23.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil12.04.2019

Verbot der kurzzeitigen Vermietung von Eigen­tums­woh­nungen bedarf Zustimmung aller Wohnungs­ei­gentümerZweckbestimmung einer Wohnung darf nicht mit einfachem Mehrheits­be­schluss geändert werden

Der Bundes­ge­richtshof hatte darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die kurzzeitige Vermietung von Eigen­tums­woh­nungen (z.B. an Feriengäste) auf der Grundlage einer sogenannten Öffnungsklausel durch Mehrheits­be­schluss verboten werden kann.

Die Parteien des zugrunde liegenden Verfahrens bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit acht Wohnungen. Die Klägerin ist Eigentümerin einer der Wohnungen, die Beklagten sind die übrigen Wohnungseigentümer. Die Teilungserklärung enthält eine Regelung, wonach den Wohnungs­ei­gen­tümern auch die kurzzeitige Vermietung ihrer Wohnungen (z.B. an Feriengäste) gestattet ist. Eine sogenannte Öffnungsklausel sieht vor, dass die Teilungs­er­klärung mit einer Mehrheit von 75 % aller Mitei­gen­tums­anteile geändert werden kann. Mit einer solchen Mehrheit beschlossen die Wohnungs­ei­gentümer in der Eigen­tü­mer­ver­sammlung vom 29. März 2017, die Teilungs­er­klärung dahingehend zu ändern, dass die Überlassung einer Wohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste, vor Ort befristet Tätige oder andere Mieter mit Unter­kunfts­be­dürf­nissen von kurzer Dauer sowie eine Nutzung als Werkswohnung nicht mehr zulässig ist.

Vorinstanzen stellen Nichtigkeit des Beschlusses fest

Auf die unter Wahrung der Fristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erhobene Beschluss­män­gelklage der Klägerin hat das Amtsgericht die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt. Nachdem die Berufung der übrigen Wohnungs­ei­gentümer erfolglos geblieben ist, wollten sie mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Auch BGH erklärt Beschluss für unwirksam

Die Revision blieb erfolglos. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass der Beschluss rechtswidrig ist, weil die Zustimmung der Klägerin fehlte; deshalb sei der Beschluss­män­gelklage zu Recht stattgegeben worden. Nach der bislang geltenden Gemein­schafts­ordnung sei die kurzzeitige Vermietung zulässig gewesen. Dienten Einheiten - wie hier - zu Wohnzwecken, sei dies nämlich als Zweckbestimmung mit Verein­ba­rung­s­cha­rakter anzusehen. Die zulässige Wohnnutzung umfasse, wie der Bundes­ge­richtshof schon im Jahr 2010 entschieden hat, auch die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste; diese Vermie­tungs­formen waren hier bislang sogar ausdrücklich erlaubt.

Zweckbestimmung des Wohnungs- oder Teileigentums hat entscheidenden Einfluss auf den Wert der Einheit

Im Ausgangspunkt erlaube es die allgemeine Öffnungsklausel den Wohnungs­ei­gen­tümern zwar, solche Vereinbarungen mit qualifizierter Mehrheit zu ändern. Zum Schutz der Minderheit seien laut Bundes­ge­richtshof dabei aber bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Das gelte unter anderem für Beschluss­ge­gen­stände, die zwar verzichtbare, aber "mehrheitsfeste" Rechte der Sonde­rei­gentümer betreffen. Zu diesen "mehrheitsfesten" Rechten eines Sonde­rei­gen­tümers gehöre die Zweckbestimmung seines Wohnungs- oder Teileigentums. Diese gibt vor, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden darf; deshalb hat sie aus Sicht des Sonde­rei­gen­tümers entscheidenden Einfluss auf den Wert seiner Einheit. Werde sie geändert oder eingeschränkt, betrifft dies die Nutzung des Sondereigentums in substanzieller Weise. Derartige Eingriffe bedürften jedenfalls der Zustimmung des Eigentümers der Einheit, deren Zweckbestimmung geändert werden soll. Dies ergebe sich aus einer verfas­sungs­kon­formen Auslegung der allgemeinen Öffnungsklausel, die dem Umstand Rechnung trägt, dass das Sondereigentum als echtes Eigentum im Sinne von § 903 BGB und Art. 14 GG ausgestaltet ist. Beispielsweise berechtige eine solche Klausel nicht dazu, eine als Gaststätte dienende Teilei­gen­tum­s­einheit ohne Zustimmung des Teileigentümers mit der Zweckbestimmung Büro zu versehen, weil die Mehrheit den Gaststät­ten­betrieb als störend empfindet.

Generelles Vermie­tungs­verbot bedarf Zustimmung aller Wohnungs­ei­gentümer

Auch Vermie­tungs­verbote greifen in die Zweckbestimmung des Wohnungs­ei­gentums ein. Ein generelles (also sowohl auf kurz- als auch auf langfristige Vermietungen bezogenes) Vermie­tungs­verbot könnte nur dann rechtmäßig sein, wenn nicht nur die aktuell vermietenden, sondern alle Wohnungs­ei­gentümer zustimmen; denn auch die Zweckbestimmung solcher Einheiten, die im Zeitpunkt der Beschluss­fassung von den Eigentümern selbst genutzt werden, würde eingeschränkt, wenn eine Vermietung fortan unterbleiben müsste. Hier hätten die Wohnungs­ei­gentümer zwar kein generelles, sondern ein spezielles Vermie­tungs­verbot beschlossen, mit dem nur bestimmte, nämlich kurzzeitige Vermietungen untersagt werden. Aber auch ein solches Verbot könne nur mit Zustimmung aller Wohnungs­ei­gentümer beschlossen werden. Denn es verengt die zuvor weite Zweckbestimmung der Einheiten und schränkt das in § 13 Abs. 1 WEG gewährleistete Recht jedes einzelnen Wohnungs­ei­gen­tümers, mit seinem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren, dauerhaft in erheblicher Weise ein. Über die Nutzung des Sondereigentums dürfe aber - soweit nichts anderes vereinbart ist - der Sonde­rei­gentümer frei entscheiden, und er dürfe sich darauf verlassen, dass seine auf das Sondereigentum bezogenen Nutzungs­be­fugnisse nicht ohne sein Zutun eingeschränkt werden. Infolgedessen dürften auch Vermietungen von besonders kurzer Dauer oder bestimmter Art - wie etwa die Vermietung als Ferien- oder Werkswohnung - nur mit Zustimmung aller Wohnungs­ei­gentümer verboten werden; andernfalls entstünden im Übrigen erhebliche Abgrenzungs- und Wertungs­probleme.

Mit Kurzzeit­ver­mietung einhergehende Störungen müssen von Miteigentümern nicht hingenommen werden

Die Eigentumsrechte der übrigen Wohnungs­ei­gentümer würden hierdurch nicht außer Acht gelassen. Allerdings erfordern Regelungen, die - wie das Verbot der kurzzeitigen Vermietung in einer reinen Wohnungs­ei­gen­tums­anlage - die Zweckbestimmung aller Einheiten betreffen, eine allstimmige Beschluss­fassung; diese zu erreichen, könne sich gerade in größeren Anlagen als schwierig erweisen. Den übrigen Wohnungs­ei­gen­tümern stünden aber gegebenenfalls andere Rechts­schutz­mög­lich­keiten zur Verfügung. Was die Kurzzeit­ver­mietung angehe, müssten damit einhergehende Störungen wie Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbe­läs­ti­gungen durch Feriengäste nicht hingenommen werden; sie könnten einen Unter­las­sungs­an­spruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG begründen. Solche Störungen hätten die Beklagten allerdings - soweit ersichtlich - nicht geltend gemacht. Der von ihnen vornehmlich angeführte Umstand, dass die kurzzeitigen Mieter den anderen Bewohnern unbekannt seien, stelle für sich genommen keine Störung dar.

Die maßgebliche Vorschrift lautet:

§ 13 WEG:

Erläuterungen

Abs. 1: "Jeder Wohnungs­ei­gentümer kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen."

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm)

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