21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Bundesgerichtshof Urteil09.07.1985

Silves­ter­feu­erwerk: Kein Schaden­s­er­satz­an­spruch bei Schäden durch zugelassene und ordnungsgemäß verwendete RaketenBGH zu den Sorgfalts­pflichten beim Entzünden von Raketen zu Silvester

Beim Zünden von Silves­ter­raketen müssen Standorte gewählt werden, von denen aus andere Personen oder Sachen nicht (ernsthaft) gefährdet werden. Dennoch ist die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht beim Abbrennen von Feuer­werks­körpern in der Silvesternacht herabgesetzt und Beobachter des Feuerwerks müssen sich auf entsprechende Gefährdungen durch Feuer­werks­körper einstellen. Kommt es zu Schäden oder Verletzungen bestehen dann keine Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen den Verwender der Silves­ter­knaller, wenn es sich um nicht erlaub­nis­pflichtige Feuer­werks­körper handelt und diese ordnungsgemäß angewendet wurden. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof

Im zugrunde liegenden Fall schossen die beiden Beklagten in der Neujahrsnacht 1981/82 in der Nähe des Hauses des Klägers Silvesterraketen ab. Der Kläger stand von den Beklagten etwa 17,5 Meter entfernt und wurde von einem Gegenstand unterhalb des rechten Auges getroffen und verletzt. Nach Ansicht des Klägers zündeten die Beklagten zwei Raketen an, die sie zusammen in eine Sektflasche gesteckt hatten, dabei habe eine der beiden Raketen ihre Flugbahn nicht eingehalten, sei zur Erde zurückgekommen und habe ihn verletzt. Das habe zu einem blutenden Riss unterhalb des rechten Auges und zu einer stumpfen Augap­fel­ver­letzung geführt. Infolgedessen sei das Sehvermögen auf seinem rechten Auge stark herabgesetzt und das beidäugige Sehen aufgehoben worden.

Klage des Geschädigten erfolglos

Das Landgericht Dortmund hat der Klage des Geschädigten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld lediglich zur Hälfte stattgegeben, das Oberlan­des­gericht Hamm hat die Klage abgewiesen. Auch die Revision des Klägers hatte letztlich keinen Erfolg.

Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt seitens der Beklagten nicht erkennbar

Der Bundes­ge­richtshof konnte nicht feststellen, durch welchen Gegenstand die Verletzung des Klägers herbeigeführt worden ist. In Betracht kämen der Stabi­li­sie­rungsstab einer der beiden Raketen bzw. der Leitstab oder der Rest einer von anderen Personen abgefeuerten Rakete. Eine Klageabweisung sei nach Meinung des Gerichts deshalb gerechtfertigt, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hätten. Zumindest sei eine Haftung wegen Mitverschuldens der Beklagten gem. § 254 BGB ausgeschlossen, da der Kläger während des Zündens der Beklagten näher an die Abschussstelle herangegangen sei, ohne dass diese es merken konnten, er sein Gesicht ungeschützt in Richtung der abgeschossenen Rakete nach oben gewandt habe und um die Gefährlichkeit des Aufent­haltsortes gewusst habe, da seine Frau nur kurze Zeit zuvor von einem Raketenteil auf der Schulter getroffen worden sei.

Feuer­werks­ver­an­stalter müssen sichere Standorte für Zünden von Raketen wählen

Grundsätzlich seien an die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk veranstalten bzw. entzünden hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere müsse ein Standort gewählt werden, von dem aus andere Personen oder Sachen nicht (ernsthaft) gefährdet würden. Da ein Fehlstart von Raketen niemals völlig ausgeschlossen werden könne, müsse beim Abbrennen von Feuer­werks­körpern ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten könnten. Eine solche Gefahr habe sich aber hier nicht ausgewirkt. Die Raketen seien in die Höhe gestiegen und haben aufgeblitzt und damit funktioniert.

Beklagte haben Raketen ordnungsgemäß verwendet

Zudem hätten die Beklagten nur nicht erlaub­nis­pflichtige Raketen gezündet, die Führungsstäbe dieser Raketen seien in Ordnung gewesen und es habe keinen Bedie­nungs­fehler dargestellt, dass die Beklagten die beiden Raketen in eine Sektflasche stellten und sie gleichzeitig oder in kurzem zeitlichen Abstand zündeten. Auch aus der Tatsache, dass sie für das Entzünden ihrer Feuer­werks­körper einen Standort wählten, der nur 25 Meter von den ihnen am nächsten stehenden Menschen entfernt war, könne ihnen kein Vorwurf gemacht werden.

Verkehrs­si­che­rungs­pflicht beim Abbrennen von Feuer­werks­körpern an Silvester herabgesetzt

Zum Jahreswechsel seien nach Auffassung des Gerichts darüber hinaus die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht beim Abbrennen von Feuer­werks­körpern herabgesetzt. In der Silvesternacht sei es zulässig - und in allen Städten und Gemeinden üblich - nichter­laub­nis­pflichtige Feuer­werks­körper zu zünden. Auf diesen Brauch richte sich der Verkehr ein, auch was - in vernünftigen Grenzen - die Maßnahmen zum Selbstschutz betreffe. Das entbinde zwar den, der ein Feuerwerk abbrennt, nicht von der Verantwortung dafür, die Feuerwerksköper nur bestim­mungsgemäß und unter Beachtung der Gebrauchs­an­leitung, insbesondere unter Einhaltung der vom Hersteller verlangten Sicher­heits­vor­keh­rungen zu verwenden. Ebensowenig sei er davon befreit, sorgfältig auf besondere Umstände zu achten, aufgrund derer das Abbrennen des Feuerwerks an der von ihm ausgewählten Stelle mit Gefahren verbunden sein könnte. Soweit es aber nur um „normale“ Gefährdungen durch erlaubnisfreie Feuer­werks­körper für Personen gehe, die sich im Freien in der Nähe der Abschussstellen aufhalten und sich auf das Feuerwerk einstellen können, begründen diese im allgemeinen keine Haftungs­ver­ant­wort­lichkeit. Jeder vernünftige Mensch, der dem Silves­ter­feu­erwerk zuschaue, richte sich auf derartige Gefährdungen selbst ein, sofern sie nicht aus Richtungen kommen, aus denen er sie nicht erwarten brauche. Vorkehrungen zum Schutz auch dieses Personenkreises vor den „normalen“ Gefährdungen bedürfe es deshalb nicht, jedenfalls nicht in der Neujahrsnacht.

Beklagte haben gebotenen Siche­rungs­pflichten erfüllt

Da die Beklagten nur erlaubnisfreie Raketen benutzt und diese auch ordnungsgemäß abgeschossen hätten, die Raketen auch einwandfrei funktionierten und der Kläger die beiden Beklagten beim Abfeuern der Raketen beobachtet und sich damit auf etwaige Gefährdungen durch diese Raketen habe einstellen können, haben die Beklagten dem Geschädigten gegenüber die in der Silvesternacht gebotenen Siche­rungs­pflichten erfüllt.

Quelle: ra-online (ac)

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