21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 25510

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Urteil09.02.2018BundesgerichtshofV ZR 311/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 1542Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 1542
  • NJW-Spezial 2018, 204Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 204
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Magdeburg, Urteil03.07.2015, 10 O 1082/13
  • Oberlandesgericht Naumburg, Urteil14.01.2016, 4 U 52/15
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.02.2018

Handwerker verursacht einen auf das Nachbarhaus übergreifenden Brand: Grundstücks­eigentümer haftet für SchädenBGH zum nachbar­recht­lichen Ausgleichs­an­spruch

Der Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass ein Grundstücks­eigentümer, der einen Handwerker Repara­tu­r­a­r­beiten am Haus vornehmen lässt, gegenüber dem Nachbarn verantwortlich ist, wenn das Haus infolge der Arbeiten in Brand gerät und das Nachba­r­grundstück dabei beschädigt wird. Dass der Handwerker sorgfältig ausgesucht wurde, ändert daran nichts.

Die Beklagten des zugrunde liegenden Streitfalls sind die Rechts­nach­folger der ursprünglich beklagten Eheleute R., die im Laufe des Rechtsstreits verstorben sind. Die Eheleute R. waren Eigentümer eines Wohnhauses. Am 8. Dezember 2011 führte ein Dachdecker in ihrem Auftrag am Flachdach des Hauses Repara­tu­r­a­r­beiten durch. Im Verlauf der mit Hilfe eines Brenners durchgeführten Heißkle­be­a­r­beiten verursachte er schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes unter den aufgeschweißten Bahnen. Am Abend bemerkten die Eheleute Flammen in dem Bereich, in dem der Dachdecker gearbeitet hatte. Der alarmierten Feuerwehr gelang es nicht, das Haus zu retten. Es brannte vollständig nieder. Durch den Brand und die Löscharbeiten wurde das an das brennende Haus unmittelbar angebaute Haus der Nachbarin erheblich beschädigt.

Versicherung verlangt Entschädigung von Grund­s­tücks­ei­gen­tümern

Das Haus der Nachbarin ist bei der Klägerin versichert. Diese hat ihr eine Entschädigung geleistet und verlangte dann von den beklagten Grund­s­tü­ck­ei­gen­tümern aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG Ersatz (Über das Vermögen des zur Zahlung von 97.801,29 Euro verurteilten Dachdeckers ist das Verbrau­che­r­in­sol­venz­ver­fahren eröffnet).

Vorinstanzen verneinen Anspruch der Versicherung auf Koste­n­er­stattung

Das Landgericht Magdeburg wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts sind die Beklagten nicht zum Ersatz verpflichtet. Eine Haftung aus unerlaubter Handlung scheide aus, da keine Anhaltspunkte bestünden, dass ihre Rechtsvorgänger den Dachdecker nicht sorgfältig ausgewählt hätten. Der Klägerin stehe gegen die Beklagten auch kein verschul­den­su­n­ab­hängiger nachbar­recht­licher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Voraussetzung hierfür wäre, dass die damaligen Grundstückseigentümer Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Eheleute R. hätten mit der sorgfältigen Auswahl des Dachdeckers alles Erforderliche getan, um das Risiko eines Brandschadens im Zuge der Dachde­cker­a­r­beiten auszuschließen.

BGH: Versicherung steht verschul­den­su­n­ab­hängiger nachbar­recht­licher Ausgleichs­an­spruch zu

Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben und entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagten ein verschul­den­su­n­ab­hängiger nachbar­recht­licher Ausgleichs­an­spruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG zusteht.

Ein nachbar­rechtliche Ausgleichs­an­spruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privat­wirt­schaft­licher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschä­di­gungslos hinzunehmenden Beein­träch­tigung übersteigen. Hiervon ist auszugehen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann.

Voraussetzung für nachbar­recht­lichen Ausgleichs­an­spruch

Weitere Voraussetzung des nachbar­recht­lichen Ausgleichs­an­spruchs ist, dass der Anspruchsgegner als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist. Hierfür ist erforderlich, dass die Beein­träch­tigung des Nachba­r­grund­stücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grund­s­tücks­ei­gentümer oder -besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof in früheren Entscheidungen beispielsweise bejaht, wenn ein Haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte oder Leitungen in Brand gerät oder Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das Nachba­r­grundstück gelangt. Hierdurch verursachte Störungen stellen kein allgemeines Risiko dar, das sich wie etwa ein Blitzschlag - ebenso gut bei dem Haus des Nachbarn hätte verwirklichen können und dessen Auswirkungen von dem jeweils Betroffenen selbst zu tragen sind. Auch wenn konkret kein Anlass für ein vorbeugendes Tätigwerden bestanden haben mag, beruhen sie auf Umständen, auf die grundsätzlich der Grund­s­tücks­ei­gentümer bzw. -besitzer, und nur dieser, Einfluss nehmen konnte.

Sorgfältige Auswahl des Handwerkers ändert nichts an Haftung der Grund­s­tücks­ei­gentümer

Auch im vorliegenden Fall hat der Bundes­ge­richtshof die Störe­rei­gen­schaft bejaht. Der Annahme einer Verant­wort­lichkeit der Rechtsvorgänger der Beklagten steht nicht entgegen, dass der Brand auf die Handlung eines Dritten, nämlich auf die Arbeiten des von ihnen mit der Vornahme einer Dachreparatur beauftragten Handwerkers zurückzuführen ist. Mittelbarer Handlungsstörer ist auch derjenige, der die Beein­träch­tigung des Nachbarn durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willens­be­tä­tigung verursacht. Für die Zurechnung des durch den Handwerker herbeigeführten gefahr­trächtigen Zustands des Grundstücks kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsvorgänger der Beklagten bei der Auswahl des Handwerkers Sorgfalts­pflichten verletzt haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob es Sachgründe gibt, die aufgetretene Störung ihrem Verant­wor­tungs­bereich zuzurechnen. Das ist der Fall. Die Rechtsvorgänger der Beklagten waren diejenigen, die die Vornahme von Dacharbeiten veranlasst haben und die aus den beauftragten Arbeiten Nutzen ziehen wollten. Dass sie den Handwerker sorgfältig ausgesucht und ihm die konkrete Ausführungsart nicht vorgeschrieben haben, ändert nichts daran, dass sie mit der Beauftragung von Dacharbeiten eine Gefahrenquelle geschaffen haben und damit der bei der Auftrags­aus­führung verursachte Brand auf Umständen beruhte, die ihrem Einflussbereich zuzurechnen sind.

Die Sache wurde an das Oberlan­des­gericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Dieses hat zu klären, ob der geltend gemachte Anspruch der Höhe nach berechtigt ist.

§ 86 VVG Übergang von Ersatz­ansprüchen

(1) 1 Steht dem Versi­che­rungs­nehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. 2 Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versi­che­rungs­nehmers geltend gemacht werden.

§ 906 BGB (Zuführung unwägbarer Stoffe)

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. [...]

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beein­träch­tigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

§ 1004 Beseitigungs- und Unter­las­sungs­an­spruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beein­träch­tigung verlangen. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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