21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil03.07.2017

OLG Hamm zur Haftung eines Grundstücks­eigentümers für Versäumnisse seines Bauunternehmers beim Schutz einer Grenzwand zum NachbarnGrundstücks­eigentümer haftet nach den Vorschriften des Schuldrechts für Verschulen des Bauunternehmers

Lässt ein Grundstücks­eigentümer ein Gebäude abreißen und wird dadurch eine gemeinsame Grenzwand zum Grund­s­tücks­nachbar der Witterung ausgesetzt, muss diese Grenzwand geschützt werden. Versäumt dies der vom Eigentümer beauftragte Bauunternehmer, kann der Eigentümer dem Nachbarn zum Schadensersatz verpflichtet sein und nach den Vorschriften des Schuldrechts für ein Verschulden des Bauunternehmers einstehen zu haben (sogenannte Erfül­lungs­ge­hilfen­haftung gem. § 278 Bürgerliches Gesetzbuch).

Die Parteien des zugrunde liegenden Verfahrens sind Grund­s­tücks­nachbarn. Ursprünglich waren ihre Grundstücke mit aneinander grenzenden Doppel­haus­hälften bebaut, die durch eine gemeinsame Giebelwand voneinander getrennt waren. Nach Erwerb ihres Grundstücks ließen die Beklagten ihre Doppel­haus­hälfte im Sommer 2011 durch einen Bauunternehmer abreißen und neu errichten. Im Zuge der Baumaßnahme wurde die gemeinsame Grenzwand freigelegt und war Witte­rungs­ein­flüssen, u.a. Schlagregen, ausgesetzt. Infolge eindringender Feuchtigkeit kam es - so festgestellt von einem Sachver­ständigen im Rahmen eines selbständigen Beweis­ver­fahrens - zur Schimmelbildung im Haus des Klägers, der seinen hierdurch erlittenen Schaden auf insgesamt ca. 10.500 Euro beziffert und von den Beklagten ersetzt verlangt. Die Beklagten haben den Kläger an den beauftragten Bauunternehmer verwiesen, von dem der Kläger aufgrund zwischen­zeitlich eingetretener Insolvenz allerdings keinen Schadensersatz erlangen konnte.

LG: Schuldrecht nicht anwendbar - Klage abgewiesen

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dabei unter anderem angenommen, dass auf das nachbar­schaftliche Gemein­schafts­ver­hältnis der Parteien die Vorschriften des Schuldrechts nicht anzuwenden seien, so dass die Beklagten für ein Verschulden des Bauunternehmers nicht einzustehen hätten. Nach delikts­recht­lichen Vorschriften hafteten sie ebenfalls nicht, weil sie selbst nicht schuldhaft gehandelt hätten und der Bauunternehmer nicht ihr Verrich­tungs­gehilfe gewesen sei.

OLG: Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz

Die gegen das erstin­sta­nzliche Urteil eingelegte Berufung des Klägers war erfolgreich. Das Oberlan­des­ge­richts Hamm hat dem Kläger den geltend gemachten Schaden­s­er­satz­an­spruch zugesprochen. Anders als das Landgericht entschied das Oberlan­des­gericht, dass die Beklagten für die vom Bauunternehmer pflichtwidrig unterlassenen Abdich­tungs­maß­nahmen einzustehen haben. Das folge aus den im vorliegenden Fall anzuwendenden schuld­recht­lichen Vorschriften einer Erfül­lungs­ge­hil­fen­haftung.

Zwar fehle im Verhältnis von Grund­s­tücks­nachbarn regelmäßig das für ein gesetzliches Schuld­ver­hältnis typische Geflecht wechselseitiger Duldungs-, Mitwirkungs- und Leistungs­pflichten. Die zwischen Grund­s­tücks­nachbarn geltenden nachbar­recht­lichen Vorschriften konkretisierten im Wesentlichen die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Sie seien aber grundsätzlich keine Grundlage für die ein Schuld­ver­hältnis kennzeichnenden Rechte und Pflichten.

Zwischen Nachbarn begründetes Rechts­ver­hältnis gesetzlich besonders geregelt

Anders liege der Fall aber dann, so das Gericht, wenn sich eine Pflichtverletzung auf eine gemein­schaftliche Grenzein­richtung beziehe. Eine solche Grenzein­richtung stelle im vorliegenden Fall die gemeinsame Giebelwand dar. Sie sei dazu bestimmt, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden. Das durch sie zwischen den Nachbarn begründete Rechts­ver­hältnis sei gesetzlich besonders geregelt. Eine derartige Wand steht je zur Hälfte im Miteigentum der beiden Nachbarn. Deswegen liege jedenfalls in Bezug auf die gemein­schaftliche Grenzein­richtung ein gesetzliches Schuld­ver­hältnis zwischen den Nachbarn vor, auf welches die schuld­recht­lichen Vorschriften der Erfül­lungs­ge­hil­fen­haftung anzuwenden seien.

Beklagter muss Insolvenzrisiko des Bauunternehmers tragen

Daraus folge, dass ein Geschädigter auch von seinem Grund­s­tücks­nachbarn wegen eines schuldhaften Verhaltens des vom Nachbarn beauftragten Unternehmers Schadensersatz verlangen könne. Das Verhalten des Unternehmers sei dem Grund­s­tücks­nachbar zuzurechnen. Der Nachbar könne den Geschädigten nicht auf die Schadloshaltung bei der Hilfsperson verweisen. Der den Bauunternehmer beauftragende Grund­s­tücks­nachbar und nicht der Geschädigte trage deswegen ein Insolvenzrisiko des Bauunternehmers.

Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen

Das Oberlan­des­gericht hat die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen. Die Frage, ob die schuld­recht­lichen Vorschriften auf nachbarliche Beziehungen in Bezug auf eine gemein­schaftliche Grenzein­richtung anzuwenden seien, sei höchst­rich­terlich noch nicht geklärt und habe grundsätzliche Bedeutung.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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