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Dokument-Nr. 972

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Bundesgerichtshof Urteil13.09.2005

Schaden­s­er­satzklage der BRD über 70 Millionen DM vorerst gescheitertGericht war bei der Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt

Die klagende Bundesrepublik verlangt von der in Liechtenstein lebenden Beklagten eine Rückzahlung von 70 Millionen DM. Dieser Betrag war der Beklagten Anfang 1990 nach 17jährigem Streit als Teilent­schä­digung für angeblich infolge der Kriegs­e­r­eignisse verloren gegangene Daimler-Benz-Aktien ihres Schwiegervaters im Nennwert von 500.000 Reichsmark auf Grundlage des Wertpa­pier­be­rei­ni­gungs­schluß­ge­setzes gezahlt worden.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrunde liegenden Beschluss des Oberlan­des­ge­richts Stuttgart aus dem Jahr 1989, der einen wegen hoher Kurszuwächse auszuzahlenden Betrag von 106 Millionen DM festgestellt hat, sittenwidrig durch Täuschung des Gerichts erschlichen, indem sie Urkunden gefälscht und Zeugen bestochen habe.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin hin stattgegeben und die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen. Der Bundes­ge­richtshof hat nun das Urteil wegen der Verletzung des verfas­sungsmäßig garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG) aufgehoben und an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen.

Das Berufungs­gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. Der Vorsitzende Richter des Zivilsenats des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt war von Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Dies hätte das Präsidium bei der Beschluss­fassung über den Geschäfts­ver­tei­lungsplan für das Geschäftsjahr 2004 berücksichtigen müssen, weil nicht absehbar war, ob und wann der Vorsitzende wieder dienstfähig sein werde. Gemäß § 21 f GVG haben den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Oberlan­des­ge­richten grundsätzlich die Vorsitzenden Richter zu führen. Bei deren Verhinderung ist zwar eine Vertretung möglich. Dies gilt jedoch nur bei einer vorübergehenden Verhinderung, von der im Streitfall nicht mehr ausgegangen werden konnte.

Zum Zeitpunkt der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung am 11. März 2004 war das Berufungs­gericht daher nicht ordnungsgemäß besetzt. Die Sache muss deshalb vor dem Oberlan­des­gericht neu verhandelt werden.

Art. 101 Abs. 1 GG:

"Ausnah­me­ge­richte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden."

Vorinstanzen:

LG Frankfurt,

OLG Frankfurt, 16 U 159/02: Schadensersatz wegen sittenwidrigen Erschleichens einer Gericht­s­ent­scheidung

Quelle: Pressemitteilung Nr. 122/05 des BGH vom 13.09.2005

der Leitsatz

GVG § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden.

b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde wird, ist eine unter Berück­sich­tigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäfts­ver­tei­lungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Frage nach der voraus­sicht­lichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann hiernach nicht mit einer Wieder­her­stellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des Geschäfts­ver­tei­lungsplans für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen.

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