21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil04.05.2018

Feuchtig­keits­schäden in einem in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilten Altbau sind sanie­rungs­pflichtigBei gravierenden baulichen Mängeln des Gemein­schafts­eigentums ist sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Wohnungs- und Teileigentümer dazu verpflichtet sind, Feuchtig­keits­schäden im Bereich des gemein­schaft­lichen Eigentums sanieren zu lassen.

Die Parteien bilden eine Wohnungs- und Teilei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft. Das im Jahr 1890 errichtete Gebäude wurde im Jahr 1986 in zwölf Wohnungen und drei Teilei­gen­tum­s­ein­heiten aufgeteilt. Die Kläger sind die Eigentümer der drei Teilei­gen­tum­s­ein­heiten, die sich im Souterrain des Gebäudes befinden; sie werden in der Teilungs­er­klärung als "Laden" bzw. "Büro" bezeichnet und derzeit als Naturheilpraxis, Künstleragentur und Kommu­ni­ka­ti­o­ns­agentur genutzt. Weil die Wände dieser Einheiten Durch­feuch­tungen aufweisen, holte die Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahr 2010 ein Gutachten eines Ingenieurbüros und im Jahr 2011 ein Gutachten eines Architekten ein. Beide Gutachten ergaben dieselben Schaden­s­ur­sachen, nämlich eine fehlende außenseitige Socke­lab­dichtung, eine fehlende Horizon­tal­sperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze. In der Eigen­tü­mer­ver­sammlung vom 31. März 2015 wurde der zu TOP 2a gestellte Antrag der Kläger auf Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden abgelehnt. Auch der weitere Antrag zu TOP 2b, wonach die Instandsetzung durch Einbringung einer Horizon­tal­sperre im Mauerwerk sowie Aufbringung einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden erfolgen soll, fand keine Mehrheit. Zu TOP 2f beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, ein weiteres Sachver­stän­di­gen­gut­achten einzuholen.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Gegen die genannten Beschlüsse zu TOP 2a, 2b und 2f wandten sich die Kläger mit der Anfech­tungsklage. Zugleich beantragten sie, die Beklagten zu verurteilen, den Beschlus­s­an­trägen zu TOP 2a und 2b zuzustimmen bzw. eine gerichtliche Beschlus­ser­setzung vorzunehmen. Das Amtsgericht wies die Klage im Wesentlichen ab. Auf die Berufung der Kläger gab ihr das Landgericht statt. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollten die Beklagten erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Sanierungbedarf ist auf fehlende Abdichtung des Gebäudes zurückzuführen und damit Aufgabe aller Wohnungs­ei­gentümer

Der Bundes­ge­richtshof nahm eine Sanie­rungs­pflicht der Wohnungs­ei­gentümer an und wies die Revision deshalb zurück. Der zu TOP 2a beantragte Grund­la­gen­be­schluss über die Sanierung der Feuch­tig­keits­schäden musste durch das Gericht ersetzt werden, weil die Kläger einen Anspruch auf die Sanierung des Gemein­schafts­ei­gentums haben. Grundsätzlich muss das gemein­schaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand sein, dass das Sondereigentum zu dem in der Teilungs­er­klärung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Weist das Gemein­schafts­ei­gentum gravierende bauliche Mängel auf, die die zweck­ent­spre­chende Nutzung von Wohnungs- oder Teilei­gen­tum­s­ein­heiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen, ist eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich, und einzelne Wohnungs­ei­gentümer können die Sanierung gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangen. Um solche Mängel geht es hier; die Innen- und Außenwände der Teilei­gen­tum­s­ein­heiten sind massiv durchfeuchtet. Die Ursache liegt in einer fehlenden Abdichtung des Gebäudes und damit im Gemein­schafts­ei­gentum; daher ist die Sanierung (ebenso wie beispielsweise bei Mängeln des Dachs) Aufgabe aller Wohnungs­ei­gentümer. Da die Teilei­gen­tum­s­ein­heiten nach der Teilungs­er­klärung als Büro bzw. Laden genutzt werden dürfen, müssen sie ebenso wie Wohnungen grundsätzlich dazu geeignet sein, als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen. Massive Durch­feuch­tungen müssen die Kläger deshalb nicht hinnehmen, und zwar auch dann nicht, wenn gesund­heits­schäd­licher Schimmel (noch) nicht aufgetreten sein sollte. Entgegen der Auffassung der Revision wird der Sanie­rungs­an­spruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich um Souter­rain­ein­heiten in einem Altbau handelt.

BGH hält Sanierung für zumutbar

Die Sanierung ist den Beklagten auch zuzumuten. Ist der Erhalt der Gebäudesubstanz gefährdet, muss ohnehin saniert werden. Ist die Gebäudesubstanz nicht gefährdet, ließe sich die Sanierung allenfalls durch eine Änderung der Teilungs­er­klärung vermeiden, indem der Nutzungszweck der betroffenen Einheiten geändert wird, hier etwa durch eine Änderung dahingehend, dass die Teilei­gen­tum­s­ein­heiten (nur) als Keller dienen. Ob Durch­feuch­tungen einer als Keller dienenden Teilei­gen­tum­s­einheit unter Umständen hingenommen werden müssten, und ob unver­hält­nis­mäßige Kosten der Instandsetzung dazu führen können, dass die übrigen Wohnungs­ei­gentümer eine Anpassung der in der Teilungs­er­klärung vorgesehenen Zweckbestimmung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG verlangen können, ließ der Bundes­ge­richtshof offen. Denn abgesehen davon, dass ein solcher Anpas­sungs­an­spruch nicht Gegenstand des Verfahrens ist, handelte es sich um einen äußerst gravierenden Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Eigentümer, die ihre Einheiten nicht mehr - wie zuvor - als Laden oder Büro nutzen könnten. Deshalb kann eine solche Anpassung der Teilungs­er­klärung nur als ultima ratio in Ausnahmefällen und gegen Ausgleichs­zah­lungen in Betracht gezogen werden. Von einem solchen Ausnahmefall kann hier nicht ausgegangen werden. Nach den Feststellungen des Landgerichts lässt sich die Feuchtigkeit beheben. Die von den Klägern mit 300.000 Euro bezifferten Sanie­rungs­kosten sind zwar für sich genommen hoch. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sie völlig außer Verhältnis zu dem erzielbaren Nutzen für die Gebäudesubstanz im Allgemeinen und die drei Einheiten der Kläger im Besonderen stehen. Eine "Opfergrenze" für einzelne Wohnungs­ei­gentümer ist nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs ohnehin nicht anzuerkennen.

Gerichtliche Beschlus­ser­setzung erfolgt auch für Anbringen einer Horizon­tal­sperre im Mauerwerk

Die gerichtliche Beschlus­ser­setzung musste auch im Hinblick auf den Beschlussantrag zu TOP 2b erfolgen. Auf der Grundlage eines Sachver­stän­di­gen­gut­achtens geht das Landgericht rechts­feh­lerfrei davon aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nur das in dem Beschlussantrag vorgesehene Sanie­rungs­ver­fahren ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach; die näheren Details bleiben einer fachgerechten Sanie­rungs­planung vorbehalten.

Weitere Verzögerung der Sanierung widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung

Schließlich ist auch den Beschlus­san­fech­tungs­klagen zu Recht stattgegeben worden. Den Wohnungs­ei­gen­tümern lagen nämlich schon im Zeitpunkt der Eigen­tü­mer­ver­sammlung zwei Privatgutachten vor, die die Schadensursache übereinstimmend benannt und Sanie­rungs­mög­lich­keiten aufgezeigt hatten. Die Schluss­fol­gerung des Landgerichts, es habe nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, die Sanie­rungs­anträge abzulehnen (TOP 2a und 2b) und stattdessen die Einholung eines weiteren Gutachtens zu beschließen (TOP 2f), lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Jedenfalls widersprach es ordnungsmäßiger Verwaltung, die erforderliche Sanierung mit den angefochtenen Beschlüssen weiter zu verzögern.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 21 WEG:

Erläuterungen

Abs. 4: "Jeder Wohnungs­ei­gentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungs­ei­gentümer nach billigem Ermessen entspricht."

Abs. 5: "Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungs­ei­gentümer entsprechenden Verwaltung gehört insbesondere:

1. [...]

2.die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemein­schaft­lichen Eigentums [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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