21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 29574

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Urteil08.12.2020BundesgerichtshofVI ZR 244/20
Vorinstanzen:
  • Landgericht Aachen, Urteil26.07.2019, 5 O 762/18
  • Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil13.02.2020, 14 U 244/19
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Bundesgerichtshof Urteil08.12.2020

Kein Anspruch auf Schadensersatz bei Kauf eines Gebrauchtwagens nach Bekanntwerden des AbgasskandalKeine Täuschung argloser Käufer ab Ad-hoc-Mitteilung

Der BGH hat entschieden, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung versehenen Gebrauchtwagens der Marke Audi, der das Fahrzeug erst nach Bekanntwerden des Dieselskandals erworben hatte, kein Schadensersatz von der VW AG zusteht.

Der Kläger erwarb im Mai 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten Audi Q5 2. TDI zu einem Kaufpreis von 32.600 €, der mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Motors. Die im Zusammenhang mit diesem Motor verwendete Software führte zu einer Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren. Die Software bewirkte, dass eine Prüfungs­si­tuation, in der der Abgasausstoß gemessen wird, erkannt und die Abgas­auf­be­reitung für deren Dauer optimiert wurde. Im normalen Betrieb außerhalb des Prüfstands war diese Abgas­auf­be­reitung abgeschaltet.

Unregel­mä­ßig­keiten bei Software bereits seit 2015 bekannt

Breits vor dem Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die Beklagte in einer Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit über Unregel­mä­ßig­keiten der Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189, die auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden sei, informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstands­werten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wertete die Programmierung als unzulässige Abschalt­ein­richtung und verpflichtete die Beklagte, die Vorschrifts­mä­ßigkeit der betroffenen Fahrzeuge durch geeignete Maßnahmen wieder­her­zu­stellen. Das daraufhin von der Beklagten entwickelte Software-Update wurde im Januar 2017 bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt.

BGH verneint Anspruch auf Schadensersatz

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlan­des­gericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat das klageabweisende Urteil des Landgerichts wieder­her­ge­stellt.

Vorwurf der Sitten­wid­rigkeit nach Bekanntwerden nicht mehr gerechtfertigt

Wie der Sechste BGH-Senat bereits mit Urteil vom 30. Juli 2020 entschieden hat, ist für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schaden­s­ur­sächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich ausein­an­der­fallen und der Schädiger sein Verhalten zwischen­zeitlich nach außen erkennbar geändert hat. Durch die vom Berufungs­gericht festgestellte Verhal­ten­s­än­derung der Beklagten wurden wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), derart relativiert, dass der Vorwurf der Sitten­wid­rigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger nicht mehr gerechtfertigt ist.

Ad-hoc-Mitteilung gilt für alle Marken vom VW

Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass der Kläger im Streitfall ein Fahrzeug der Marke Audi und nicht der Marke Volkswagen erworben hat. Die Beklagte hat ihre Verhal­ten­s­än­derung nicht auf ihre Kernmarke Volkswagen beschränkt, sondern im Gegenteil bereits in ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 darauf hingewiesen, dass die betreffende Steue­rungs­software auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden und dass der Motor vom Typ EA189 auffällig sei, ohne diesbezüglich eine Einschränkung auf eine bestimmte Marke des Konzerns vorzunehmen. Mit diesem Schritt an die Öffentlichkeit und der damit verbundenen Mitteilung, mit den zuständigen Behörden und dem KBA bereits in Kontakt zu stehen, hat die Beklagte ihre strategische unter­neh­me­rische Entscheidung, das KBA und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, auch bezüglich der weiteren Konzernmarken ersetzt durch die Strategie, Unregel­mä­ßig­keiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten. Damit war das Verhalten der Beklagten generell, d.h. hinsichtlich aller Konzernmarken, nicht mehr darauf angelegt, das KBA und arglose Erwerber zu täuschen.

Haftung des Autohauses wegen unzutreffende Auskunft möglich

Dass der Kläger im Rahmen des Verkaufs­ge­sprächs eine im Hinblick auf die Verwendung des VW-Motors EA189 und die zugehörige Abgas­pro­blematik unzutreffende Auskunft ("Wir sind Audi und nicht VW") erhalten haben mag, könnte unter Umständen eine eigenständige Haftung des Autohauses begründen, ist aber nicht der Beklagten zuzurechnen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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