21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 29630

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Bundesgerichtshof Urteil17.12.2020

Schaden­s­er­satzklage gegen VW AG wegen Verjährung erfolglosAnspruch begründende Umständen seit 2015 bekannt

Der BGH hat in einem Fall, in dem der Fahrzeugkäufer im Jahr 2015 Kenntnis davon erlangt hat, dass sein Fahrzeug vom sogenannten Dieselskandal betroffen ist, aber erst 2019 Schaden­s­er­satzklage gegen den Hersteller erhoben hat, Schadens­ersatz­ansprüche als verjährt angesehen.

Der Kläger erwarb im April 2013 einen von der Beklagten hergestellten VW Touran, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 ausgestattet ist. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stick­o­xid­grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.

Kenntnis von Dieselskandal mit eigener Betroffenheit seit 2015

Der Kläger erlangte im Jahr 2015 nicht nur allgemein von dem damals aufgedeckten sogenannten Dieselskandal Kenntnis, sondern auch konkret davon, dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war. Mit seiner im Jahr 2019 eingereichten Klage hat er Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht das erstin­sta­nzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

BGH: Anspruch begründende Umständen seit 2015 bekannt

Die Revision des Klägers, mit der er sein Klageziel weiterverfolgt hat, blieb ohne Erfolg. Die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren erforderliche Kenntnis des Geschädigten von den Anspruch begründenden Umständen ist vorhanden, wenn ihm die Erhebung einer Schaden­s­er­satzklage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich und zumutbar ist. Die Beurteilung des Berufungs­ge­richts, dass der Kläger bereits 2015 Kenntnis von den tatsächlichen Umständen hatte, die einen Schaden­s­er­satz­an­spruch aus § 826 BGB begründen, ist revisi­ons­rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts hatte der Kläger 2015 von dem sogenannten Dieselskandal allgemein und von der Betroffenheit seines Dieselfahrzeugs Kenntnis. Er wusste, dass sein Fahrzeug als eines von mehreren Millionen VW-Diesel­fahr­zeugen mit einer Motor­steu­e­rungs­software ausgestattet war, die so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden, und dass das Kraft­fahrt­bun­desamt der Beklagten deshalb eine Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge aufgab. Naturgemäß war dem Kläger weiter bekannt, ob er beim Kauf des Fahrzeugs die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben als selbst­ver­ständlich vorausgesetzt hatte und ob er das Fahrzeug auch gekauft hätte, wenn er von dem Einbau der unzulässigen Abschalt­ein­richtung und den damit möglicherweise verbundenen Konsequenzen gewusst hätte.

Bekannte Tatsachen ausreichend zur Erkennung der Täuschungs­absicht

Die dem Kläger bekannten Tatsachen reichten aus, den Schluss nahe zu legen, dass der Einbau der Motor­steu­e­rungs­software, die nach ihrer Funktionsweise ersichtlich auf Täuschung der zuständigen Geneh­mi­gungs­behörde abzielte, auf einer am Kosten- und Gewinninteresse ausgerichteten Strate­gie­ent­scheidung beruhte. Denn die Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalt­ein­richtung betraf die grundlegende strategische Frage, mit Hilfe welcher technischen Lösung die Beklagte die Einhaltung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stick­o­xid­grenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte. Sie wirkte sich auf die Produktion von mehreren Millionen Fahrzeugen aus und war mit weitreichenden Konsequenzen, nicht zuletzt enormen Risiken, verbunden. Aus denselben Gründen war es weiter naheliegend, dass eine solche Strate­gie­ent­scheidung nicht etwa von einem untergeordneten Mitarbeiter im Alleingang, sondern von einem Vorstand oder einem sonstigen verfas­sungsmäßig berufenen Vertreter, dessen Verhalten der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist, getroffen oder jedenfalls gebilligt worden war.

Klageerhebung auch ohne näherer Kenntnis zumutbar

Für die Zumutbarkeit der Klageerhebung und damit den Beginn der Verjäh­rungsfrist bedurfte es nicht näherer Kenntnis des Klägers von den "internen Verant­wort­lich­keiten" im Hause der Beklagten. Insbesondere war es nicht erforderlich, die Verwirklichung des Tatbestands des § 826 BGB zuverlässig einer namentlich benannten Person im Hause der Beklagten zuzuordnen. Nach den von der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sekundären Darlegungslast kann das Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden vom Kläger keinen näheren Vortrag dazu verlangen, welche konkrete bei der Beklagten tätige Person das sittenwidrige Verhalten an den Tag gelegt hat.

Rechts­ver­folgung versprach schon 2015 hinreichende Aussicht auf Erfolg

Darauf, ob der Kläger bereits 2015 aus den ihn bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zog, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB herleitete, kommt es nicht an. Der eng begrenzte Ausnahmefall, dass die Erhebung einer (Feststellungs-)Klage wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage unzumutbar war und der Verjäh­rungs­beginn daher hinausgeschoben wurde, liegt hier nicht vor. Ausgehend von der schon bestehenden Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs zu § 826 BGB (insbesondere zu Sitten­wid­rigkeit und Schaden) sowie zur sekundären Darlegungslast war schon 2015 erkennbar, dass sich diese Rechtsprechung auf die hier vorliegende Fallkon­stel­lation übertragen lassen würde, so dass die Rechts­ver­folgung schon 2015 hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach und zumutbar war.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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