Dokument-Nr. 6966
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Bundesgerichtshof Beschluss11.11.2008
BGH untersagt Strom-Oligopol: Kein Zusammenschluss von E.ON und Stadtwerke Eschwege aufgrund starker MarktstellungRichter stärken Wettbewerb auf dem Strommarkt
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die beiden großen Energiekonzerne E.ON und RWE nicht mehr bei örtlichen Stadtwerken einsteigen dürfen. Den Konzernen sind selbst Minderheitsbeteiligungen untersagt. Die Karlsruher Richter bestätigten damit eine Verfügung des Bundeskartellamts.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat die Beschwerde gegen die Untersagung des Zusammenschlussvorhabens E.ON - Stadtwerke Eschwege durch das Bundeskartellamt zurückgewiesen.
BGH beschäftigte sich erstmals mit einem Zusammenschlussvorhaben auf dem Strommarkt seit der Liberalisierung des Stromhandels im Jahre 1998
Dabei hat sich der Bundesgerichtshof erstmals seit der Liberalisierung des Stromhandels im Jahre 1998 mit einem Zusammenschlussvorhaben auf dem Strommarkt befasst. Durch das am 29.4.1998 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts wollte der Gesetzgeber die gegeneinander abgeschotteten Versorgungsgebiete der großen Stromkonzerne aufbrechen und einem freien Wettbewerb zugänglich machen. Für den Erstabsatz von in Deutschland erzeugtem oder nach Deutschland importiertem Strom hat der Bundesgerichtshof nun festgestellt, dass noch kein freier Wettbewerb herrscht, sondern – zumindest – zwischen den beiden Marktführern E.ON und RWE ein marktbeherrschendes Oligopol besteht. Begründet hat er das u. a. mit der geringen Durchleitungskapazität der Kuppelstellen an den deutschen Grenzen. Deswegen können ausländische Stromanbieter auf dem inländischen Markt nur einen geringen Wettbewerbsdruck entfalten. Das verschafft den großen deutschen Stromerzeugern eine starke Marktstellung. Zwischen den beiden Marktführern E.ON und RWE besteht kein nennenswerter Wettbewerb. Auch die übrigen stromerzeugenden Unternehmen, darunter Vattenfall und EnBW, sind nicht in der Lage, einen hinreichenden Wettbewerbsdruck gegen die Marktführer aufzubauen. Deshalb hat der Bundesgerichtshof E.ON und RWE als gemeinsam marktbeherrschend angesehen.
Richter: E.ON und RWE haben eine marktbeherrschende Stellung
Diese marktbeherrschende Stellung von E.ON und RWE würde verstärkt, wenn sich E.ON - wie geplant - an den Stadtwerken Eschwege beteiligte. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass es der Geschäftsstrategie der Marktführer entspricht, an zahlreichen Stadtwerken oder sonstigen Stromversorgern Minderheitsbeteiligungen zu erwerben, um auf diese Weise ihre Absatzgebiete zu sichern. Bereits jetzt haben E.ON und RWE Anteile an insgesamt 204 stromverteilenden Unternehmen. Zusätzliche Beteiligungen würden den Wettbewerb weiter einschränken. Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts in letzter Instanz bestätigt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.11.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 206/08 des BGH vom 11.11.2008
der Leitsatz
GWB § 19 Abs. 2, § 36 Abs. 1
a) Für die Marktabgrenzung auf den Strommärkten kommt es darauf an, welche Strommengen "körperlich" angeboten werden. Deshalb besteht ein Erstabsatzmarkt für Strom, auf dem allein die stromerzeugenden und -importierenden Unternehmen als Anbieter auftreten. Bloße Stromgroßhändler gehören nicht zu den Anbietern auf diesem Markt.
b) Räumlich ist der Erstabsatzmarkt für Strom deutschlandweit abzugrenzen. Ein europaweiter Markt besteht angesichts der begrenzten Übertragungskapazität der Grenzkuppelstellen nicht.
c) Ob mehrere Unternehmen ein Oligopol i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB bilden, ist anhand einer Gesamtbetrachtung aller für den Wettbewerb relevanten Umstände zu beurteilen. Wesentliche Indizien dafür sind eine hohe Markttransparenz und wirksame Abschreckungs- und Sanktionsmöglichkeiten bei abweichendem Marktverhalten.
GWB § 70 Abs. 1
Das Beschwerdegericht braucht grundsätzlich die vom Bundeskartellamt aufgrund einer Marktdatenerhebung gewonnenen Ergebnisse nicht von Amts wegen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vortrag der Beteiligten oder der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Überlegung der sich aufdrängenden Möglichkeiten dazu Anlass gibt.
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