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Dokument-Nr. 31972

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Bundesgerichtshof Beschluss05.07.2022

BGH: Maskengeschäfte von CSU-Abgeordneten nicht strafbarMaskengeschäfte stellen keine Bestechlichkeit oder Bestechung von Mandatsträgern dar

Der Bundes­ge­richtshof hat die weiteren Beschwerden der General­staats­anwaltschaft München gegen drei Beschlüsse von Strafsenaten des Oberlan­des­ge­richts München verworfen. Mit diesen Entscheidungen hatten die Senate insbesondere Haft- und Vermögens­arrest­anordnungen aufgehoben, welche die Ermittlungs­richterin des Oberlan­des­ge­richts wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit bzw. Bestechung von Mandatsträgern (§ 108 e StGB) in dem Ermittlungs­verfahren der General­staats­anwaltschaft zur sog. Maskenaffäre gegen drei Beschuldigte getroffen hatte, darunter das Mitglied des Deutschen Bundestages N. und das Mitglied des Bayerischen Landtages S.

Der Beschuldigte L. und ein Mitbe­schul­digter, zwei Privat­un­ter­nehmer, fassten Anfang März 2020 den Plan, Schutz­aus­rüstung zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie aus Asien einzuführen, um sie gewinnbringend an Bundes- und Landesbehörden zu verkaufen. In Abstimmung mit L. trat der Mitbeschuldigte an die ihm persönlich bekannten Beschuldigten N. und S. heran und trug ihnen an, gegen Entgelt ihre Autorität und ihren Einfluss als Bundes- bzw. Landtags­ab­ge­ordneter einzusetzen, damit die Behörden die Ware von Firmen des L. oder mit diesen kooperierenden Unternehmen erwerben. Die beiden Parlamentarier erklärten sich mit dem geplanten Vorhaben einverstanden. In der Folge traten sie mit Entschei­dungs­trägern verschiedener Bundes- und Landesbehörden in Verbindung und wirkten auf den Abschluss von Kaufverträgen über Schutzmasken (Mund-Nase-Bedeckungen) hin.

Abgeordnete vermittelten Maskenverträge

N. vermittelte zwei Verträge einer für die Abwicklung des Vorhabens eingebundenen Firma mit dem Bundes­mi­nis­terium des Innern, für Bau und Heimat, vertreten durch das Bundes­po­li­zei­prä­sidium Potsdam, vom 20. März 2020 (3 Mio. FFP2-Masken zum Nettokaufpreis von 11,4 Mio. €) sowie mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundes­mi­nis­terium für Gesundheit, vom 27./28. März 2020 (8,5 Mio. FFP2- und FFP3-Masken zum Nettokaufpreis von 37,25 Mio. €). Er stellte den Kontakt zu den für die Ministerien handelnden Entschei­dungs­trägern und Mitarbeitern her und setzte sich sowohl bei der Anbahnung der Kaufverträge als auch bei deren Abwicklung für L. und den Mitbe­schul­digten ein. Gegenüber den Behörden trat N. als "MdB" und stell­ver­tre­tender Vorsitzender einer der Bundes­tags­frak­tionen auf. S. vermittelte den Abschluss eines Kaufvertrages über Schutzmasken zwischen der benannten Firma und dem Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staats­mi­nis­terium für Gesundheit und Pflege, vom 20. März 2020 (3,5 Mio. FFP2- und FFP3-Masken zum Nettokaufpreis von 14,25 Mio. €). Er stellte den Kontakt zur zuständigen Mitarbeiterin des Ministeriums her und förderte den Vertragsschluss. Seine entsprechenden E-Mails an die Behörde versandte S. - teilweise mit seiner Berufs­be­zeichnung "Rechtsanwalt" - unter der E-Mailadresse einer seiner beiden Kanzleien, verwendete aber auch mehrfach eine Signatur mit dem Kürzel "MdL".

Abgeordnete erhielten Zahlungen in Millionenhöhe

Die beiden beschuldigten Abgeordneten erhielten für ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Maskenverkäufen abredegemäß eine Entlohnung. Von den bei der benannten Firma eingegangenen Zahlungen zog deren Geschäftsführer zunächst die für die Beschaffung der Masken entstandenen Kosten und den ihr zustehenden Provi­si­ons­betrag ab. Über die von ihm mitgeteilten Restbeträge erstellte L. insgesamt neun Rechnungen über Beratungs- und Provi­si­ons­leis­tungen. Daraufhin veranlasste der Geschäftsführer die Überweisung der Rechnungssummen von mehr als 10 Mio. € auf ein Konto des L. bei einer Liechtensteiner Bank. N., der zugleich Geschäftsführer einer GmbH war, stellte in deren Namen zwei Rechnungen wegen "Abschlags­zahlung Beratungs­honorar" über 660.000 € und 600.000 €, von denen die erste beglichen wurde. S., der maßgebenden Einfluss auf eine andere GmbH hatte, veranlasste, dass diese einen Gewinnanteil von 1,243 Mio. € abrechnete. L. überwies daraufhin den Betrag auf ihr Bankkonto.

BGH: Keine Bestechlichkeit von Abgeordneten

Der Bundes­ge­richtshof hat - wie bereits die Senate des Oberlan­des­ge­richts sowie dem Antrag des General­bun­des­anwalts entsprechend - entschieden, dass das den drei Beschuldigten vorgeworfene Verhalten nicht als Bestechlichkeit von Abgeordneten nach § 108 e Abs. 1 StGB (Beschuldigte N. und S.) oder Bestechung von Abgeordneten (Beschuldigter L.) strafbar ist. Er hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Tatbestände des § 108 e Abs. 1 und 2 StGB setzen unter anderem eine (erstrebte bzw. getroffene) Unrechts­ver­ein­barung zwischen dem Bestechenden und dem bestochenen Parla­ments­mitglied mit dem Inhalt voraus, dass dieses "bei der Wahrnehmung seines Mandates" eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornimmt oder unterlässt. Die Beschuldigten N. und S. nahmen indes, indem sie die Gegenleistungen für die Gewinn­be­tei­li­gungen erbrachten, nicht ihr Mandat im Sinne dieses Strafgesetzes wahr; die Übereinkunft der Beteiligten war hier von vorneherein nicht auf ein derartiges Verhalten gerichtet.

Keine Vermittlung in Wahrnehmung des Mandats

Das Merkmal der Wahrnehmung des Mandats ist dahin zu verstehen, dass die Mandat­s­tä­tigkeit als solche, nämlich das Wirken im Parlament, mithin im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parla­men­ta­rischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Abgeordneten besetzten Kommissionen, erfasst ist. Allein die Vereinbarung zwischen den Beteiligten, dass sich der Mandatsträger bei außer­pa­r­la­men­ta­rischen Betätigungen auf seinen Status beruft, um im Interesse eines Privat­un­ter­nehmers Behör­den­ent­schei­dungen zu beeinflussen, erfüllt dieses Merkmal nicht. Ebenso wenig genügt es, wenn das Parla­ments­mitglied dazu die in dieser Funktion geknüpften Beziehungen zu Entschei­dungs­trägern der Exekutive ausnutzen oder sich seiner Amtsausstattung bedienen soll. Dieses Verständnis des Strafgesetzes ist - wie in den Beschluss­gründen im Einzelnen dargelegt ist - Ergebnis der Anwendung der anerkannten Methoden der Geset­zes­aus­legung, namentlich nach dem Wortlaut des § 108 e StGB, dessen systematischem Kontext, dem Willen des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck dieser Strafnorm. Dabei kam der Begründung des - der maßgeblichen Fassung des Straf­tat­be­standes zugrun­de­lie­genden - Geset­ze­s­entwurfs sowie der hierzu abgegebenen Stellungnahme des Ausschusses des Bundestages für Recht und Verbrau­cher­schutz eine erhebliche Bedeutung zu. Diese Materialien sind dahin zu verstehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, rein außer­pa­r­la­men­ta­rische Betätigungen des Mandatsträgers zu erfassen. Das Korrup­ti­o­ns­delikt der missbräuch­lichen Einflussnahme, das in zwei von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen völker­recht­lichen Abkommen vorgesehen ist, hat er nicht in das deutsche Recht überführt.

Gesetzgeber zur Schließung möglicher Straf­ba­r­keits­lücken verantwortlich

Der BGH hat darauf hingewiesen, dass es dem Gesetzgeber obliegt zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will. Den Gerichten ist es hingegen verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren. Im Hinblick auf den vom Wortlaut des § 108 e StGB gedeckten eindeutigen gesetz­ge­be­rischen Willen, das außer­pa­r­la­men­ta­rische Wirken des Mandatsträgers durch diese Norm nicht zu erfassen, kommt eine diese Intention missachtende Auslegung nicht in Betracht, selbst wenn die hier zu beurteilenden Handlungen ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das vom Gesetz pönalisierte Verhalten. Falls der Gesetzgeber eine Straf­ba­r­keitslücke erkennen sollte, ist es seine Sache, darüber zu befinden, ob er sie bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will. Mit der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs bleiben der gegen den Beschuldigten L. erlassene Haftbefehl sowie die gegen alle drei Beschuldigten angeordneten Vermö­gens­arreste über insgesamt ca. 3,6 Mio. € aufgehoben. Insoweit ist keine weitere Anfechtung mehr statthaft.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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