18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 11886

Drucken
Urteil28.06.2011BundesgerichtshofKZR 75/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 190, 145Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 190, Seite: 145
  • JZ 2012, 789Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2012, Seite: 789
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Mannheim, Urteil29.04.2005, 22 O 74/04
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil11.06.2010, 6-U 118/05 (Kart)
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.06.2011

BGH: Kartell­teil­nehmer haften auch mittelbar Geschädigten auf SchadensersatzAnspruch auf Schadensersatz besteht auch für diejenigen Marktteilnehmer, auf deren Kosten kartell­rechtlich verbotenes Verhalten praktiziert wird

Schadensersatz wegen Kartell­rechts­ver­stößen können nicht nur unmittelbare Kunden der Kartell­teil­nehmer verlangen, sondern auch ihnen in der Absatzkette folgende Abnehmer. Der Kartellant kann aber gegen den Anspruch einwenden, der Anspruchsteller habe die kartellbedingte Preiserhöhung an seine eigenen Kunden weitergegeben. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hat die Klägerin die Beklagte aus abgetretenem Recht eines Drucke­rei­un­ter­nehmens auf Schadensersatz wegen Kartellabsprachen in Anspruch genommen. Die Beklagte war von Januar 1992 bis September 1995 an einem Preiskartell der Hersteller von Selbst­durch­schrei­be­papier (SD-Papier) beteiligt. Das steht aufgrund einer von ihr erfolglos angegriffenen Entscheidung der EU-Kommission, die der Beklagten deshalb eine Geldbuße in Höhe von ca. 33 Millionen Euro auferlegt hat, fest. Das Drucke­rei­un­ter­nehmen hat in diesem Zeitraum zu kartellbedingt überhöhten Preisen SD-Papier von Großhändlern bezogen, die ihrerseits von am Kartell beteiligten Herstellern beliefert wurden. Das Berufungs­gericht hat der Klage teilweise stattgeben. Der Bundes­ge­richtshof hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen, da noch weitere Feststellungen getroffen werden müssen.

Schaden, der ursächlich auf ein nach Unionsrecht verbotenes Kartell zurückzuführen ist, muss ersetzt werden

Mit seiner Entscheidung, dass auch in der Absatzkette folgenden indirekten Abnehmern ein Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen kartell­be­dingter Preiserhöhungen zustehen kann, trägt der Bundes­ge­richtshof dem Umstand Rechnung, dass die nachteiligen Folgen eines Preiskartells sich nicht notwen­di­gerweise bei den unmittelbaren Abnehmern der Kartellanten realisieren, sondern – weil diese die Preiserhöhungen weitergeben können – oft auf nachfolgende Marktstufen verlagert werden. Nach dem Sinn und Zweck des Kartell- und Schaden­s­er­satz­rechts ist es aber geboten, dass auch diejenigen Marktteilnehmer ihren Schaden ersetzt erhalten, auf deren Kosten ein kartell­rechtlich verbotenes Verhalten letztlich praktiziert wird. Dies ist auch die Auffassung des Gerichtshofs der europäischen Union, der bereits ausgesprochen hat, dass jedermann berechtigt ist, Ersatz des ihm entstandenen Schadens zu verlangen, der ursächlich auf ein nach Unionsrecht verbotenes Kartell zurückzuführen ist.

"passing-on defence"

Wie der Bundes­ge­richtshof weiter entschieden hat, ist der Kartell­teil­nehmer aber grundsätzlich berechtigt, dem Schadensersatz verlangenden Abnehmer entge­gen­zu­halten, dass dieser die von ihm gezahlten kartellbedingt überhöhten Preise an seine eigenen Kunden weitergegeben und deswegen letztlich keinen Schaden mehr hat ("passing-on defence"). Durch diese Vorteils­aus­gleichung wird eine unver­hält­nis­mäßige mehrfache Inanspruchnahme des Kartellanten für einen nur einmal entstandenen Schaden ebenso vermieden wie eine ungerecht­fertigte Bereicherung direkter Abnehmer, soweit sie tatsächlich wirtschaftlich keinen Schaden erlitten haben. Beteiligte des Kartells haften auch für den Schaden, der Abnehmern dadurch entsteht, dass sie über den Großhandel von anderen Kartell­teil­nehmern bezogen haben.

§ 33 GWB zum Zeitpunkt der maßgeblichen Waren­lie­fe­rungen noch nicht gültig

Grundlage des Schaden­s­er­satz­an­spruchs im Streitfall ist § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit Art. 81 EG (heute Art. 101 AEUV). Auf § 33 GWB konnte die Klage nicht gestützt werden, da diese Norm im Zeitraum der maßgeblichen Waren­lie­fe­rungen noch nicht galt. Der Bundes­ge­richtshof hat jedoch klargestellt, dass sich nach geltendem Recht keine grundsätzlich abweichende Beurteilung ergibt.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil11886

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI