15.11.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.
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Bundesgerichtshof Urteil24.06.2008

BGH: Paparazzi-Fotos von Heide Simonis verletzen nicht das Persön­lich­keitsrechtEhemalige Minis­ter­prä­si­dentin verliert gegen die "Bild"-Zeitung

Heide Simonis steht kein Unterlassungs- oder Auskunfts­an­spruch bezüglich der Fotos zu, die nach ihrem spektakulären Ausscheiden als Minis­ter­prä­si­dentin gemacht wurden. Bei den Fotografien handelt es sich um "Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte", urteilte der Bundes­ge­richtshof. Die Fotos zeigen Simonis bei privaten Einkäufen in einem belebten Einkaufszentrum.

Die Klägerin schied am 27. April 2005 aus dem Amt der Minis­ter­prä­si­dentin von Schleswig-Holstein aus. Sie beanstandet, an diesem Tag und am Folgetag von Reportern der Beklagten verfolgt und fotografiert worden zu sein. Ferner beanstandet sie die Veröf­fent­lichung einiger Fotos in der von der Beklagten herausgegebenen "Bild"-Zeitung, mit denen der Artikel vom 28. April 2005 "Danach ging Heide erst mal shoppen" illustriert war; die beanstandeten Fotos zeigen die Klägerin bei privaten Einkäufen.

Landgericht Berlin verurteilte die Bild-Zeitung

Das Landgericht Berlin hat die Beklagte zur Unterlassung der Bildver­öf­fent­lichung verurteilt. Es hat sie ferner verurteilt, darüber Auskunft zu erteilen, welche Bildnisse der Klägerin sie in Besitz hat, die sie aufgrund der Beobachtung der Klägerin am 27. und 28. April 2005 von drei Fotografen erhalten hat. Schließlich hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin von Anwaltskosten für die Rechts­ver­folgung freizustellen.

Kammergericht wies die Simonis

Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Unter­las­sungsklage abgewiesen; der Auskunfts- und Freistel­lungsklage hat es nur teilweise bezogen auf die am 28. April 2005 gefertigten Fotos stattgegeben. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt.

BGH weist die Klage nun vollständig ab

Der u. a. für Fragen der Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts zuständige VI. Zivilsenat hat die Klage nunmehr vollständig abgewiesen. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der am 27. April 2005 gefertigten Fotos zu.

BGH: Fotos sind Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte

Bei den Fotos handelt es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, die ohne Einwilligung der Klägerin veröffentlicht werden durften. Für Personen des politischen Lebens ist ein gesteigertes Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse des Publikums anzuerkennen. Die Fotos, welche die Klägerin in unverfänglichen Situationen in einem frequentierten Einkaufszentrum zeigen, wurden an dem Tag gefertigt, als die Klägerin nach rund zwölfjähriger Amtszeit unter spektakulären Umständen als Minis­ter­prä­si­dentin abgelöst wurde. Im Hinblick darauf ist ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an dem Verhalten der Klägerin unmittelbar nach ihrem Amtsverlust anzuerkennen. Die Information darüber, wie sich die bisherige Regie­rung­s­chefin in dieser Situation präsentierte, hatte einen Bezug zur politischen Debatte. Ein Politiker kann sich in einer Situation, wie sie damals gegeben war, nicht ohne Weiteres der Berich­t­er­stattung unter Berufung auf seine Privatheit nach dem Amtsverlust entziehen.

Der Bundes­ge­richtshof hat auch einen Auskunfts­an­spruch verneint, soweit es um Fotos vom 28. April 2005 geht. An diesem Tag bestand das Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Öffentlichkeit noch fort, sodass dem Persön­lich­keits­schutz der Klägerin kein Vorrang vor dem Berich­t­er­stat­tungs­in­teresse der Beklagten zukam. Ein Vernichtungs- oder Heraus­ga­be­an­spruch – der grundsätzlich einen schweren Eingriff in das Recht der Presse zur Vorhaltung eines Pressearchivs darstellt – wäre unter diesen Voraussetzungen nur in Betracht gekommen, wenn eine Veröf­fent­lichung der Bilder unter keinen Umständen zulässig wäre, wie etwa bei Fotos aus dem Bereich der Intimsphäre oder bei rechtswidriger Fertigung oder Erlangung der Fotos. Das war vorliegend nicht der Fall, sodass auch kein vorbereitender Auskunfts­an­spruch bestand, ebenso wenig wie ein Anspruch der Klägerin auf Freistellung von Anwaltskosten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 120/08 des BGH vom 24.06.2008

der Leitsatz

KunstUrhG § 22, § 23, § 37

BGB § 242, § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1

a) Im Zusammenhang mit der Presse­be­rich­t­er­stattung über ein bedeutendes politisches Ereignis (hier: Abwahl einer Minis­ter­prä­si­dentin) kann die ohne Einwilligung erfolgende Veröf­fent­lichung von Fotos, die die betroffene Politikerin bei nachfolgender privater Betätigung zeigen (hier: Einkäufe), durch das Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.

b) Die Tatsache, dass nach einem solchen Ereignis das Verhalten der Fotoreporter zu einer gewissen Belästigung der Politikerin geführt hat, rechtfertigt nicht ohne Weiteres Ansprüche auf Auskunft darüber, welche Fotos gefertigt und dem beklagten Presseorgan überlassen wurden, und auf Herausgabe oder Vernichtung der vorhandenen Fotos.

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