21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Autowaschanlage.

Dokument-Nr. 34576

Drucken
Urteil21.11.2024BundesgerichtshofVII ZR 39/24
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Ibbenbüren, Urteil20.12.2022, 3 C 268/21
  • Landgericht Münster, Urteil14.02.2024, 1 S 4/23
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil21.11.2024

Betreiber von Waschanlage haftet für Schaden an Auto mit Serie­n­ausstattungUrsache der Beschädigung liegt allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Wasch­anlagen­betreibers

Der Bundes­ge­richtshof hat über die Haftung des Betreibers einer Autowaschanlage für einen Fahrzeugschaden entschieden.

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten Portal­wasch­anlage. In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das auszugsweise wie folgt lautet: "Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen Autowasch­anlagen/Portal­wasch­anlagen. Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: Die Haftung des Anlagen­be­treibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serie­n­ausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Wasch­an­la­gen­be­treiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz." Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: "Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!".

Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw der Marke Land Rover in die Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der zur serienmäßigen Fahrzeu­g­ausstattung gehörende, an der hinteren Dachkante angebrachte Heckspoiler abgerissen, wodurch das Fahrzeug beschädigt wurde. Deswegen verlangt der Kläger von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.219,31 €, eine Nutzungs­aus­fa­l­l­ent­schä­digung (119 €) für den Tag der Fahrzeu­gre­paratur sowie die Freistellung von Rechts­an­walts­kosten. Das AG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen.

BGH bejaht Anspruch auf Schadensersatz

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Sie führte zur Wieder­her­stellung des amtsge­richt­lichen Urteils. Dem Kläger steht wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs gegen die Beklagte ein vertraglicher Schaden­s­er­satz­an­spruch in der geltend gemachten Höhe zu. Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs umfasst als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Wasch­an­la­gen­be­treibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Geschuldet sind diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagen­be­treiber für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Hierbei trägt grundsätzlich der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflicht­ver­letzung den Schaden verursacht hat. Abweichend davon hat sich allerdings der Schädiger nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern muss er auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflicht­ver­letzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen.

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs liegt allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach den außer Streit stehenden Feststellungen des Berufungs­ge­richts kam es zu der Beschädigung, weil die Waschanlage konstruk­ti­o­ns­bedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruk­ti­o­ns­bedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagen­be­treibers. Daneben kommt keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursache für den Schaden in Betracht. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts war das Fahrzeug des Klägers vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden. Der Kläger, dem mit seinem marktgängigen, serienmäßig ausgestatteten und in ordnungsgemäßem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage eröffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risiko­be­herr­schung gerechtfertigt, weil nur der Anlagen­be­treiber Schaden­s­prä­vention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmäßig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadens­an­fällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch das Risiko einer Beschädigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruk­ti­o­ns­bedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.

Hinweise an Waschanlage: Betreiber haftet trotzdem

Die hiernach gegen sie streitende Vermutung der Pflicht­ver­letzung hat die Beklagte nicht widerlegt und den ihr obliegenden Nachweis fehlenden Verschuldens nicht geführt. Ihr Vortrag, die Gefahr der Schädigung des serienmäßig angebrachten Heckspoilers sei ihr nicht bekannt gewesen, weil sich ein solcher Vorfall bislang in der Waschanlage nicht ereignet habe, sie habe diese Gefahr auch nicht kennen müssen und hierfür keine konkreten Anhaltspunkte gehabt, eine hypothetische Erkundigung hätte zudem an dem konkreten Schaden­se­r­eignis nichts geändert, genügt zu ihrer Entlastung nicht. Es fehlt schon an der Darlegung, ob die Beklagte - die sich ausweislich der in der Waschanlage angebrachten Schilder der Gefahr einer Beschädigung insbesondere von Heckspoilern grundsätzlich bewusst war - sich darüber informiert hat, für welche Fahrzeuge ihre Anlage konstruk­ti­o­ns­bedingt ungeeignet ist und daher ein erhöhtes Schadensrisiko besteht. Ebenso wenig ist dargetan, dass sie keine Informationen bekommen hätte, auf deren Grundlage die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs vermieden worden wäre.

Die Beklagte hat sich ferner nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet. Das in der Waschanlage angebrachte, mit "Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen Autowasch­anlagen/Portal­wasch­anlagen" überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur "nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder nicht zur Serie­n­ausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler)" erwähnt. Nicht nur fällt der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serie­n­ausstattung gehört und ordnungsgemäß befestigt war, sondern die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Nutzer das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können. Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift "Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!" einen ausreichenden Hinweis dar. Angesichts des darüber befindlichen Schildes mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht zur Serie­n­ausstattung gehörende Teile wird für den Wasch­an­la­gen­nutzer schon nicht hinreichend klar, dass - gegebenenfalls - von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmäßigem Heckspoiler erfasst sein soll.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil34576

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI