18.12.2024
18.12.2024  
Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 34645

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Beschluss13.11.2024BundesgerichtshofVIII ZR 15/23
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Berlin-Mitte, Urteil19.08.2022, 12 C 32/21
  • Landgericht Berlin, Urteil15.12.2022, 67 S 221/22
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss13.11.2024

Alte DDR-Mietverträge wegen Eigenbedarfs nach BGB kündbarBGH zur Kündigung eines DDR-Altmietvertrags über Wohnraum wegen Eigenbedarfs

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein auf unbestimmte Zeit geschlossener DDR-Altmietvertrag über Wohnraum, der hinsichtlich einer Beendigung des Mietver­hält­nisses auf die Vorschriften des Zivil­ge­setzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik Bezug nimmt, seitens des Vermieters gegen den Willen des Mieters wegen Eigenbedarfs seit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zur Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe der Überg­angs­vor­schrift des Art. 232 § 2 EGBGB in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gekündigt werden kann.

Die Beklagten sind aufgrund eines im Juli 1990 mit dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Kommunale Wohnungs­ver­waltung Prenzlauer Berg geschlossenen Formu­la­r­miet­vertrags Mieter einer Dreizim­mer­wohnung im früheren Ost-Berlin. Der Mietvertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Im Mietvertrag ist - in Anlehnung an die seinerzeit in Ost-Berlin noch geltende Vorschrift des § 120 des Zivil­ge­setzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (ZGB-DDR) - bestimmt, dass das Mietverhältnis entweder durch Vereinbarung der Vertragspartner, durch Kündigung seitens des Mieters oder durch gerichtliche Aufhebung endet.

Der Kläger ist aufgrund Eigen­tum­s­erwerbs auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten. Er erklärte im Jahr 2020 und erneut im Jahr 2022 die Kündigung des Mietver­hält­nisses wegen Eigenbedarfs.

Bisheriger Prozessverlauf

Mit der Klage begehrt der Kläger die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben.

Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das erstin­sta­nzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die vom Kläger wegen Eigenbedarfs erklärten Kündigungen das Mietverhältnis nicht beendet hätten. Die im Mietvertrag getroffene Regelung zur Vertrags­be­en­digung nehme auf die Vorschriften der §§ 120 ff. ZGB-DDR Bezug und stelle damit eine Eigen­be­da­rfs­kün­digung des Vermieters unter die - im früheren § 122 Abs. 1 ZGB-DDR enthaltene - weitere Wirksam­keits­vor­aus­setzung, dass der Vermieter die Wohnung aus gesell­schaftlich gerecht­fer­tigten Gründen "dringend" benötige. Eine solche vertragliche Regelung sei weiterhin wirksam. Die vom Kläger für einen Eigenbedarf angeführten Belange erfüllten diese verschärfte Kündi­gungs­vor­aus­setzung indessen nicht.

Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wieder­her­stellung des erstin­sta­nz­lichen Urteils.

Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass die vom Berufungs­gericht für die Klageabweisung gegebene Begründung keinen Bestand haben kann.

Entgegen der Annahme des Berufungs­ge­richts setzt eine vom Kläger erklärte Eigen­be­da­rfs­kün­digung des DDR-Altmietvertrags zu ihrer Wirksamkeit nicht voraus, dass der Kläger die betreffende Wohnung "aus gesell­schaftlich gerecht­fer­tigten Gründen 'dringend' benötigt". Vielmehr bestimmen sich die Voraussetzungen einer solchen Eigen­be­da­rfs­kün­digung nach Maßgabe der Überg­angs­vor­schrift des Art. 232 § 2 EGBGB (allein) nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Damit ist der vom Kläger geltend gemachte Eigenbedarf anhand der Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu beurteilen und liegt vor, wenn der Kläger die Räume als Wohnung für sich, seine Familien­an­ge­hörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Höhere Anforderungen gelten vorliegend nicht deshalb, weil der - noch unter der Geltung des ZGB-DDR geschlossene - Formu­la­r­miet­vertrag der Parteien auf die Vorschriften des ZGB-DDR und deren abweichenden Regelungsgehalt abstellt. Denn der (bundesdeutsche) Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit dem Wirksamwerden des Beitritts für das Gebiet der DDR die Befugnis des Vermieters zur Beendigung eines bestehenden Wohnraum­miet­vertrags gegen den Willen des Mieters durch die spezielle gesetzliche Vorschrift in Art. 232 § 2 EGBGB und die darin angeordnete Geltung der (mietrechtlichen) Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs - für eine Übergangszeit modifiziert durch besondere, auf einer umfassenden Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter beruhende Schutz­vor­schriften - vollständig und abschließend geregelt. Mit dieser Regelungs­sys­tematik sowie mit dem sich aus den Geset­zes­ma­te­rialien ergebenden Sinn und Zweck der gesetzlichen (Übergangs-) Bestimmungen wäre es nicht vereinbar, wäre gleich- oder sogar vorrangig zu diesen eine aus der Zeit vor dem Beitritt stammende, in einem DDR-Altmietvertrag enthaltene Regelung der Parteien zur Beendi­gungs­be­fugnis des Vermieters maßgeblich, welche - wie im Streitfall - demgegenüber auf die frühere Rechtslage abstellt.

Daher hat der VIII. Zivilsenat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen dazu treffen kann, ob der von dem Kläger geltend gemachte und von den Beklagten bestrittene Eigenbedarf - bei Anwendung des zutreffenden rechtlichen Maßstabs der Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB - vorliegt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/pt)

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