18.10.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 17150

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Beschluss20.06.2013BundesgerichtshofIX ZB 50/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2013, 1734Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2013, Seite: 1734
  • MDR 2013, 1248Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 1248
  • NJW 2013, 3312Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 3312
  • NZI 2013, 940Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (NZI), Jahrgang: 2013, Seite: 940
  • Rpfleger 2014, 39Zeitschrift: Der Deutsche Rechtspfleger (Rpfleger), Jahrgang: 2014, Seite: 39
  • WM 2013, 1752Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2013, Seite: 1752
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Ludwigsburg, Beschluss30.09.2011, 1 IK 272/11-b
  • Landgericht Stuttgart, Beschluss03.11.2011, 10 T 337/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss20.06.2013

Pfändung des Eigengelds von Strafgefangenen zulässigKeine Anwendung der Pfändungs­frei­grenzen aus §§ 850c, 850f, 850k ZPO

Das durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildete Eigengeld des Strafgefangenen ist pfändbar. Die Pfändungs­frei­grenzen der §§ 850c, 850f und 850k ZPO sind nicht anwendbar. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Strafgefangener erhielt aufgrund von Arbeitsleistung ein monatliches Arbeitsentgelt von 240 €. Teile davon wurden ihm zum einen auf sein Hausgeldkonto und zum anderen auf sein Eigengeldkonto gutgeschrieben. Nunmehr bestand Streit darüber, ob das Eigengeld pfändbar war oder den Pfändungs­schutz­vor­schriften der Zivil­pro­zess­ordnung unterlag.

Amtsgericht bejahte Pfändung, Landgericht verneinte dies

Während das Amtsgericht Ludwigsburg die Pfändung des Eigengelds bejahte, verneinte dies das Landgericht Stuttgart. Zur Begründung führte es aus, dass die Situation des Strafgefangenen, der von seinem Hausgeld allein nicht sein Sonderbedarf decken könne, mit der Situation eines in Freiheit befindlichen Schuldners, der seinen Sonderbedarf aus den ihm pfandfrei verbleibenden Arbeitsentgelt nicht decken könne, vergleichbar sei. Letzterer Fall werde durch § 850 f Abs. 1 ZPO geregelt. Es sei sachgerecht die Vorschrift auch auf die Situation des Strafgefangenen entsprechend anzuwenden. Nunmehr sollte der Bundes­ge­richtshof dazu Stellung nehmen.

Keine unmittelbare Anwendung der Pfändungs­frei­grenzen auf das Eigengeld

Der Bundes­ge­richtshof hielt das Eigengeld für voll pfändbar. Die Pfändungs­frei­grenzen des § 850 c ZPO finden keine unmittelbare Anwendung. Denn diese gelten nur für die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeits­ein­kommens. Bei dem Strafgefangenen könne hingegen nur sein Anspruch auf Auszahlung seines Eigengelds gepfändet werden, nicht aber sein Anspruch auf Gutschrift des Arbeitsentgelts. Der Pfändungsschutz des § 850 c ZPO erstrecke sich nicht auf das zur Bewirkung der geschuldeten Leistung ausbezahlte oder auf ein Konto überwiesene Geld. Vielmehr erlösche mit der als Arbeits­ein­kommen geschuldeten Forderung auch der bis dahin für diese Forderung bestehende Pfändungsschutz.

Entsprechende Anwendung schied ebenfalls aus

Ebenso sei nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs keine entsprechende Anwendung des § 850 c ZPO in Betracht gekommen. Denn das Schutzbedürfnis eines in Freiheit lebenden und Arbeits­ein­kommen erhaltenen Schuldners sei mit dem eines Schuldners, der in Strafhaft Arbeitsentgelt bezieht, nicht vergleichbar. Aus sozialen Gründen und im öffentlichen Interesse werde dem in Freiheit lebenden Schuldner ein Teil seines Arbeits­ein­kommens belassen. Maßstab für die Bemessung der für die Existenz des Schuldners und für den Erhalt seiner Arbeits­fä­higkeit erforderlichen Mittel bilden die Bedürfnisse eines in Freiheit lebenden und arbeitenden Menschen.

Eigengeld des Strafgefangenen deckt nicht Lebensunterhalt

Das Eigengeld des Strafgefangenen decke dagegen nicht sein Lebensunterhalt, so der Bundes­ge­richtshof weiter. Denn ihm werden Unterkunft, Verpflegung, notwendige Kleidung sowie Gesund­heits­fürsorge gewährt. Zudem stehe ihm das unpfändbare Hausgeld und Überbrü­ckungsgeld zur Verfügung, um seine privaten Bedürfnisse zu befriedigen bzw. seinen Lebensunterhalt zu sichern.

Keine Anwendung der § 850 f und § 850 k ZPO

Darüber hinaus verneinte der Bundes­ge­richtshof eine unmittelbare Anwendung der § 850 f und § 850 k ZPO. Eine entsprechende Anwendung scheide aus, weil beide Vorschriften auf den § 850 c ZPO verwiesen, der weder mittelbar noch unmittelbar anwendbar war.

Ausnah­me­vor­schrift des § 765 a ZPO ebenso nicht einschlägig

Ebenso habe nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs die Ausnah­me­vor­schrift des § 765 a ZPO gegriffen, der in besonderen Härtefällen ein Schutz gegen Vollstre­ckungs­maß­nahmen gewährt. Die Voraussetzungen dafür haben aber nicht vorgelegen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

InsO § 36 Abs. 1; ZPO §§ 850c, 850f, 850k; JVollzGB III BW § 53

Das Eigengeld, das durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildet wird, welches der arbeits­pflichtige Strafgefangene für die Ausübung der ihm zugewiesenen Arbeit erhält, ist pfändbar; die Pfändungs­grenzen der §§ 850c, 850f, 850k ZPO finden keine Anwendung (Anschluss an BGHZ 160, 112).

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