Dokument-Nr. 13396
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- MDR 2012, 641Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 641
- NJW 2012, 1728Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 1728
- Landgericht Waldshut-Tiengen, Urteil09.07.2009, 2 O 223/07
- Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil25.03.2011, 14 U 158/09
Bundesgerichtshof Urteil20.03.2012
Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Veröffentlichung eines Fotos von einer bei einem Verkehrsunfall getöteten jungen Frau in der ZeitungEltern der Verstorbenen haben keinen Anspruch auf Entschädigung zum Ausgleich immaterieller Schäden wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder auf Zahlung einer Lizenzgebühr
Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG kann nur einer lebenden Person zukommen, denn bei Zubilligung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung steht der Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer im Vordergrund, die einem Verstorbenen nicht mehr verschafft werden kann. Gegen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht können auch nicht die Eltern vorgehen, da nur der unmittelbar Verletzte dazu in der Lage ist. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs hervor.
Im vorliegenden Fall machten die Eltern einer bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Frau Ansprüche auf Lizenzzahlung und Geldentschädigung gegen den Herausgeber der Bild-Zeitung wegen der mehrfachen Veröffentlichung einer Fotografie ihrer Tochter geltend. Die damals 32-jährige kinderlose junge Frau wurde schuldlos in einen Unfall verwickelt, bei dem ihr Fahrzeug von einem entgegenkommenden schleudernden Fahrzeug erfasst und von der Straße eine Böschung hinab gestoßen wurde. Die junge Frau erlag noch am Unfallort ihren Verletzungen. In dem Fahrzeug des Unfallverursachers hatte sich als Beifahrer der damals insbesondere wegen seiner Teilnahme am Eurovision Song Contest 2004 bekannt gewordene Musiker Max Mutzke befunden. Fahrer und Beifahrer überlebten den Unfall.
Bild-Redakteur veröffentlicht Foto der verstorbenen Tochter gegen den Willen der Eltern
Ein Redakteur der Bild-Zeitung kontaktierte zwei Tage nach dem Unfall die Eltern der Getöteten und bat um Information über deren Tochter und die Herausgabe eines Fotos von ihr. Die Eltern verweigerten jegliche Information und auch die Herausgabe eines Bildes. Außerdem erklärten sie, mit der Veröffentlichung eines Fotos in der Zeitung nicht einverstanden zu sein. Daraufhin verschaffte sich der Mitarbeiter der Zeitung auf anderem Wege eine Porträtaufnahme und veröffentlichte diese zusammen mit einem ausführlichen Bericht über die an dem Unfall beteiligten Personen. Auch Einzelheiten aus dem Privatleben der verstorbenen jungen Frau seien dabei publik gemacht worden, unter anderem die Information, dass die Frau zum Unfallzeitpunkt schwanger gewesen sei. Die Eltern verlangten die Unterlassung der weiteren Verbreitung des Fotos und klagten auf Schadensersatz in Höhe von 15.000 Euro.
Kläger haben keinen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Schäden
Der Bundesgerichtshof bestätigte das zuvor ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Das Gericht hatte den Herausgeber der Zeitung auf Zahlung von 3.000 Euro verurteilt, verneinte jedoch jeden weitergehenden Anspruch. Ein Anspruch auf Entschädigung zum Ausgleich immaterieller Schäden wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Verstorbenen bestehe nicht. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG könne nur einer lebenden Person zukommen, denn bei Zubilligung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsverletzung stehe der Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer im Vordergrund, die einem Verstorbenen nicht mehr verschafft werden könne. Zudem könne in der Veröffentlichung kein die Menschenwürde der Tochter verletzender Eingriff gesehen werden. Das Bild zeige eine sympathische, hübsche junge Frau, die im Kontext der Berichterstattung als unschuldiges Opfer eines Verkehrsunfalls dargestellt werde. Gegen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht würden zudem auch nicht die Eltern vorgehen können, da nur der unmittelbar Verletzte dazu in der Lage sei. Im vorliegenden Fall sei die Veröffentlichung nicht mit einer unmittelbaren Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Eltern verbunden.
Den vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts steht gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich kein Vorrang zu
Auch eine Lizenzgebühr konnten die Eltern nicht verlangen. Die Verstorbene sei der Öffentlichkeit nicht bekannt gewesen und in ihrer Abbildung sei weder vor noch nach ihrem Tod ein wirtschaftlicher Wert im Sinne etwa eines Werbewertes zugekommen. Bei der rein publizistischen Verwendung einer ansonsten kommerziell nicht verwertbaren Abbildung zur Erläuterung eines redaktionellen Beitrags über ein zeitgeschichtliches Ereignis wie hier verkörpere das veröffentlichte Bild für den Abgebildeten keinen wirtschaftlichen Wert, der bei unbefugter Nutzung auszugleichen wäre. Zudem würde den nur einfachrechtlich geschützten vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts gegenüber der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsäußerungsfreiheit grundsätzlich kein Vorrang zustehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.05.2012
Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (vt/st)
der Leitsatz
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 2
a) Zur Frage, ob den Eltern einer bei einem Verkehrsunfall Getöteten eine Geldentschädigung zusteht, wenn die Presse über das Unfallgeschehen berichtet und dabei ein ihr von dritter Seite übergebenes neutrales Porträtfoto des Unfallopfers verbreitet hat, obwohl die Eltern die Veröffentlichung eines Bildes ihrer Tochter abgelehnt hatten.
b) Berichtet die Presse über einen die Öffentlichkeit interessierenden schweren Verkehrsunfall mit Todesopfer, stellt die Veröffentlichung eines kontextneutralen Porträtfotos des Unfallopfers im Rahmen der Berichterstattung in der Regel keine "kommerzielle Verwertung" im Sinne einer Ausnutzung der dem Bild zukommenden Verwertungsmöglichkeiten dar. Auf eine Lizenzgebühr gerichtete Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche des Abgebildeten bzw. seiner Erben bestehen in einem solchen Fall nicht.
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