21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil16.05.2017

Dynamische IP-Adressen dürfen als perso­nen­be­zogene Daten nur unter bestimmten Voraussetzungen gespeichert werdenBundes­ge­richtshof zur Zulässigkeit der Speicherung von dynamischen IP-Adressen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass es sich bei dynamischen IP-Adressen um perso­nen­be­zogene Daten handelt. Die IP-Adresse darf als ein solches perso­nen­be­zogenes Datum nur unter bestimmten Voraussetzungen - etwa zur Abwehr von Cyberattacken - gespeichert werden.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens verlangte von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Unterlassung der Speicherung von dynamischen IP-Adressen. Dies sind Ziffernfolgen, die bei jeder Einwahl vernetzten Computern zugewiesen werden, um deren Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Bei einer Vielzahl allgemein zugänglicher Internetportale des Bundes werden alle Zugriffe in Proto­koll­dateien festgehalten mit dem Ziel, Angriffe abzuwehren und die strafrechtliche Verfolgung von Angreifern zu ermöglichen. Dabei werden unter anderem der Name der abgerufenen Seite, der Zeitpunkt des Abrufs und die IP-Adresse des zugreifenden Rechners über das Ende des jeweiligen Nutzungs­vorgangs hinaus gespeichert. Der Kläger rief in der Vergangenheit verschiedene solcher Internetseiten auf.

Kläger wehrt sich gegen Speicherung der zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen Nutzungs­vorgangs hinaus

Mit seiner Klage begehrt er, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen Nutzungs­vorgangs hinaus zu speichern. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dem Kläger den Unter­las­sungs­an­spruch nur insoweit zuerkannt, als er Speicherungen von IP-Adressen in Verbindung mit dem Zeitpunkt des jeweiligen Nutzungs­vorgangs betrifft und der Kläger während eines Nutzungs­vorgangs seine Personalien angibt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision eingelegt.

BGH weist Sache im Anschluss an Entscheidung des EuGH zurück an Berufungs­gericht

Der Bundes­ge­richtshof hatte mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Auslegung der EG-Datenschutz-Richtlinie zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt. Nachdem der Gerichtshof mit Urteil vom 19. Oktober 2016 die Fragen beantwortet hat, hat der Bundes­ge­richtshof nunmehr über die Revisionen der Parteien entschieden. Diese hatten Erfolg und führten zur Aufhebung des Berufungs­urteils und zur Zurück­ver­weisung der Sache an das Berufungs­gericht.

Tatbe­stands­merkmal "perso­nen­be­zogene Daten" ist richt­li­ni­en­konform auszulegen

Auf der Grundlage des EuGH-Urteils ist das Tatbe­stands­merkmal "perso­nen­be­zogene Daten" des § 12 Abs. 1 und 2 TMG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BDSG richt­li­ni­en­konform auszulegen: Eine dynamische IP-Adresse, die von einem Anbieter von Online-Mediendiensten beim Zugriff einer Person auf eine Internetseite, die dieser Anbieter allgemein zugänglich macht, gespeichert wird, stellt für den Anbieter ein (geschütztes) perso­nen­be­zogenes Datum dar.

IP-Adresse darf unter bestimmten Voraussetzungen gespeichert werden

Als perso­nen­be­zogenes Datum darf die IP-Adresse nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 TMG gespeichert werden. Diese Vorschrift ist richt­li­ni­en­konform entsprechend Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 EG – in der Auslegung durch den EuGH – dahin anzuwenden, dass ein Anbieter von Online-Mediendiensten perso­nen­be­zogene Daten eines Nutzers dieser Dienste ohne dessen Einwilligung auch über das Ende eines Nutzungs­vorgangs hinaus dann erheben und verwenden darf, soweit ihre Erhebung und ihre Verwendung erforderlich sind, um die generelle Funkti­o­ns­fä­higkeit der Dienste zu gewährleisten. Dabei bedarf es allerdings einer Abwägung mit dem Interesse und den Grundrechten und -freiheiten der Nutzer.

Berufungs­gericht muss tatsächliche Notwendigkeit der Speicherung der IP-Adressen des Klägers prüfen

Diese Abwägung konnte im Streitfall auf der Grundlage der vom Berufungs­gericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend vorgenommen werden. Das Berufungs­gericht hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Speicherung der IP-Adressen des Klägers über das Ende eines Nutzungs­vorgangs hinaus erforderlich ist, um die (generelle) Funkti­o­ns­fä­higkeit der jeweils in Anspruch genommenen Dienste zu gewährleisten. Die Beklagte verzichtet nach ihren eigenen Angaben bei einer Vielzahl der von ihr betriebenen Portale mangels eines "Angriffsdrucks" darauf, die jeweiligen IP-Adressen der Nutzer zu speichern. Demgegenüber fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wie hoch das Gefah­ren­po­tential bei den übrigen Online-Mediendiensten des Bundes ist, welche der Kläger in Anspruch nehmen will. Erst wenn entsprechende Feststellungen hierzu getroffen sind, wird das Berufungs­gericht die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Beklagten an der Aufrecht­er­haltung der Funkti­o­ns­fä­higkeit ihrer Online-Mediendienste und dem Interesse oder den Grundrechten und -freiheiten des Klägers vorzunehmen haben. Dabei werden auch die Gesichtspunkte der Genera­l­prä­vention und der Strafverfolgung gebührend zu berücksichtigen sein.

* § 12 Teleme­di­en­gesetz - Grundsätze

(1) Der Diensteanbieter darf perso­nen­be­zogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechts­vor­schrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

(2) [...]

** § 15 Teleme­di­en­gesetz - Nutzungsdaten

(1) Der Diensteanbieter darf perso­nen­be­zogene Daten eines Nutzers nur erheben und verwenden, soweit dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen (Nutzungsdaten) [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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