Im zugrunde liegenden Fall schossen die beiden Beklagten in der Neujahrsnacht 1981/82 in der Nähe des Hauses des Klägers Silvesterraketen ab. Der Kläger stand von den Beklagten etwa 17,5 Meter entfernt und wurde von einem Gegenstand unterhalb des rechten Auges getroffen und verletzt. Nach Ansicht des Klägers zündeten die Beklagten zwei Raketen an, die sie zusammen in eine Sektflasche gesteckt hatten, dabei habe eine der beiden Raketen ihre Flugbahn nicht eingehalten, sei zur Erde zurückgekommen und habe ihn verletzt. Das habe zu einem blutenden Riss unterhalb des rechten Auges und zu einer stumpfen Augapfelverletzung geführt. Infolgedessen sei das Sehvermögen auf seinem rechten Auge stark herabgesetzt und das beidäugige Sehen aufgehoben worden.
Das Landgericht Dortmund hat der Klage des Geschädigten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld lediglich zur Hälfte stattgegeben, das Oberlandesgericht Hamm hat die Klage abgewiesen. Auch die Revision des Klägers hatte letztlich keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof konnte nicht feststellen, durch welchen Gegenstand die Verletzung des Klägers herbeigeführt worden ist. In Betracht kämen der Stabilisierungsstab einer der beiden Raketen bzw. der Leitstab oder der Rest einer von anderen Personen abgefeuerten Rakete. Eine Klageabweisung sei nach Meinung des Gerichts deshalb gerechtfertigt, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hätten. Zumindest sei eine Haftung wegen Mitverschuldens der Beklagten gem. § 254 BGB ausgeschlossen, da der Kläger während des Zündens der Beklagten näher an die Abschussstelle herangegangen sei, ohne dass diese es merken konnten, er sein Gesicht ungeschützt in Richtung der abgeschossenen Rakete nach oben gewandt habe und um die Gefährlichkeit des Aufenthaltsortes gewusst habe, da seine Frau nur kurze Zeit zuvor von einem Raketenteil auf der Schulter getroffen worden sei.
Grundsätzlich seien an die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk veranstalten bzw. entzünden hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere müsse ein Standort gewählt werden, von dem aus andere Personen oder Sachen nicht (ernsthaft) gefährdet würden. Da ein Fehlstart von Raketen niemals völlig ausgeschlossen werden könne, müsse beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten könnten. Eine solche Gefahr habe sich aber hier nicht ausgewirkt. Die Raketen seien in die Höhe gestiegen und haben aufgeblitzt und damit funktioniert.
Zudem hätten die Beklagten nur nicht erlaubnispflichtige Raketen gezündet, die Führungsstäbe dieser Raketen seien in Ordnung gewesen und es habe keinen Bedienungsfehler dargestellt, dass die Beklagten die beiden Raketen in eine Sektflasche stellten und sie gleichzeitig oder in kurzem zeitlichen Abstand zündeten. Auch aus der Tatsache, dass sie für das Entzünden ihrer Feuerwerkskörper einen Standort wählten, der nur 25 Meter von den ihnen am nächsten stehenden Menschen entfernt war, könne ihnen kein Vorwurf gemacht werden.
Zum Jahreswechsel seien nach Auffassung des Gerichts darüber hinaus die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern herabgesetzt. In der Silvesternacht sei es zulässig - und in allen Städten und Gemeinden üblich - nichterlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden. Auf diesen Brauch richte sich der Verkehr ein, auch was - in vernünftigen Grenzen - die Maßnahmen zum Selbstschutz betreffe. Das entbinde zwar den, der ein Feuerwerk abbrennt, nicht von der Verantwortung dafür, die Feuerwerksköper nur bestimmungsgemäß und unter Beachtung der Gebrauchsanleitung, insbesondere unter Einhaltung der vom Hersteller verlangten Sicherheitsvorkehrungen zu verwenden. Ebensowenig sei er davon befreit, sorgfältig auf besondere Umstände zu achten, aufgrund derer das Abbrennen des Feuerwerks an der von ihm ausgewählten Stelle mit Gefahren verbunden sein könnte. Soweit es aber nur um „normale“ Gefährdungen durch erlaubnisfreie Feuerwerkskörper für Personen gehe, die sich im Freien in der Nähe der Abschussstellen aufhalten und sich auf das Feuerwerk einstellen können, begründen diese im allgemeinen keine Haftungsverantwortlichkeit. Jeder vernünftige Mensch, der dem Silvesterfeuerwerk zuschaue, richte sich auf derartige Gefährdungen selbst ein, sofern sie nicht aus Richtungen kommen, aus denen er sie nicht erwarten brauche. Vorkehrungen zum Schutz auch dieses Personenkreises vor den „normalen“ Gefährdungen bedürfe es deshalb nicht, jedenfalls nicht in der Neujahrsnacht.
Da die Beklagten nur erlaubnisfreie Raketen benutzt und diese auch ordnungsgemäß abgeschossen hätten, die Raketen auch einwandfrei funktionierten und der Kläger die beiden Beklagten beim Abfeuern der Raketen beobachtet und sich damit auf etwaige Gefährdungen durch diese Raketen habe einstellen können, haben die Beklagten dem Geschädigten gegenüber die in der Silvesternacht gebotenen Sicherungspflichten erfüllt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.12.2010
Quelle: ra-online (ac)