18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 31104

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Urteil25.11.2021BundesgerichtshofVII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21
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Bundesgerichtshof Urteil25.11.2021

BGH: Audi haftet für Abgas­ma­ni­pu­la­tionen für VW-MotorKlage gegen Audi vor dem BGH erfolgreich

Der Bundes­ge­richtshof hat in vier gleichzeitig verhandelten Sachen über Schadens­ersatz­ansprüche gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit der sogenannten "Umschaltlogik" beim Motortyp EA 189 entschieden und hierbei die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen jeweils bestätigt.

Die Kläger erwarben zwischen Juni 2009 und November 2014 verschiedene Fahrzeuge der Audi AG, teilweise als Neu-, teilweise als Gebrauchtwagen. Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Software, die den Stick­o­xid­ausstoß im Prüfstand verringerte. Die Motorsteuerung war so programmiert, dass bei Messung der Schad­s­tof­f­e­mis­sionen auf einem Prüfstand diese Situation erkannt wird. Nach Bekanntwerden der "Umschaltlogik" verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalt­ein­richtung qualifizierten Software und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wieder­her­stellung der Vorschrifts­mä­ßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches auf das Fahrzeug der jeweiligen Klagepartei aufgespielt wurde. Die in der Hauptsache zuletzt jeweils auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungs­ent­schä­digung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.

BGH bestätigt Urteile der Vorinstanzen

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revisionen der Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungs­gericht hat im Ergebnis in allen vier Fällen einen Schaden­s­er­satz­an­spruch der jeweiligen Klagepartei aus § 826 BGB zu Recht angenommen. Es hat in tatrich­ter­licher Würdigung rechts­feh­lerfrei festgestellt, dass ein verfas­sungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbe­stands­vor­aus­set­zungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Die Beklagte handelte sittenwidrig, indem sie Fahrzeuge mit dem von der Volkswagen AG gelieferten Motor EA 189, darunter die streit­ge­gen­ständ­lichen Fahrzeuge, in den Verkehr brachte, obwohl nach den tatrich­ter­lichen Feststellungen wenigstens eine verantwortlich für sie handelnde Person wusste, dass der Motor mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstand­ser­ken­nungs­software ausgestattet war.

Weder Haftung wegen Zurechnung nach § 166 BGB noch Haftung nach unzulässigen Organisation

Zwar kann das sittenwidrige Verhalten eines verfas­sungsmäßig berufenen Vertreters einer juristischen Person entgegen der Annahme des Berufungs­ge­richts nicht mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden. Auch scheidet vorliegend die vom Berufungs­gericht angenommene Haftung wegen einer angeblich unzulässigen Organisation des Typge­neh­mi­gungs­ver­fahrens aus. Ebenso wenig tragfähig sind die berufungs­ge­richt­lichen Erwägungen, die Beklagte sei verpflichtet und in der Lage gewesen, den Motor EA 189 eigenständig auf Geset­zes­verstöße zu überprüfen und zu diesem Zweck Auskünfte der Volkswagen AG einzuholen. Etwaige Versäumnisse der Beklagten in dieser Hinsicht könnten grundsätzlich nicht den für eine Haftung aus § 826 BGB erforderlichen Vorsatz, sondern lediglich einen Fahrläs­sig­keits­vorwurf begründen.

BGH-Richter billigen Argumentation der Vorinstanz

Das Berufungs­gericht hat jedoch in revisi­ons­rechtlich nicht zu beanstandender Weise selbständig tragend die freie tatrichterliche Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnen, dass wenigstens ein an der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten beteiligter Repräsentant der Beklagten im Sinne des § 31 BGB von der - evident unzulässigen - "Umschaltlogik" gewusst habe. Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist es grundsätzlich Sache des Tatrichters, unter Berück­sich­tigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Das Revisi­ons­gericht kann insoweit nur prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und wider­spruchsfrei ausein­an­der­gesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehler in diesem Sinne hat die Revision jeweils nicht aufgezeigt.

Quelle: Bundesgerichthof, ra-online (pm/ab)

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