15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 6270

Drucken
Urteil25.06.2008BundesgerichtshofVIII ZR 103/07
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Nordhausen, Urteil29.03.2006, 23 C 672/05
  • Thüringer Oberlandesgericht Jena, Urteil06.03.2007, 5 U 442/06
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil25.06.2008

Widerruf eines als Haustürgeschäft geschlossenen Vertrages über "Ferien-Tauschwochen" auf Teneriffa gültigDeutsche Gerichte sind zuständig

Über einen im Urlaub (hier: in Spanien) über Ferien-Tauschwochen abgeschlossenen Vertrag können die deutschen Gerichte entscheiden. Es sind nicht nur lediglich die spanischen Gerichte zuständig. Dies hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) entschieden.

Der BGH hat im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Oktober 2005 (Rs. C-73/04) die Frage präzisiert, wann eine "Miete von unbeweglichen Sachen" im Sinne von Art. 22 Nr. 1 EuGVVO anzunehmen ist. Davon hing im vorliegenden Fall ab, ob die deutschen oder ausschließlich die spanischen Gerichte international für den Rechtsstreit zuständig sind.

Beklagte haben Wohnsitz in Deutschland

Die im Fürstentum Liechtenstein ansässige Klägerin verlangt von den Beklagten, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben, eine Vergütung aus einem Vertrag, der die "Überlassung von Ferien-Tauschwochen" in einer Ferienanlage in Spanien zum Gegenstand hat. Die Beklagten wurden während ihres Urlaubs auf Teneriffa in der Fußgängerzone von Puerto de la Cruz angesprochen, Lose zu ziehen. Nachdem sich das gezogene Los als Gewinn herausgestellt hatte, wurde den Beklagten mitgeteilt, dass sie zum Aussuchen des Gewinns wenige Tage später zu einer Veranstaltung in eine näher bezeichnete Ferienanlage kommen sollten. Dort wurden die Beklagten am vereinbarten Tag, dem 26. September 2004, in einen Raum geführt, in dem sich Stühle und Tische befanden, aber keine Büroeinrichtung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob an oder neben der Tür ein Schild angebracht war, wonach der Raum ein Geschäftsraum der Klägerin sei. Die Parteien vereinbarten ein Recht der Beklagten, jährlich zwei so genannte "Ferien-Tauschwochen" in der Anlage zu verbringen. Der monatliche Gesamtpreis belief sich auf 83 €. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2004 widerriefen die Beklagten die Vereinbarung, ohne in der Anlage Urlaub gemacht zu haben.^

Amtsgericht wies die Klage ab

Mit der Klage verlangt die Klägerin im Wesentlichen 996 € (12 x 83 €) als Entgelt für das Jahr 2005. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

BGH: Deutsche Gerichte sind zuständig - Art. 22 Nr. 1 EuGVVO ist hier nicht anwendbar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die deutschen Gerichte international bereits deshalb zuständig sind, weil die Beklagten ihren Wohnsitz in Deutschland haben (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO). Art. 22 Nr. 1 EuGVVO, wonach für Klagen, welche die Miete von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz ausschließlich die Gerichte des Vertragsstaats zuständig sind, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, greift nicht ein.

BGH: Schwerpunkt des Vertrags sind "tauschfähige Urlaubswochen"

Die Überlassung von zwei "Ferien-Tauschwochen" ist nach der Gestaltung des hier in Rede stehenden Vertrags nicht als Miete einer unbeweglichen Sache im Sinne von Art. 22 Nr. 1 EuGVVO einzustufen. Den Schwerpunkt des Vertrags bildete nicht die Nutzung einer bestimmten Immobilie, sondern der Erwerb "tauschfähiger Urlaubswochen".

Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungs­an­spruch steht ihr mit Rücksicht auf die Wider­rufs­er­klärung der Beklagten vom 7. Oktober 2004 nicht zu. Die Wirksamkeit des Widerrufs ist nach spanischem Recht zu beurteilen, dessen Anwendung die Parteien vereinbart haben. Das Berufungs­gericht hat rechts­feh­lerfrei entschieden, dass hier das spanische Gesetz Nr. 26/1991 maßgeblich ist, welches den Zweck hat, die Richtlinie über Haustür­ge­schäfte (85/577/EWG) in das spanische Recht aufzunehmen. Das Berufungs­gericht hat verfah­rens­feh­lerfrei festgestellt (§ 293 ZPO), dass die vom spanischen Recht vorgesehenen Wider­rufs­vor­aus­set­zungen gegeben sind. Unter anderem ist erforderlich, dass der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen worden ist. Das Berufungs­gericht hat rechts­feh­lerfrei angenommen, dass sich es bei dem Raum, in dem die Beklagten den Vertrag unterzeichneten, vom äußeren Erschei­nungsbild her durchaus um einen Aufenthaltsraum der Ferienanlage hätte handeln können. Die Beklagten hätten keinen Anlass gehabt, auf anders lautende Schilder zu achten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 121/08 des BGH vom 25.06.2008

der Leitsatz

Brüssel-I-VO Art. 2 Abs. 1, Art. 22 Nr. 1

Art. 22 Nr. 1 EuGVVO, wonach für Klagen, welche die Miete von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, findet keine Anwendung auf einen Vertrag über den Erwerb "tauschfähiger Urlaubswochen", wenn der Zusammenhang zwischen dem Vertrag über die Überlassung von "Ferien-Tauschwochen" und der Immobilie, die tatsächlich genutzt werden kann, nach der Gestaltung des in Rede stehenden Vertrages nicht hinreichend eng ist, um die Einordnung des Vertrages als Miete einer unbeweglichen Sache zu rechtfertigen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005 - Rs. C-73/04, Slg. 2005, I S. 8667).

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil6270

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI