18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 29953

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Urteil08.03.2021BundesgerichtshofVI ZR 505/19
Vorinstanzen:
  • Landgericht Halle, Urteil07.05.2019, 9 O 13/18
  • , Urteil30.10.2019, 3 U 42/19
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil08.03.2021

Abgasskandal: Erfolgreiche Revision gegen Verurteilung der Audi AG in "Dieselverfahren"Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch Audi nicht festgestellt

Der BGH hat ein Urteil im sogenannten Dieselskandal aufgehoben und an das OLG Naumburg zurückverwiesen, weil das Berufungs­gericht nicht festgestellt hat, dass nicht nur bei der Mutter­ge­sell­schaft, sondern auch bei der Audi AG eine auf arglistige Täuschung des Kraftfahrt­bundesamtes und letztlich der Fahrzeu­g­er­werber gerichtete Strategie­entscheidung getroffen wurde oder für die Audi AG handelnde Personen an der von der Mutter­ge­sell­schaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren.

Im hier vorliegenden Fall erwarb der Kläger im Mai 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten Audi A6 Avant, der mit einem 2,-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der von der Volkswagen AG entwickelte und gelieferte Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und die in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stick­o­xid­ausstoß auf dem Prüfstand.

Kläger Fahrzeug vom Rückruf betroffen

Im September 2015 wurde die Verwendung der Software mit den zwei Betriebsmodi zur Fahrzeug­steuerung bekannt. Im Oktober 2015 ordnete das Kraft­fahrt­bun­desamt (KBA) gegenüber der Volkswagen AG nachträgliche Neben­be­stim­mungen für die erteilte Typgenehmigung an. Die Volkswagen AG wurde darin verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen, bei denen innerhalb des VW-Konzerns Dieselmotoren vom Typ EA189 EU 5 zum Einbau gelangten, die aus Sicht des Kraft­fahrt­bun­desamtes unzulässige Abschalt­ein­richtung zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. In der Folge wurde auf das Fahrzeug des Klägers im Juli 2016 ein Software-Update aufgespielt.

Klage in Vorinstanzen überwiegend erfolgreich

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der verlangten Zinsen stattgegeben. Das Oberlan­des­gericht hat unter Zulassung der Revision die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz dem Grunde nach bestätigt, bei der Bemessung der Höhe des zu zahlenden Betrages allerdings einen Abzug von der Kaufpreissumme wegen der erfolgten Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger vorgenommen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt.

BGH hebt Urteil wegen fehlender Feststellung der arglistigen Täuschung auf

Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Das Berufungs­gericht hat insbesondere nicht festgestellt, dass nicht nur bei der Mutter­ge­sell­schaft, sondern auch bei der Beklagten eine auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeu­g­er­werber gerichtete Strate­gie­ent­scheidung getroffen wurde oder für die Beklagte handelnde Personen an der von der Mutter­ge­sell­schaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren.

Wissen um Software zum Zweck der arglistigen Täuschung auch ausreichend

Allerdings kommt ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten auch dann in Betracht, wenn die für die Beklagte handelnden Personen wussten, dass die von der Mutter­ge­sell­schaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstand­ser­ken­nungs­software ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten. Ein derartiges Vorstel­lungsbild hat das Berufungs­gericht aber im Hinblick auf Personen, für deren Verhalten die Beklagte entsprechend § 31 BGB einzustehen hat, nicht rechts­feh­lerfrei festgestellt.

Haftung Audis kann nicht mittels einer Zurechnung des Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden

Rechts­feh­lerhaft hat das Berufungs­gericht angenommen, die Haftung der Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB könne mittels einer Zurechnung des Wissens von verfas­sungs­gemäßen Vertretern der Volkswagen AG entsprechend § 166 BGB begründet werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15) setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass einer ihrer verfas­sungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissens­zu­sam­men­rechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sitten­wid­rigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil. So wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schaden­s­er­satz­pflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissens­zu­rechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen.

Tatsächliche Feststellungen zu Vorgängen bei Audi nicht ausreichend

Zudem hat das Berufungs­gericht nicht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu Vorgängen innerhalb ihres Unternehmens, die auf eine Kenntnis ihrer verfas­sungs­mäßigen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalt­ein­richtung schließen lassen sollen, getroffen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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