelockert hatte, entfernte der Vater der Kläger in diesem Bereich den Teppich und bemerkte, dass die darunter befindlichen Flexplatten teilweise gebrochen waren und offene Bruchkanten aufwiesen. Er informierte die Beklagte hierüber Ende Juli 2005, worauf die Beklagte ihre spätere Streithelferin mit dem Austausch der beschädigten Flexplatten beauftragte. Der Austausch erfolgte am 15. August 2005, während die Kläger in der Schule waren. Mitte September 2005 verlegte der Vater der Kläger über den ausgetauschten Flexplatten einen neuen Teppich. Den Eltern der Kläger war im Jahr 2005 nicht bekannt, dass die Flexplatten asbesthaltiges Material enthielten. Darüber wurden sie erst im Juni 2006 informiert.

Kläger verlangt Feststellung der Schaden­s­er­satz­pflicht des Vermieters für alle materiellen und immateriellen Schäden

Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihnen aus der Gesund­heits­ge­fährdung, die durch den Asbestkontakt in den Mieträumen bereits entstanden sind und/oder als Spätfolgen noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozia­l­ver­si­che­rungs­träger oder andere Dritte übergegangen sind. Das Amtsgericht hat die Klage als zulässig angesehen, aber als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Feststel­lungsklage wegen fehlenden erforderlichen Feststel­lungs­in­teresses unzulässig

Die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision, mit der die Beklagte ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiterverfolgt, hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die erhobene Feststellungsklage bereits unzulässig ist, weil es unter den besonderen Umständen des Falles an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO* erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.

Risiko der Tumorerkrankung aufgrund von Pflicht­ver­let­zungen des Vermieters laut Sachver­stän­di­gen­gut­achten "sehr, sehr gering"

In seinem Urteil hat das Berufungs­gericht das Sachver­stän­di­gen­gut­achten eines bereits vom Amtsgericht beauftragten Professors für Arbeits- und Sozialmedizin verwertet. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass das Risiko der Kläger, in Zukunft an einem Tumor zu erkranken, der auf die der Beklagten zurechenbaren Pflicht­ver­let­zungen zurückzuführen ist, zwar minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liege, jedoch aufgrund der anzunehmenden Exposition der Kläger mit Asbestfasern, die im Niedrig­do­sis­bereich liege, als "sehr sehr gering" anzusehen sei; mit einer Tumorerkrankung sei "nicht zu rechnen".

Feststel­lungs­in­teresse der Kläger nicht gegeben

Der Bundes­ge­richtshof hat ausgeführt, dass angesichts dieser gutachterlichen Äußerungen bei verständiger Würdigung aus Sicht der Kläger kein Grund besteht, mit einem zukünftigen Schaden zu rechnen, so dass es an einem Feststel­lungs­in­teresse der Kläger fehlt.

* § 256 ZPO - Feststel­lungsklage

Erläuterungen
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechts­ver­hält­nisses [...] kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechts­ver­hältnis [...] durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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